Manchmal könnte man seine Fragen selbst beantworten, wenn man seine eigenen Bücher gut genug kennen würde ...
Folgendes habe ich in zwei Büchern gefunden, in die ich eigentlich recht oft reinschaue.
Aus:
Angelika Bischoff-Luithlen, Von Amtsstuben, Backhäusern und Jahrmärkten. Ein Lese- und Nachschlagebuch zum Dorfalltag im alten Württemberg und Baden, Stuttgart 1979:
Nach der württembergischen Trauerordnung des Herzogs Eberhard Ludwig von 1720 mußten "Mann und Frau, Vater und Mutter, Schwiegereltern und Eltern über erwachsene Kinder ein halb Jahr à dato des Absterbens in schwarzem Tuch gehen", dagegen Großeltern, Brüder und Schwestern, Schwäger ersten Grades ein Vierteljahr. Um minderjährige Kinder trauerte man 6 Wochen auf diese Weise, Geschwister trugen die "kleine Trauer" 8 Tage lang. 1771 und 1784 ergingen neue Trauerordnungen nebst Vorschriften über die Trauerzeit."
Um 1900 ist aus der obrigkeitlichen Vorschrift eine Frage des guten Tons geworden. Die folgenden minutiösen Anweisungen stehen in einem Buch, das für die Hausfrau (groß-)bürgerlicher Kreise gedacht ist. Einfachere Verhältnisse hätten einen derartigen Aufwand gar nicht erlaubt.
Auszug aus:
Im Deutschen Hause. Ein Ratgeber und Helfer für das gesamte häusliche Leben der deutschen Familie, hrsg. von Luise Holle, Hanau o.J. [1904]:
Auch für die ernste Zeit der Trauer macht der gute Ton gewisse Vorschriften hinsichtlich unserer Kleidung ... Man unterscheidet dabei drei Abstufungen: tiefe Trauer, einfache Trauer und Halbtrauer.
Tiefe Trauer bedingt gerauhte, stumpf-schwarze Stoffe: Wollkrepp, Kaschmir, Rips, Cheviot. Als Ausputz dienen breite Blenden und Aufschläge aus englischem Krepp in reichlicher Verwendung. Der Hut besteht vollständig aus Krepp in möglichst einfacher, unauffälliger Form; der dichte Gesichtsschleier ist ringsum mit Krepp besäumt und reicht hinten und vorn gleich tief, fast bis zu den Knien herab. Witwen tragen außerdem oft noch hinten am Hute ein langes, bis zum Kleidersaum fallendes Schleierende aus Krepp oder überhaupt keinen Hut, sondern die sog. Witwenhaube mit Schneppe aus Krepp und statt des Mantels ein dreizipfelig gefaltetes schwarzes Wolltuch. Auch die Überkleider müssen von stumpfen Stoffen in tiefem Schwarz gefertigt sein, ebenso ist es Sitte, nur schwarze Strümpfe und Unterröcke, schwarze glatte Schirme, Fächer, Pompadours etc. zu tragen. Für die Handschuhe wählt man schwarzes dänisches Leder oder einfachen schwarzen Zwirn. Gold- und sonstige glänzende Schmucksachen sind bei tiefer Trauer zu vermeiden; erlaubt sind aber Uhrketten, Broschen etc. aus Jett oder matt geschliffener Steinkohle, doch wird man auch sie nur sparsam verwenden.
Für einfache Trauer genügen glatte schwarze Wollkleider. Die Kreppverzierungen werden schmaler, fallen auch ganz fort und können durch seidenflor, Borten, Posamenten, Fransen und Perlen ersetzt werden. Den Schleier trägt man kürzer und dazu schwarze Glacéhandschuhe.
Bei der Halbtrauer, als dem Übergang zur farbigen Kleidung, sind schon wieder seidene Stoffe zulässig und an Farben schwarz, schwarz-weiß, hell- und dunkelgrau, lila und ganz weiß.
Für die Herrenwelt schreibt tiefe Trauer schwarze Anzüge, schwarze Mäntel, Hüte, Handschuhe und Schlipse vor. Um den linken Arm und um den Hut wird ein breiter Florstreifen getragen. Bunte Wäsche ist natürlich zu vermeiden. Die einfache Trauer erlaubt dunkle und mittelfarbige Anzüge und begnügt sich als Trauerabzeichen mit Florstreifen um Arm und Hut.
Um seine nächsten Angehörigen: Vater, Mutter, eins der größeren Geschwister oder die eigenen Kinder trauert man 1 Jahr lang tief, dann ein halbes Jahr lang leicht, worauf man zur Halbtrauer übergeht. Der Witwer betrauert seine Gattin ein bis anderthalb Jahr; die Witwe hält wenigstens anderthalb Jahr an der tiefen Trauer fest, oder aber – namentlich in vorgerücktem Alter – legt sie die schwarzen Gewänder überhaupt nicht mehr ab, als stilles Zeichen dafür, daß sie dem Toten noch übers Jahr hinaus die Treue bewahrt. Die Trauerzeit um die Großeltern währt 6 – 9 Monate, um Freunde und sonstige Verwandte 6 Wochen bis 2 Monate in leichter Trauer ...
Das Verhalten während der Trauerzeit hat sich, der ernsten Kleidung angemessen, ebenfalls ernst und würdig zu geben. Nichts berührt verletzender, als lautes kokettes oder albernes Benehmen im dunklen Trauergewande ...