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SAGEN.at

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Teammitglied
Parallel zum gleichnamigen SAGEN.at-Fotowettbewerb Oktober 2012 "Flicken - Reparieren" möchte ich nach Diskussionsbeiträgen zu diesem Thema fragen.

Gegenwart:

- Hatte früher das Reparieren einen höheren Stellenwert als heute?
- Wird heute der abgebrochene Henkel der Teetasse noch mit Superkleber angeklebt, oder gleich eine neue Teetasse gekauft?
- Was hat es mit Verschwörungstheorien auf sich, dass heutige Produkte so produziert werden, dass sie angeblich unmittelbar nach Ablauf der Garantiezeit defekt werden?
- Wird es als heute normal angesehen, dass vor allem technische Produkte nur noch einen Produktlebenszyklus von vielleicht 2 Jahren haben?
- Warum bevorzugen und kaufen Menschen heute lieber sehr teure technische Produkte mit kurzer Lebenszeit, wenn man ohne technisches Gerät zum selben Ergebnis kommen könnte (Beispiel: Kaffeemaschine :) )?
- Wird man mit einem "Flicken" auf der Kleidung heute belächelt?
- Gibt es heute noch Tüftler, die technische Geräte etwa in der Landwirtschaft umnutzen (Zb Motorradmotor -> Heuseilbahn)?
- wird heute noch in landwirtschaftlichen Genossenschaften (zB. Lagerhaus, Maschinenringe etc.) noch gegenseitiges Reparieren angeboten?
- Gibt es heute noch fahrende Reparierer, Bastler, Tüftler?
- Wer kennt Erfinder, Bastler, Tüftler, Reparierer? Vielleicht meldet sich auch jemand, der solcherweise tätig ist?

Historisch:

- Wer erinnert sich an fahrende Reparierer, Flicker?
- Hatten Reparierer und Flicker Maschinen und Werkzeug mit?
- Gab es besondere Unterkunftsregeln für Reparierer und Flicker (ähnlich wie bei Wanderhandwerkern, Stör-Gehern)?
- Was haben früher Reparierer, Flicker, Bastler, Tüftler repariert?
- War der Reparierer und Flicker ein Taglöhner?
- Gab es auch eigene Geschäfte oder besondere Fahrzeuge?
- Welchen gesellschaftlichen Stellenwert hatten Reparierer und Flicker?

Auf Beiträge freut sich

Wolfgang (SAGEN.at)
 
1: Ich kann mich noch erinnern, dass man Strümpfe 'repassieren' ließ. Das zahlt sich heute bei einem Preis von z.B 5 € für 7 Paar Kniestrümpfe sicher nicht mehr aus.

2: Eine wirklich gute Kaffeemaschine für wirklich guten Espresso ist durch händisches Kochen eines Häferlkaffees leider wirklich nicht zu ersetzen !
 
An" Laufmaschen aufnehmen lassen" bei "Seiden"-strümpfen erinnere ich mich
noch gut. Ich glaube, es kostete 20 Pfennig pro Masche. Strümpfe waren
teuer, so brachten wir immer eine ganze Menge zum Ausbessern! Es gab
zuletzt noch eine Schneiderei in Dortmund (alter Familienbetrieb), die
dergleichen machte. Es war während meiner Lehrzeit in der dortigen
Buchhandlung, ist über 40 Jahre her! Wollsocken prima stopfen kann meine
Mutter noch gut! - Ulrike
 
Bei uns kommt heute noch immer ein Messerschleifer ins Dorf. Kündigt sich mit der Post durch einen Zettel an undd ann kann man da hingehen und die Messer schleifen lassen.
Meine Nachbarin erinnert sich noch an Zigeuner die als Kesselflicker hier durchgezogen sind, mit Pferden und Planenwagen, sie sagte, hinten auf dem Wagen schepperten die Pfannen.... daran kann ICH mich aber nicht mehr erinnern.
Ich erinnere mich an das Schwammerl das meine Mama als Stopf-Holz im Nähkisterl hatte.
Was Kleidung anging brachten wir früher alles der Oma, die konnte zu enge Kleidung weiter machen und zu weite Kleidung enger nähen, usw...
Heute lebenw ir in einer Wegwerf-Gesellschaft aber so wie ich das rundherum mitbekomme sind die jungen Muttis wieder sehr am stricken, flicken, nähen und stopfen- weil es alte Erinnerungen weckt und eien schöne Arbeit ist. :-)
 
Ich denke schon, dass Reparaturen früher einen größeren Stellenwert hatten, weil die Dinge einfach teurer waren und das Reparieren sich auszahlte. Es gab noch viele Handwerker, die davon lebten: Spengler, Schuster, Tischler.
Es wurden sogar Töpfe „geflickt“ das machte der Spengler. Gelötet wurde das, glaube ich. Wenn das „Glett“ ab war am Häferlboden, dauerte es nicht lang und man konnte durchschauen. „Glett“ war das Email – weiß nicht, vielleicht von Glätte, also dann eher „Glätt“.
„Scher net des Glätt aussa“ hieß es, wenn man besonders intensiv ein Häferl ausputzte, das war nicht allein wegen des Durchscheuerns, wo schon welches fehlte, ging es leicht weiter ab und die Splitter könnte man verschlucken.
Tassen ohne Henkel waren nichts Seltenes. Früher waren die Kleber nicht so gut und die Gefahr, dass die volle Tasse dann am Boden landete, während man den Henkel in der Hand hat, war zu groß – sie blieb einfach ohne. Für den Hausgebrauch, nicht für Gäste!
Auch anderes Geschirr wurde nicht so schnell ausgetauscht, manchmal auch in der Hoffnung, man würde es ohnehin nicht mehr lange brauchen. Deshalb benutzte ich mein irdenes Töpfchen sehr vorsichtig, nachdem von Rand eine Ecke fehlte, aber im Winter wollte ich nicht ins Häuschen unter Sternen.

Der Schuster war auch für abgerissene Gurten und Tragegriffe an Schultaschen und Aktentaschen zuständig, für Absätze sowieso und für die Eisen, fallen mir jetzt nicht ein, hatten einen bestimmten Namen. Sie waren halbrund und wurden an die Sohlen an Spitzen und Ansätze genagelt. Gegen das „Verhatschen“, Abtreten und Abstoßen.

Abgebrochene Henkel würde ich nur bei Tassen ankleben, die einen großen ideellen Wert haben, ein Geschenk oder Geerbtes von geliebten Menschen.
Alle anderen werden zweckentfremdet, als Kaktustopf zum Beispiel…

Strümpfe repassieren kannte ich nur von meiner Mutter, im Ort war eine Frau, die das konnte. Selber zog ich diese Strümpfe nicht gern an, manche hatten auch hinten eine schwarze Naht, die mußte besonders gerade sitzen. Ich stoppte die Laufmaschen mit Uhu.

Mit technischen (elektronischen) Produkten hab ich nicht viel Erfahrung, ich brauch diese Multifunktionsdinger nicht. Ich häng irgendwie an meinen Dingen und bin froh, wenn sie lange halten.
Was Ablaufdatum angeht: mein Laptop (der Erste – erst vor 5 Jahren!!) war 2x defekt, das 2. Mal knapp vor Garantieende mit demselben Problem, da wurde ein Teil ausgetauscht und bald danach bekam ich ein Angebot, ich könne die Garantie für 1 Jahr verlängern um 130€. Ich wußte von Freunden, dass so häufige Defekte nicht üblich sind und dachte, wenn das ein Montagsgerät ist, schmeiß ich ihn raus. Die Garantie hab ich abgelehnt und bis heute war nichts mehr.

Ich hab eigentlich alles ziemlich lange, mein Handy ist 7 Jahre alt, ich brauch es auch nur zum Telefonieren, SMSen, dass man Alarm einstellen kann, ist praktisch und auch die Uhr (hab seit über 20 Jahren keine Armbanduhr, sie stört mich :D), natürlich könnte es mehr, aber wozu?
Fernsehen auf dem Handy?? Ich hab einen großen Flat-TV, warum soll ich eine bewegte Briefmarke anschauen :D??

Vielleicht ist es eine Alterserscheinung, aber ich denke, dass die Geräte früher besser waren. Oder anders gesagt: sicher gibt’s heute auch noch sehr gute, aber man fällt leichter auf den Ramsch herein, den es früher gar nicht gab.
Meine Steroanlage war wirklich sehr teuer (vor 25 Jahren :D), große Boxen mit Holzgehäuse, ein super Ton, den ich mir mit 5 Hebeln mischen kann. Zu dieser Zeit gabs noch keine CDs, inzwischen hab ich schon den 2. CD-Player, aber mein „Technics-Turm“ ist noch der alte, das Recorder-Fach der Kassette eiert schon etwas, aber das 2. ist intakt.
Der Plattenspieler geht auch…
Das Gekreische aus dem neuen Radio, ein Alu-Plastikkasten mit 4 Lautsprechern in Zentimeterabstand – den Sinn hab ich noch nicht begriffen – packt mein Tinnitus nicht, auch Bässe mag er nicht. Dieses Gerät kann ich nur zum Nachrichten hören brauchen. Dafür kann er nichts, nur: der Ton ist einfach schlecht. Aber nicht schlechter als von ähnlichen Geräten, wie sie überall herumstehen.

Was gibt’s noch, das ich nicht brauche - das war ja auch die Frage: Wäschetrockner, Geschirrspüler – na gut, da spielt die Familiengröße eine Rolle.

Und noch eine Schrulle: ich mag keinen Espresso. Früher hatte ich diese Mokkamaschine, in der Mitte zum Schrauben und dazwischen den Kaffee. Dann lange Filtermaschinen. Als wieder mal eine kaputtging, goß ich auf bis zur Neuen, aber die kam nie. Ich wollte keine mehr. Liebe Freunde, die das bei einem Besuch sahen, überfiel das Mitleid und sie kauften mir zum Geburtstag eine neue :(.

Mit Flicken auf der Kleidung würde ich nicht gehen. Außer bei Gartenarbeiten, Holzhacken oder wo sonst noch Räuberzivil angesagt ist. Eigentlich hab ich aber gar nix Geflicktes.

Basteln tu ich für mein Leben gern, zum Umnutzen hatte ich keine Gelegenheit.
Vom Kaffeemaschinenschalter im Rasenmäher hab ich schon berichtet. Mein Staubsauger läuft mit einem normalen Kippschalter, nachdem mir ein Originaler um 350 S (ja, da gabs noch Schillinge, so lange hält der schon) zu teuer war und ich beschloß, dass ich den eingebauten Thermostat, mit dem der Preis begründet wurde, nicht brauche, weil ich nie so lang am Stück sauge, dass der abbrennt. Seitdem tuts auch der um 19.90 – Schilling. Nachdem es auch keine passenden Staubsäcke mehr gibt, machte ich eine Konstruktion, wohinein jetzt alle passen.

Zuletzt hab ich meine gute alte Heckenschere wieder flott gemacht. Der Schalter mußte da gedrückt bleiben und konnte nicht fixiert werden wie etwa bei der Bohrmaschine oder der Stichsäge. Irgendwann bekam der einen Wackler. Nach einem viertel Jh. darfs eine neue sein und das war ein Fehler. Denn während die alte gerade Schnittflächen hatte und wie eine Backenzange schnitt, hatte die neue schräge, schnitt wie eine Schere und drückte dabei die Äste hinaus. Die dickeren – aber ich kann ja nicht sortieren. Das war ein Gefetze und Gerupfe, grauslich. Bei jeder Prozedur dachte ich: nächste Woche kauf ich eine andere.
Dann schraubte ich die alte auseinander, holte das kaputte Zeug heraus und fand einen Druckschalter, dessen Knöpfchen genau ins Loch paßte. Ich mußte nur noch ein Stück Holz einpassen, der den Schalter an der richtigen Stelle hält, denn dafür war nichts vorgesehen.

Jetzt hab ich wieder einen schönen Schnitt :). Wie sagt eine Werbung: es gibt immer was zu tun.
 

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Vielen Dank für die beeindruckenden Beiträge!

@ Elfie: super illustriert!

Kennt eigentlich fahrende Flicker? Der "Messerschleifer" und die "Kesselflicker" wurden schon erwähnt - gab es weitere fahrende Flick- und Reparaturberufe?

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Es gab wohl auch Frauen, die für Näharbeiten ins Haus kamen. - Persönlich
kann ich mich nur an Scherenschleifer erinnern. - Ein neuer Gurt für meinen
Tornister: es gab einen Laden für Taschen, Gürtel usw., dort wurde alles
"zusammengeflickt". Leider Vergangenheit!
Heuer würde es wohl unser Schuster machen, wenn man ihn schön
bittet. - Es gibt einige "Schneiderstuben", dort gebe ich manchmal Hosen hin
für z.B. einen neuen Reißverschluß (wenn es sich preislich lohnt), Kürzungen
oder Änderungen. Ich nähe auch, habe aber keine "overlookmaschine", so
heißt es (glaube ich). Oft fehlt auch die passende Garnfarbe. Hier vor Ort
bekommt man kaum passende "Kurzwaren", diese Läden sind rar
geworden. Bei Jeansnähten bricht schnell meine Nadel ab (kleine Koffernäh-
maschine), Fahrtkosten zur nahen Großstadt und schwierige Neubesorgung
(da "Quelle" nicht mehr existiert vor Ort), bei guten Textilien gebe ich das
Geld schon mal dem Schneider. - Ich hatte mal das Glück, eine gelernte
Stickerin kennenzulernen, die für Museen alte Fahnen restaurierte. Das
ist Handwerk erster Klasse! - Fällt wohl auch unter: Aussterbende Berufe!
Viele Grüße von Ulrike
 
Wie war der Scherenschleifer ausgerüstet?
Hatte der Scherenschleifer nur einen kleinen Wetzstein mit oder einen großen runden Schleifstein?

Eigentlich sollte es Scherenschleifer auch heute noch geben?

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Mein Mann erinnert sich an Scherenschleifer mit Fahrrad, aber nicht an die
Funktion der Vorrichtung. Ich erinnere mich an Werkstattwagen, aber auch
nichts genaueres, denn es war in unserer Kindheit und die Erwachsenen
gingen hin. Es war in etwa so wie mit den Zigeunern, Kinder sollten sich
fern halten. Heute kommt der Scherenschleifer ab und zu in ein
Haushaltswarengeschäft, dort kann man arbeiten lassen. Wir hatten das
Glück, dass ein Onkel im Werk schleifen konnte (Vereinigte Deutsche
Nickelwerke), er nahm manchmal unsere Messer u.a. mit. - Mit einem Wetzstein
bearbeitete mein Opa z.B. eigenhändig seine Sense. Heuer kann hier kaum noch
jemand mit einer Sense umgehen, das Gras wird mit Maschinen gemäht.
"Stinkige" Benziner oder elektrisch. - Ulrike
 
Hatte früher das Reparieren einen höheren Stellenwert als heute?
Ja, auf alle Fälle. In dem Land, in dem ich aufgewachsen bin, wurden die Waren auch hinsichtlich einer möglichst langen Lebensdauer produziert. Technische Konsumgüter sollten schon über 10 Jahre halten und der Trabbi wurde gehätschelt; so manches gute Stück fuhr auch noch nach über 20 Jahren in einem Topzustand.
Die einen nennen dies Mangelwirtschaft, die anderen Nachhaltigkeit.
Wird heute der abgebrochene Henkel der Teetasse noch mit Superkleber angeklebt, oder gleich eine neue Teetasse gekauft?
Wenn einige Serviceteile defekt sind, gibt es neues Geschirr.
Was hat es mit Verschwörungstheorien auf sich, dass heutige Produkte so produziert werden, dass sie angeblich unmittelbar nach Ablauf der Garantiezeit defekt werden?
Verschwörungstheorien hin oder her, bewiesen ist es wohl noch nicht.
Welchen Grund sollte allerdings ein Unternehmen haben, langlebige Sachen zu produzieren?
Man lese einfach einmal nach, was ein bärtiger Mann vor über 150 Jahren zu den Bewegungsgesetzen unserer Gesellschaft geschrieben hat - das ist aktueller als je zuvor.
Wird es als heute normal angesehen, dass vor allem technische Produkte nur noch einen Produktlebenszyklus von vielleicht 2 Jahren haben?
2 Jahre sind da schon sehr großzügig bemessen. Siehe die Umschlagzyklen bei Handys, Fotoapparaten & Co. Den Grund erklärte der oben angeführte bärtige Mann.
Warum bevorzugen und kaufen Menschen heute lieber sehr teure technische Produkte mit kurzer Lebenszeit, wenn man ohne technisches Gerät zum selben Ergebnis kommen könnte (Beispiel: Kaffeemaschine )?
Weil es cool ist, weil es in ist, weil man dabei sein muss, weil man z.B. ohne Smartphone ein elender LOOSER ist! Weil Schein heute viel mehr wert ist als Sein.
Wird man mit einem "Flicken" auf der Kleidung heute belächelt?
Belächelt nicht, aber schief angesehen, außer in der alternativen linken Scene.
Gibt es heute noch Tüftler, die technische Geräte etwa in der Landwirtschaft umnutzen (Zb Motorradmotor -> Heuseilbahn)?
Ja, dazu gibt es sogar Messen.
Wird heute noch in landwirtschaftlichen Genossenschaften (zB. Lagerhaus, Maschinenringe etc.) noch gegenseitiges Reparieren angeboten?
Gibt es sogar in der Stadt, nennt sich Selbthilfewerkstätten.
Gibt es heute noch fahrende Reparierer, Bastler, Tüftler?
Hier in der Stadt gibt es nur ab und an Scherenschleifer mit elektrisch angetriebenen Schleifsteinen.
Wer erinnert sich an fahrende Reparierer, Flicker?
Es gab bis vor ca. 25 Jahren in Pirna sogar einen uralten Orthopädieschuhmachermeister, der seine Kunden in den umliegenden Orten besuchte, Maß nahm und die fertigen Schuhe dann auch zum Kunden brachte um zu sehen, ob sie passen.
Welchen gesellschaftlichen Stellenwert hatten Reparierer und Flicker?
Es war eine einfache Arbeit, die im Gegensatz zur heutigen Zeit geachtet war.
 
@ Dresdner: vielen Dank für die interessanten Erklärungen! Der Hinweis auf die Selbsthilfewerkstätten ist ein besonders guter Aspekt!

Doch eine Frage:
Du schreibst von Messen in Bezug auf Umnutzung. Was für Messen meinst Du damit? Kannst Du hierzu Beispiele nennen?

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Eine Feststellung zu den Berufen rund um Scherenschleifer und ähnliche Berufe:

Schneidwerkzeugmechaniker ist ein angesehener und gesuchter Ausbildungsberuf im Handwerk im Bereich Metalltechnik!
Dazu folgende Berufsinformation:
https://berufenet.arbeitsagentur.de/berufe/start?dest=profession&prof-id=13740

Das Schleifen etwa eines Industriemessers (zB. in der Papierproduktion, Zeitungsverlage, Buchdruckerei) ist ein hoch-spezialisierter (und ziemlich teurer) Vorgang.

Auch rund um den Bereich Messerschmiede gibt es sehr angesehene und gesuchte Berufe. Auf handwerklich geschmiedete Messer ist heute mit mehrmonatiger Wartezeit zu rechnen.

Dies nur als Feststellung, da hier zwischen Handwerksausbildung und freiem Tür-zu-Tür-Gewerbe oft Verwechslungen passieren könnten.
Das ist hier bei volkskundlicher Nachfrage nach persönlichen Erinnerungen nicht beabsichtigt.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Wie war der Scherenschleifer ausgerüstet?
Hatte der Scherenschleifer nur einen kleinen Wetzstein mit oder einen großen runden Schleifstein?

Eigentlich sollte es Scherenschleifer auch heute noch geben?

Wolfgang (SAGEN.at)

Das war u.a. die Ausrüstung der Scherenschleifer:

Fahrrad rango,schleifer (2).jpg und Scheibtruhe rango,schleifer.JPG
Diese Geräte stehen in einem kleinen Freilichtmuseum in Rango im Trentino.

Das Nachbartal ist das Val Rendena, auch Valle dei Moleti (Tal der Scherenschleifer) genannt. Von dort aus wanderten sie nicht nur durch halb Europa, auch nach Amerika kamen sie.
In Pinzolo setze man 1969 den Scherenschleifern ein Denkmal:moleta storiarendena2.jpg
Das ist leider kein eigenes Foto, es stammt aus dieser Website:http://www.pinzolodolomiti.it/valrendena/storiarendena.html, auf der u.a. auch ihre Geschichte nachzulesen ist.(nur in Italienisch)
 
Tolle Bilder - super Dokumentation!

Valle dei Moleti - Tal der Scherenschleifer ist ein interessanter Hinweis, da muss ich nächstes Frühjahr nach Pinzolo fahren! Lediglich die im verlinkten Text erwähnte Polenta als Hauptspeise dort schreckt mich noch etwas ab :koch:

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Tolle Bilder - super Dokumentation!

Valle dei Moleti - Tal der Scherenschleifer ist ein interessanter Hinweis, da muss ich nächstes Frühjahr nach Pinzolo fahren! Lediglich die im verlinkten Text erwähnte Polenta als Hauptspeise dort schreckt mich noch etwas ab :koch:

Wolfgang (SAGEN.at)

Gute Idee! in Pinzolo ist auch ein berühmter Totentanz zu besichtigen: https://www.sagen.at/doku/totentanz/pinzolo.html
und im Nachbarort Carisolo gibt es auch einen: https://www.sagen.at/doku/totentanz/carisolo.html
Ich kann dir gerne noch ein paar "Besichtigungstipps" geben, wie z.B. die "murales" in Balbido, in denen auch altes Handwerk dargestellt ist https://www.sagen.info/forum/media/albums/balbido-das-bemalte-dorf.868/, und dort ist ein ganz besonderer Scherenschleifer unterwegs, der "Vagamondo" https://www.sagen.info/forum/media/vagamondo.2971/

Und die Polenta in der Gegend schmeckt hervorragend! Besonders zum Gulasch!
 
Ja mit Gulasch lasse ich mir Polenta einreden ;)

Bemerkenswert auch Deine Hinweise auf die Scherenschleifer in Balbido!
Obwohl ich mir Deine Fotos öfters angesehen habe, sind mir die Scherenschleifer bisher nicht so aufgefallen... Es ist leider so, dass man insbesondere bei künstlerischen Darstellungen (aber leider auch sonst im Leben) nur das sieht bzw erkennt, was man weiß.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
So, jetzt werde ich noch auf die Ausgangsfragen eingehen:

"Flicken – Reparieren" ist, glaube ich ein Thema, das je nach Generation (und Wirtschaftslage) sehr unterschiedlich beantwortet werden wird - ich gehöre zur älteren Generation ;)

- Hatte früher das Reparieren einen höheren Stellenwert als heute?
Im Großen und Ganzen sicher –über die Gründe und Hintergründe ließe sich ein ganzer „Aufsatz“ schreiben :autor_2:

- Wird heute der abgebrochene Henkel der Teetasse noch mit Superkleber angeklebt, oder gleich eine neue Teetasse gekauft?
Kommt auf die Tasse an, wenn es ein besonders schönes Stück ist, oder spezielle Erinnerungen daran hängen…

- Was hat es mit Verschwörungstheorien auf sich, dass heutige Produkte so produziert werden, dass sie angeblich unmittelbar nach Ablauf der Garantiezeit defekt werden?
Kann ich mir nicht vorstellen, dass es möglich ist, so etwas zu planen.
(Da hatte ich bisher ja Glück, meine Sachen waren vor Ende der Garantiezeit defekt ;) )

- Wird es als heute normal angesehen, dass vor allem technische Produkte nur noch einen Produktlebenszyklus von vielleicht 2 Jahren haben?
Kann ich nicht bestätigen, sie kommen vielleicht eher aus der Mode oder werden von der eigenen Technik überholt, wie z.B.Handys; mein Uralt-Handy funktioniert aber tadellos . …

- Warum bevorzugen und kaufen Menschen heute lieber sehr teure technische Produkte mit kurzer Lebenszeit, wenn man ohne technisches Gerät zum selben Ergebnis kommen könnte (Beispiel: Kaffeemaschine )?
Das frage ich mich auch… - ich verwende keine Km., ich trinke löslichen Kaffee:)
Ist vielleicht der selbe (Status-) Effekt, wie mit dem Auto des Nachbarn…

- Wird man mit einem "Flicken" auf der Kleidung heute belächelt?
Jein – je nach dem, was gerade Mode ist, mit einem Riss oder Loch in den Jeans war man vor Kurzem noch „in“.
Ich habe Löcher in der Bekleidung meiner Kinder immer mit irgendwelchen Labels übernäht. Nicht auswaschbare Flecken in T-Shirts usw. übermale ich heute noch mit Textil-Malstiften – das werden dann wirklich „einmalige“ Stücke ...

- wird heute noch in landwirtschaftlichen Genossenschaften (zB. Lagerhaus, Maschinenringe etc.) noch gegenseitiges Reparieren angeboten?
Das Lagerhaus hat bei uns eine eigene Werkstatt und einen motorisierten Notfalldienst, wenn z.B. bei der Heuarbeit eine Maschine ausfällt.
Früher waren besonders die guten „Machler“ gefragt, das waren begabte Leute, die fast alles reparieren oder auch herstellen konnten.

- Gibt es heute noch fahrende Reparierer, Bastler, Tüftler?
Fahrende habe ich schon lange keine mehr bemerkt, bei den traditionellen Märkten bieten hie und da Scherenschleifer ihre Dienst an, allerdings mit modernen Schleifgeräten, die jeder auch selber erstehen kann.

- Wer kennt Erfinder, Bastler, Tüftler, Reparierer? Vielleicht meldet sich auch jemand, der solcherweise tätig ist?
Ich kenne einen ehemaligen LKW-Fahrer, der jede Maschine, aber vor allem Motorräder, alt und neu, und auch Autos herrichtet, er ist kein gelernter Mechaniker, er hat sogar eigene Werkzeuge entwickelt. Seine „Diagnosen“ sind unschlagbar, sogar Spezialisten wenden sich an ihn.


- Wer erinnert sich an fahrende Reparierer, Flicker?
Ich erinnere mich an Scherenschleifer, Kesselflicker, die auch „Gatzl“-Macher waren (Gatzl = Schöpfer; ital. cazzuola = Kelle) Die Sprache dieser Leute konnte ich als Kind kaum verstehen – heute weiß ich, warum: Sie sprachen ladinisch, italienisch oder einen ital. Dialekt.
Noch was: Die Bezeichnung „Katzlmacher“ für Italiener hat nichts mit der Katze zu tun, sondern mit dem „Gatzl“!

- Hatten Reparierer und Flicker Maschinen und Werkzeug mit?

Ja, Werkzeug vor allem

- Gab es besondere Unterkunftsregeln für Reparierer und Flicker (ähnlich wie bei Wanderhandwerkern, Stör-Gehern)?

Ich erinnere mich, dass die wandernden Handwerker ihre Zündhölzer oder Feuerzeuge beim Bauern abgeben mussten, wenn sie auf dem Heuboden übernachteten – Brandschutz!

- Was haben früher Reparierer, Flicker, Bastler, Tüftler repariert?
Alles: Uhren, Geräte in Haus und Hof.
Wenn der Rührkübel undicht war, machte die Urgroßmutter ein Teigerl aus Roggenmehl und Wasser, damit dichtete sie die durchlässigen Stellen ab – „Riahkiwö eideekn“ nannte man das.

- War der Reparierer und Flicker ein Taglöhner?
Eigentlich nicht, es war der Nachbar, ein Rentner, ein guter „Machler“ halt.

- Welchen gesellschaftlichen Stellenwert hatten Reparierer und Flicker?
Einheimische einen hohen, auswärtige bzw. Ausländer waren eher weniger angesehen.
Genau so war es mit den „Umtragern“ (Bandlkramer, Wanderhändler).
 
Gegenwart:

- Hatte früher das Reparieren einen höheren Stellenwert als heute?
Ja, denn die Neuanschaffung war teuer, der "Reparateur" hingegen leistbar. Auch wurde hierdurch ja die Lebensdauer wesentlich verlängert, was heutigentags durch gezielte Förderung einer "Wegwerfmentalität" nicht mehr so interessant ist.
Außerdem war ein "Reparateur" eine angesehene Fachkraft, da er über detaillierte Kenntnisse von Funktion und Handhabung des schadhaften Produkts verfügen mußte und verfügt ... heut wird entweder "Baugruppe getauscht" oder ... weggeworfen"

- Wird heute der abgebrochene Henkel der Teetasse noch mit Superkleber angeklebt, oder gleich eine neue Teetasse gekauft?
Ich kenne kaum noch jemand der das macht - bei mir gibts noch die "alte Familienkanne" die einen "Wert" darstellt und deshalb geklebt wurde. Die Jugend kennt solche Werte kaum mehr, klebt daher nicht mehr, wirft daher weg ...

- Was hat es mit Verschwörungstheorien auf sich, dass heutige Produkte so produziert werden, dass sie angeblich unmittelbar nach Ablauf der Garantiezeit defekt werden?
Ist leider keine Verschwörungstheorie, sondern gängige Praxis ... da Schrauben, Achsen, Gelenke über berechenbare Größen bezüglich Belastung durch Scherkraft, Fliehkraft, Zugkraft, Rostsicherheit etc. verfügen, sind diese gezielten Verschleiß-Berechnungen einfach durchzuführen ... siehe "geplante Obsoleszenz" (google) bei Glühlampen, Strumpfhosen, Kraftfahrzeugen ...

- Wird es als heute normal angesehen, dass vor allem technische Produkte nur noch einen Produktlebenszyklus von vielleicht 2 Jahren haben?
Es wird nicht als normal angesehen, man ärgert sich darüber, wenn es so ist .... aber ist dem weitestgehend ausgeliefert, wenn man sich nicht intensiv mit der jeweiligen Materie beschäftigt (und wer kann das schon immer?). Siehe ebenfalls "geplante Obsoleszenz" (google) ...

- Warum bevorzugen und kaufen Menschen heute lieber sehr teure technische Produkte mit kurzer Lebenszeit, wenn man ohne technisches Gerät zum selben Ergebnis kommen könnte (Beispiel: Kaffeemaschine :) )?
Markengläubigkeit, Statussymbol, ... ich tu da nicht mit bzw. vermeide bewußt, wo's nur immer geht!

- Wird man mit einem "Flicken" auf der Kleidung heute belächelt?
Ja, außer bei Arbeitskleidung für's "Grobe" .... und "fetziger" Kleidung bei Jugendlichen - da dürfen dann auch Löcher und Flicken vorhanden sein.

- Gibt es heute noch Tüftler, die technische Geräte etwa in der Landwirtschaft umnutzen (Zb Motorradmotor -> Heuseilbahn)?
Ja, gerade und meines Wissens weitgehend nur mehr in der Landwirtschaft ... im Haushalt verhindern das die vielen Sicherheitsbestimmungen (Verschuldensfrage bei Unfall durch "unsachgemäße Reparatur oder Veränderung"!

- wird heute noch in landwirtschaftlichen Genossenschaften (zB. Lagerhaus, Maschinenringe etc.) noch gegenseitiges Reparieren angeboten?
In Maschinenringen meines Wissens ja, da viele technikorientierte Jungbauern die entsprechende Befähigung besitzen.

- Gibt es heute noch fahrende Reparierer, Bastler, Tüftler?
Ich habe schon jahrelang keinen mehr gesehen ...

- Wer kennt Erfinder, Bastler, Tüftler, Reparierer? Vielleicht meldet sich auch jemand, der solcherweise tätig ist?
Ich habe schon jahrelang keinen mehr gesehen ...

Historisch:

- Wer erinnert sich an fahrende Reparierer, Flicker?

- Hatten Reparierer und Flicker Maschinen und Werkzeug mit?
Die Maschinen waren alle Hand- oder Fußbetrieben (Schleifsteine), das einfache Werkzeug in Holzkästen auf den Wagen, die durch Hunde (+ Handwerker!) gezogen wurden. Nur der Holzschneider brauchte einen Stromanschluß, Kabel führte er selber mit ...

- Gab es besondere Unterkunftsregeln für Reparierer und Flicker (ähnlich wie bei Wanderhandwerkern, Stör-Gehern)?
Nein, denn sie wohnten oft innerhalb der Siedlungen - besserten mit diesen Tätigkeiten ihre Einkünfte auf. Wie die "Wanderflicker" untergebracht waren, kann ich nicht sagen ...

- Was haben früher Reparierer, Flicker, Bastler, Tüftler repariert?
Töpfe, Scheren und Messer, Stiele (Besen, Rechen, Schaufeln)

- War der Reparierer und Flicker ein Taglöhner?
Er kam, läutete an allen Klingeln, empfing die "Objekte", reparierte sofort vor Ort und kassierte unmittelbar ... ob das als "Taglöhner" anzusprechen ist?

- Gab es auch eigene Geschäfte oder besondere Fahrzeuge?
eigentlich nur Hundekarren, zwei Hunde vorgespannt, an einem langen Riemen oft auch der Flicker, Scherenschleifer ...

- Welchen gesellschaftlichen Stellenwert hatten Reparierer und Flicker?
Wichtig und auch gern gesehen, weil auch Nachrichten über ihn ausgetauscht werden konnten, die NICHT in der Zeitung zu finden waren .... ich kann mich an keine Probleme erinnern, wenn nur gebrochen Deutsch gesprochen wurde, was auch manchmal vorgekommen ist .... diese Leute brachten dafür auch Holznägel, gebrauchte und geradegebogene Nägel mit .... Schusterpech und -garne ...
 
Was hat es mit Verschwörungstheorien auf sich, dass heutige Produkte so produziert werden, dass sie angeblich unmittelbar nach Ablauf der Garantiezeit defekt werden?

Ich halte gerade die neueste Ausgabe der Gewerkschaftszeitung ver.di-publik (07/2012) in den Händen.
Dort gibt es auf Seite 16 einen Artikel von Karin Nungeßer unter dem Titel "Schon wieder kaputt".
Sie verweist darin u.a. auf die Autorin Sabine Stadtmueller, die das Phänomen untersucht hat.
Das Ganze nennt man heute geplante Obsoleszens.
Das nachfolgende hochinteressante Artevideo zeigt, was die Autorinnen meinen.


Man könnte in diesem Zusammenhang auch auf ein vor 96 Jahren von einem spitzbärtigen Mann verfasstes Buch verweisen ...
 
Vielen Dank für diese hochinteressanten Antworten!

Bemerkenswert und wichtig finde ich die Hinweise, dass die Reparierer und Flicker einen hohen Stellenwert hatten. Gerade in alpinen und landwirtschaftlichen Gegenden war man froh, wenn Leute gekommen sind und Reparaturen vorgenommen haben. Man musste daher wohl nicht lange vom Hof weggehen, um eine Maschine zum städtischen Fachhandel zur Reparatur zu bringen.

Es ist mir noch nicht ganz klar, wann der heute allgemein eher verbreitetere negative Beigeschmack zu wandernden Hausgeschäften eingesetzt hat?
Vielleicht wurde der negative Beigeschmack auch von Berufsvertretungen der regionalen Handwerker auch geschürt?

@ baru: Du schreibst vom Abgeben der Feuerzeuge und Zündhölzer beim Nächtigen der wandernden Handwerker.
Vor einigen Jahren hat mir jemand von einem hochalpinen Bergbauernhof in Deiner Gegend erzählt, dass die Wanderhandwerker ein Nächtigungsrecht hatten. Weißt Du etwas dazu?

Wolfgang (SAGEN.at)
 
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