Inzwischen ist dieser Thread zumindest nach dem aktuellen "unbedingt für jeden notwendigen" Handygenerations-Wechsel-Tempo bemessen schon recht alt geworden - und im gleichzeitigen Gedenken an unsre Elfie - möchte ich ihn wieder aus der Taufe heben:
Ich glaube, ich bin einer der wenigen Senior-Handy-Anwender mit meinen derzeit fast 68 Jahresringen, und ich nutze es primär für Telefonie, Kontaktverwaltung (Freunde und Familie sowieso, zusätzliche Kontakte für diversse Hobbies notwendig), für gezielte Informationssuche per google und einem ausgesuchten Presse-Kreis (wobei ich die Werbung wegschalte, sofern dies möglich ist - leider nicht überall!), für facebook (Hobby-Bereiche und gezielte Information, um auf Themen aufmerksam zu machen; also keine "Action"-Bilder zur Selbstdarstellung) und WhatsApp (Verwandte, Freunde, Hobby-Kreise), Zugang zu Clouds (Hobby-Daten gemeinsam mit Kollegen), Reise-Apps (Wandern, Bahn, Park/Stell/Zeltplatz), Landkarten, und natürlich Kamera zur flinken Dokumentation für Kultur- und Naturthemen ...
Der Trick ist, dass man das handy als Werkzeug "nutzt" - das verhindert weitgehend, dass man von ihm "benutzt" wird!
Allerdings erfordert es ungewohnte Disziplin in ungewohnten Situationen, also ausschalten von WLAN und blouetoth, um nicht permanent ungewolltem Dialog ausgesetzt zu sein ... in den Vereinigten Staaten wurde ich in einem Kaufhaus darüber belehrt, dass mein WLAN permanent von den Betriebs-WLANS angezapft wird und Daten statistisch verarbeitet werden, wie z.B.:
Wieviele Menschen mit WLAN gehen am Geschäftslokal vorbei, wieviele davon bleiben bei welchem Schaufenster (!) wie lange (!) stehen, und wieviele betreten das Geschäft und halten sich wie lange darin auf. Nut ein Beispiel der Reaktion auf die Auswertung: gezielte Korrektur der Schaufenster-Gestaltung, Verbesserung der Eyecatcher usw. usw.
Soll heißen, mein WLAN spricht ohne mein Wissen mit Fremden, was man früher jedem Kind aus Sicherheitsgründen sinnvollerweise untersagt hat ...
Und noch etwas: ich behandle mein handy wie das alte Schnurtelefon: wenn ich nicht im Raum/in der Wohnung bin, schalte ich auf "leise", außer ich erwarte Anrufe ... die Umgebung hat sich nach anfänglichem Murren daran gewöhnt, und macht es teilweise nach, weil die höhere Unabhängigkeit sofort spürbar wird. Ein Problem haben nur diejenige, die es beruflich nutzen (müssen), und die es als Statussymbol und modernes Handeln verstehen, "jederzeit" erreichbar zu sein. Die Steigerung der Hektik nimmt man gerne hin - oder schlimmer, nimmt man nicht wahr oder erst, wenn es zu spät ist: ausgebrannt, burnout-gefährdet, hochgradig nervös, sonstig geschädigt.
Genauso sollte es beim PC sein: Ihn (oder Sie) als WERKZEUG nutzen ... und neben Schaufel und Hacke sitzt auch keiner den ganzen Tag und kontrolliert, ob sich was bewegt hat!
Als kulturelle Bedeutung sehe ich die zwar tolle technische Entwicklung, aber die total abhängig machende Art und Weise der Verwendung (Achtung: keine Verallgemeinerung! Es gibt immer Menschen die es in ihrer Arbeits- und Privatumwelt absolut vernünftig wenn auch exzessiv einsetzen müssen!). Eine weitere negative Bedeutung sehe ich in der Tatsache, dass Marketing und Werbung so exakt punktgenau und verfeinert angewendet wird, dass der Anwender gar nicht bemerkt, wie er instrumentalisiert und immer mehr in die Abhängigkeit getrieben wird. Eie besonders gefährdete Gruppe stellen hierbei Kinder und Jugendliche dar, denen die aufgewendete Zeit am Mini-Bildschirm nicht bewußt ist, und diese Zeit im täglichen Üben eines positiven Sozialisierungsverhaltens sowie dem Abwickeln von Bewegung, körperlichen Tätigkeiten und (umbemerktem) Aufbau von Wissen und Geschicklichkeit verliert. (Siehe Klagen der Volksschullehrer über Sozialverhalten, Geschicklichkeit, Sportlichkeit und mangelnde Reaktion auf Appelle und Forderungen; bzw. Untauglichkeit der Jugend bei Stellung zum Militärdienst, Übergewicht, usw. usw.
Als ausschließliches Werkzeug haben die Handys natürlich die Fähigkeit, unsere Möglichkeiten zu erweitern, allerdings sollte man darauf achten, dass nicht noch viel mehr Leistung in trotzdem noch mehr Zeit erbracht wird - die Freizeit und somit die natürliche Regenerationszeit bleibt dann endgültig auf der Strecke!
Regeneration - auch hier wieder das Handy heranzuziehen (Laufen unter Kontrolle, Laufen unter Strecken-Dokumenation usw.) fällt für mich schon nicht mehr unter echte Regeneration - aber besser als nix isses allemal.
Ich bevorzuge meine alpinen Wanderungen, meine Aufenthalte in der Natur, im Wald zwischen Tieren und Pflanzen und die aktive Beschäftigung damit - mit Lupe, Fernglas und Bestimmungsbuch - und OHNE Bestimmungs-App .... ausschließliches Gehen, Schwimmen, Aufenthalt (z.B. Picknick) ... handyfreie Zone in der Lebenszeit, DAS ist Regeneration ...
Leider gehts noch(?) in die andere Richtung .. Beruf mit handy, Freizeit mit handy, gesund mit handy, informiert mit handy, einschlafen und aufwachen mit handy, Erledigungen und Termine und Terminabgleich mit handy ...
FAZIT: Die kulturelle Bedeutung "Handy" ist unüberschaubar hoch - für mich unüberschaubar negativ!
P.S. in den 70ern durfte ich als junger Techniker den Siegeszug des FAX miterleben - und schon damals sagten manche Wissenschaftler: "Das FAX als modernes Kommunikationsmittel zu feiern, geht in die falsche Richtung - es ersetzt - und damit verhindert es - die direkte Kommunikation zwischen Mensch und Mensch. Es ist somit keine Kommunikationsmittel, sondern ein Kommunikationsersatz!"
Ich glaube, damit wurden wahre und wahrlich prophetische Worte ausgesprochen!
P.P.S.
Eine werdende Hebamme, die in Tansania ein Praktikum absolvierte, hat berichtet, dass die schwangeren Frauen aus dem Busch kamen mit Holzbündel auf dem Kopf, um damit den "Eintritt" in die Geburtenklinik zu bezahlen (obwohl das Angebot gratis war, aber das einheimische Personal damit sein Gehalt aufbesserte!" ... und fast alle werdenden Mütter hatten aber ein handy dabei ....