AW: verschwundene Dinge
... ich erinnere mich, dass bis in die 1960er Jahre hinein der frühabendliche Schaufensterbummel noch als die übliche Form des "Ausgleichssports" gutbürgerlicher Zeitgenossen galt.
Der Schaufensterbummel gehört tatsächlich zu den Dingen (naja, ein
Ding ist er ja nicht gerade), bei denen mir nie aufgefallen ist, daß es sie mal gab und später nicht mehr ... Ich glaube, dafür gibt es noch weitere Gründe:
Erstens: Die Ladenschlußzeiten. Die Läden schlossen früh (während die tägliche Arbeitszeit Berufstätiger später endete). Am Abend war man auf die Schaufenster angewiesen, wenn man sehen wollte, was die Läden zu bieten hatten – heute geht man rein. Bis 20 Uhr ist in den Fußgängerzonen jedes Geschäft offen.
Zweitens: Die Ladentüren waren früher geschlossen. Die "Schwellenangst" war entsprechend hoch; man ging nur rein, wenn man was brauchte. Schließlich wurde man in fast jedem Laden gleich gefragt, was man denn wünsche – nur Lebensmittel-Supermärkte und Kaufhäuser ließen einem die Möglichkeit, unbehelligt herumzugehen, Sachen anzuschauen und anzufassen. Inzwischen haben die Geschäfte diese Hemmnisse längst abgebaut.
Drittens: Die "gutbürgerlichen Zeitgenossen" haben heute mehr Geld als früher. Schaufenstergebummelt wurde auch, um Dinge anzuschauen, an deren Kauf man nicht mal denken konnte. Es war mehr wie im Museum, wo alles nur zu sehen und nicht zu haben ist. So bin ich als Schülerin und Studentin mit den Freundinnen "schaufenstergucken" gegangen.
Ich erinnere mich, daß ich Ende der 80er Jahre an einem Sonntag in einer mir fremden Stadt (Dortmund) herumgegangen bin: Mir schienen die Hauptstraßen voller Ehepaare auf Schaufensterbummel zu sein. Ich fand das sehr eigenartig; in meiner Stadt (damals Aachen) waren die Einkaufsstraßen sonntags menschenleer. Offenbar hat die Einkaufsbummel-Ära in manchen Städten/Regionen früher geendet als in anderen.