Und ein Dorfladen in den Fünfziger Jahren vorigen Jahrhunderts, was gab es da?
Gemischtwarenhandlung stand wohl über jedem Dorfladen, und wahrlich, hier war alles gemischt. Mußte doch auf kleinstem Raum alles untergebracht werden, was im täglichen Leben gebraucht wurde: Vom Kaffee fürs Frühstück
bis zum Musmehl fürs Abendessen, von der Haarnadel bis zur Schuhlitze, von der Malerfarbe bis zu den Schusternägeln, vom Schurzstoff bis zur Wäscheseide, vom Kampfer bis zum Rizinusöl, vom Regenschirm bis zum Strohhut, von den Samentüten im Frühjahr bis zu den Wollstrümpfen im Winter. Das Öffnen der Tür löste zumeist das Klingeln einer Glocke aus und kündete Kundschaft an. Schon beim Eintreten stieg ein gemischter Duft in die Nase, denn die meisten Waren gab es nicht abgepackt, sondern sie mussten beim Verkauf abgewogen oder gemessen werden. Fremde Düfte, wie Zimt und Gewürznelken, mischten sich mit Petroleum- und Waschmittelgeruch, manchmal auch überlagert vom starken Geruch eines überreifen Graukäses. Die Waren wurden in Schubladen, Dosen, einige in Gläser aufbewahrt.
Es musste nicht alles sichtbar und einladend aufgestellt werden, denn die Kunden kauften, was sie brauchten, im Gegensatz zu heute, wo man kauft, was man sieht.
Der Vorgänger der Kühltheke war eine Glasglocke, unter der Parmesan, Mortadella, Schnittkäse und manchmal Salami aufbewahrt wurden. Es gab auch keine Aufschnittmaschine, mit dem Messer wurde die Wurst in „dünne“
Scheiben geschnitten. In der Fastenzeit wurden für einige Feinschmecker Anguilotten (marinierte Aale) angeboten und Stockfisch, der für „Gröstl“ verwendet wurde. Gleich daneben stand ein weißer Block Schweinefett von dem nach Bedarf herunter geschnitten wurde, als preisgünstiges Backfett.
Kinder drückten ihre Nasen platt an den Gläsern mit dem süßen Inhalt: „Himbeerzuckerlein“ (färbten Zunge und Lippen wunderbar rot), Zitronen- und Orangenspalten, „Mognstöcklan und Minzenbreatlan“ und für besondere Anlässe cremegefüllte „Zuckerlan“, eingewickelt in buntes Glanzpapier. Dieses Glanzpapier wurde gesammelt, aufbewahrt und erinnerte noch lange an den seltenen Genuß oder an den edlen Spender.
Seltsame und eigenartige Namen hörte man, wenn Handwerker einkauften: Der Schuster bestellte Flügelnägel, Mausköpfe, Texnägel und Draggarn in verschiedenen Stärken. Der Schneider brauchte Futterseide, Taschenfutter,
Steifleinwand, Rosshaar, Filoforte und Knopflochseide. Der Maler hatte klingende Namen für seine Farben, Pompeijanischrot, Ultramarinblau, Ockergelb usw. Der Fuhrmann brauchte Bremsenöl für sein von den Insekten geplagtes
Pferd. Der Zimmermann benötigte einen Zimmerbleistift, der rechteckig war und eine besonders dicke Mine hatte und einen Zollspan. Der Bauer konnte Heu- und Mistgabeln kaufen, Schaufeln, Kuhketten und Sechserseile.
In der Adventszeit bekam der kleine Laden weihnachtlichen Glanz. Auf einem Tisch wurde Christbaumschmuck aus Glas aufgestellt: Kugeln, Glocken, Tannenzapfen, Vögel in verschiedenen Farben und Größen, bunte Christbaumkerzen, Sternspritzer und Silberfäden brachten Kinderaugen zum Leuchten. Puppen mit aufgemalten Gesichtern, kleine Holzpferde zum Nachziehen, Bauklötze und Kochgeschirr für Puppenmütter ließen Kinderträume wahr werden.
Gemischt und bescheiden war das gesamte Angebot. Und doch konnte man alles Notwendige hier finden, wenn man keine großen Ansprüche stellte.
Warenliste
A Aluminiumgeschirr, Anis, Ansichtskarten, Ata
B Backpulver, Bänder, Besen, Bleistifte, Bohnen, Bohnenkaffee, Borten, „Boxilan und Boxilemehl“, Briefpapier, Buchweizenmehl, Bürsten, Butterpapier
C Christbaumkerzen, Christbaumschmuck
D Dochte, Druckknöpfe,
E Einkochgläser, Eisengabeln, Emaillegeschirr, Erbsen, Erdnüsse, Essig, essigsaure Tonerde
F Farbstifte, Federn, Federstiele, Feigen, Feigenkaffee, Fenchel
G Germ, Gewürznelken, Gips, Glühlampen, Griffelschachteln, Grußkarten
H Haarnadeln, Haarnetze, Haarspangen, Haferflocken, Hanf, Haselnüsse, Hefte, Himbeersirup, Honig, Hüte
K Kakao, Kampfer, Käse, Kekse, Kerzen, Kleie, Klettenwurzelöl, Knopflochseide, Kochgeschirr, Kölnisch Wasser, Koriander, Kümmel
L Lebkuchen, Liköre
M Magenzucker, Maggi, Mais, Maisgrieß, Malerfarbe, Malzkaffee, Mandeln, Marmelade, Maykurtee, Mohn, Mortadella, Musmehl
N Nägel, Nähnadeln, Nähseide, Neugewürz, Nivea Creme, Nudeln, Nußöl, Nylonstrümpfe
O Orangensirup
P Paprika, Parmesankäse, Perlgarn, Persil, Petroleum, Pfannenreiber, Pfeffer, Pfeifen, Pinienkerne, Prozellangeschirr, Pragger, Punsch
R Regenschirm, Reis, Rizinusöl, Roggenmehl, Rosinen, Rum
S Salami, Salz, Samenöl, Sardinen, Schaufel, Schlinggarn, Schnaps, Schnupftabak, Schuhcreme, Schokoladepulver, Schuhfett, Schuhlitzen, Schultaschen, Schurzbänder, Schweinefett, Seidenbarchend, Sensen, Sgombri, Sidol, Spitzen, Steckkämme, Stoffe, Stofffarbe, Strohhüte
T Tabak, Taschenkämme und –Spiegel, Taschenmesser, Tee, Thunfisch, Toilettenseife, Tomatenmark
U Unterwäsche
V Vanillezucker, Varechina, Vaseline-Creme, Vogelfutter
W Wacholderbeeren, Walnüsse, Waschseife, Wassergläser, Weinbeeren, Weingläser, Weizenmehl, Wolle, Wollsocken, Wollstrümpfe, Würfelzucker, Wurst
Z Zahnbürsten, Zahnpasta, Zigaretten, Zigarettenpapier, Zigarren, Zimt, Zitronen, Zucker, Zündhölzer, Zwiebel, Zwirn, Zylinder für Petroleumlampen.
Quelle: Dorfblatt Gemeinde Kiens, 23. Jahrgang, Nr.01/2012, März 2012.
Wolfgang (
SAGEN.at)