• Willkommen im SAGEN.at-Forum und SAGEN.at-Fotogalerie.
    Forum zu Themen der Volkskunde, Kulturgeschichte, Regionalgeschichte, Technikgeschichte und vielem mehr - Fotogalerie für Dokumentar-Fotografie bis Fotogeschichte.
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst Du eigene Beiträge verfassen und eigene Fotos veröffentlichen.

Die Wolke - Katastrophe von Tschernobyl

Ursprünglicher Beitrag von Pavel am 19.03.2006. (Wegen Datenbankfehler nachträglich vom Admin erneut eingebracht)

Darin wird Rimma Kyselytsa als Lehrerin beschrieben, die dann als Dolmetscherin bei der "Chornobylinterinform Agency" gearbeitet hat. Ihre Mitarbeit am Aufbau des Tourismus begründete sie in der Notwendigkeit der Region, Geld zu beschaffen, damit etwa Überschwemmungen verhindert oder Waldbrände gelöscht werden können, damit nicht noch mehr kontaminiertes Material freigesetzt wird.

So ist es, sie hat aber nicht für das Geld gearbeitet, denn Vergütung für Personal der Zone ist rein symbolisch, sie hat die Zone wirklich geliebt.

Touristen dürfen ganz kurz den Sarkophag (nur von einer Seite) ansehen und 10 Minuten in Pripjat verweilen, für länger darf sich nie wieder ein Mensch in der Region aufhalten.

Im Winter hat Moderatorteam von pripyat.com die Stadt Pripyat wieder besucht und dort Reporterteam einer russischen Zeitung getroffen. Mit Infrarotkameras ausgerüstet, wollten die nachts Widschweine filmen.
Jungs haben in Pripyat übernachtet.

Wenn man bestimmte Regeln beachtet, darf man mehrere Tage in der Stadt bleiben. Besonders im Winter, wenn es keine Staub gibt.
 
Ursprünglicher Beitrag von Wolfgang am 21.03.2006. (Wegen Datenbankfehler nachträglich vom Admin erneut eingebracht)

Hallo Pavel,

Deine Beiträge zu Tschernobyl sind recht interessant auch auf Pripyat.com sind ausserordentlich gute Themen. Bei mir drängen sich zum Thema Tschernobyl ein paar Fragen auf, vielleicht kannst Du sie beantworten?

1) Der Unfall (besser: die Katastrophe) von Tschernobyl ereignete sich am 26.April 1986 in Prypjat.
Binnen Sekundenbruchteilen um 1 Uhr 23 Minuten und 44 Sekunden war die Region hochgradig verstrahlt, in den 10 Tagen, bis das Feuer gelöscht werden konnte, wurden Tonnen an strahlenden Stoffen zum Teil in sehr hohe Atmosphären-Schichten gebracht und auch über ganz Europa verteilt.

Warum und wie war es möglich, dass die anderen drei Blöcke des Kraftwerkes zum Teil bis in das Jahr 2000 in Betrieb sein konnten?
Ich denke, die Gegend ist für immer hoch verstrahlt, wie konnten da Menschen noch 14 Jahre arbeiten?

2) Kannst Du bitte den Begriff "Stalker" erklären?

Ich habe vor vielen Jahren den Film "Stalker" (1979) von Andrei Arsenjewitsch Tarkowski gesehen, welcher ein unglaublich dramatisches Meisterwerk einige Jahre vor Tschernobyl ist. (Tarkowski war wirklich genial, einer meiner persönlichen Helden).

Auf Priyat.com ist ein kurzer Film mit dem Thema "Stalker", der auf mich so wirkt, wie wenn die Crew unerlaubt in den Kern des Reaktors vorgedrungen wäre, um dort die Dokumentation zu drehen? Ist das wahr?

Hier werde ich nicht schlau, würde mich über Deine Erklärungen freuen.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Ursprünglicher Beitrag von Lisa am 21.03.2006. (Wegen Datenbankfehler nachträglich vom Admin erneut eingebracht)

Servus Wolfgang,

Stalker ist der Film zum Buch "Picknick am Wegesrand" von den Gebrüdern Strugatzki geschrieben. Die "Stalker" sind - hm - vielleicht Raubritter in der "verbotenen Zone". Doch geschieht viel mehr, als dass sie nur verkaufbare Erfindungen etc. dort finden... schwer zu beschreiben...

Gerade heut haben wir uns nach dem Abendessen über die Zeit nach Bekanntwerden des Unglücks unterhalten und dabei sind wir auch auf dieses Buch gekommen. Es ist zu - mysteriös und vielschichtig, als dass ich es hier beschreiben könnte, allerdings kam es mir schon damals in den Sinn. Wenn Du es noch nicht gelesen hast - ein wirklich gutes Buch

Grüße von Lisa (die das Buch bald nochmal lesen wird)
 
In Österreich sind rund 1.700 Menschen an den Folgen der Atomkatastrophe von Tschernobyl gestorben oder werden in den nächsten Jahrzehnten noch sterben.

Das schätzt der britische Atomexperte Fairlie auf Basis von OECD-Daten über die Strahlenbelastung in den Ländern Westeuropas.

Österreich war auf Grund der damaligen Regenfälle in dem Gebiet am stärksten betroffen. Ein Drittel des gesamten EU-Gebiets sei durch die Strahlenbelastung verseucht worden.

Nach Messdaten der OECD wurden in Österreich in den ersten drei Jahren nach dem Unglück 16.600 Menschen mit einem Sievert (ein Messwert für biologische Verseuchung mit radioaktiven Strahlen) belastet. Im Durchschnitt könne man aber davon ausgehen, dass etwa zehn Prozent dieser Kennziffer in den Folgejahren als Todesopfer zu beklagen seien, meint der Experte, der so auf die Zahl von rund 1700 Menschen kommt.

Noch mehr Tote habe das Unglück in Italien und Westdeutschland gefordert, wo laut dem Bericht 9200 beziehungsweise 6000 Menschen der Katastrophe zum Opfer fielen oder noch fallen werden. Als Begründung gibt Fairlie an, dass in den beiden Ländern "der Regen anders als in Österreich nicht über den Bergen, sondern über den weit dichter besiedelten Stadtgebieten niedergegangen ist".

Quelle: ORF.at, 19. April 2006 und "Der Standard", 19. April 2006

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Zuletzt bearbeitet:
In Österreich sind rund 1.700 Menschen an den Folgen der Atomkatastrophe von Tschernobyl gestorben oder werden in den nächsten Jahrzehnten noch sterben.

Das schätzt der britische Atomexperte Fairlie auf Basis von OECD-Daten über die Strahlenbelastung in den Ländern Westeuropas.

Österreich war auf Grund der damaligen Regenfälle in dem Gebiet am stärksten betroffen. Ein Drittel des gesamten EU-Gebiets sei durch die Strahlenbelastung verseucht worden.
Die Salzburger Nachrichten halten heute einen recht interessanten Rückblick auf den Frühling 86, die Maßnahmen, die bei uns getroffen wurden, die Unvernunft und die Panik wird geschildert, es wird auch festgestellt, dass seither die Anzahl von Schilddrüsenkrebs gestiegen ist.
Der ausführliche Artikel ist hier nachzulesen: (Admin: externer Link existiert nicht mehr)
 
"Ich war in der Innenstadt Münchens, ein Gewitter lag in der Luft, lastete auf den Dächern, dunkle Wolken, dazwischen das Sonnenlicht, sehr früh für diese Jahreszeit, wie ein Sommergewitter.

Normalerweise liebe ich Gewitter, doch diese schwefliggelbe Stimmung gefiel mir nicht, deshalb flüchtete ich in ein Geschäft, als die Regentropfen fielen...."



Das verstehe ich nicht ganz, weil wir doch erst Tage nach der Katastrophe informiert wurden....
 
Oh - verstehen kann ich es auch nicht, rational zumindest. Intuition? Zufall, dass mir ausgerechnet dieses Unwetter unheimlich war? Es war jedenfalls ein sehr eindrückliches Gefühl und ich hab gelernt, diesen Intuitionen zu trauen. So wie man nicht wissen kann, dass gleich von oben ein Stein herabfallen wird, beim Berggehen oder ein Ast im Wind abbrechen wird, doch irgendwas in uns weiß es doch. Ich glaube, wir haben eigentlich alle eine sehr gute Körperwahrnehmung (oder ich weiß nicht, welchem Sinn man das genau zuschreiben kann) nur leider hören wir oft nicht auf sie.

Grüße von Lisa
 
Gewusst haben wir in den ersten Tagen sehr wenig und es erscheint mir nach zwanzig Jahren sehr schwierig, hier wirklich jenes zu notieren, was wirklich in diesen Tagen war, ohne Beeinträchtigung dessen, was wir später erfahren haben.

Ich glaube, bis zu den ersten Tagen des Mai ist bezüglich jeglicher Strahlenvorkehrung überhaupt nichts passiert. Wie weiter oben beschrieben, habe ich zu der Zeit mit Vorliebe zu Mittag Salat gekauft, bis dieser einige Tage später plötzlich aus dem Verkehr gezogen wurde. Das hat uns aber nicht wirklich beunruhigt.

Wirklich beunruhigt hat uns dann, als in den ersten Maitagen die Kehrmaschinen die Strassen gereinigt haben. Im Radio hieß es auch, der Sand der Kinderspielplätze würde ausgetauscht.

Niemand hat nach dem radioaktiven Regen die Leute gewarnt, die in der Freude auf den Frühling in ihre Gärten gegangen sind um zu "garteln" oder die vielen Ausflügler des 1. Mai 1986...


Nun zum nachträglichen Wissen:
In der ORF-Dokumentation "Thema" vom 24. April 2006 hat der damals zuständige Umweltminister Franz Kreuzer ohne jegliche Schuldgefühle erneut bestätigt, dass er die schon bekannten Strahlenfakten damals nicht der Öffentlichkeit zugänglich machen wollte, da er "Angst vor Panik in der Bevölkerung" hatte...

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Was wir wohl alles nicht erfahren, weil wir in Panik geraten könnten? Wird ja nicht besser geworden sein.

Traurige Grüße von Lisa
 
Hallo Lisa,
was die Berichterstattung zur Strahlenbelastung im Mai 1986 angeht, fällt mir spontan eine Situation im Messlabor ein: draussen ging gerade ein Gewitter nieder und viele Menschen liefen durch den warmen Regen, eigentlich ganz schön und natürlich. Wir haten ein paar Milliliter Regenwasser gesammelt und begannen mit einer Analyse. Ich hatte bis dahin noch nie so hohe Radioaktivität in einer Umweltprobe gesehen. Alle im Labor waren schockiert.
Im Hintergrund lief, wie immer, ein Radio und in den Nachrichten versicherte uns der damalige Bundeskanzler Fred Sinowatz, dass Österreich viel zu weit weg sei vom Unglücksort und dass wir mit Sicherheit nicht betroffen sein würden.
Seit damals halte ich die Informationspolitik eben für Politik...........
 
Einige persönliche Gedanken zu Tschernobyl:

Während meines Studiums wurden uns von der Energiewirtschaft wunderschöne bunte und einprägsame Lehrbehelfe (Ringmappen und Overheadfolien) zur Verfügung gestellt, die beweisen sollten, dass ein GAU (Größter Anzunehmender Unfall) nicht stattfinden kann. Ein Super-Gau (Ein noch größerer Unfall) sei undenkbar. Aber das Undenkbare passiert (Murphys Gesetz).
Jetzt ist vor 20 Jahren so ein Unfall passiert und was lernten die Menschen daraus? Nichts.
Ist denn nicht allen klar, dass wir so einer Katastrophe, Katastrophenpläne hin oder her, wieder Schutzlos ausgeliefert wären. Gegen Strahlungen mit einer Halbwertszeit, die in Zehnerpotenzen von Jahren gemessen wird, gibt es im menschlichen Zeitmaß keinen wirksamen Schutz.
Und deshalb wird genau jetzt zu diesem traurigen Jubiläum wieder allenthalben die Diskussion um den Wiedereinstieg in die Atomenergie vom Zaun gebrochen.

Der diesmal sehr, sehr traurige
 
Hallo!
Jetzt funzt es wieder...

SAGEN.at schrieb:
Ursprünglicher Beitrag von Wolfgang am 21.03.2006. (Wegen Datenbankfehler nachträglich vom Admin erneut eingebracht)

Bei mir drängen sich zum Thema Tschernobyl ein paar Fragen auf, vielleicht kannst Du sie beantworten?

Warum und wie war es möglich, dass die anderen drei Blöcke des Kraftwerkes zum Teil bis in das Jahr 2000 in Betrieb sein konnten?

Nach dem Reaktor versiegelt worden war und alle stark strahlende Teile gesammelt worden waren, waren sehr umfangreiche Reinigungsarbeiten durchgeführt worden. Erdreichschicht wurde abgetragen, Gehwege neu betoniert, alles was man irgendwie reinigen kann -wurde gerinigt oder ersetzt.
Einige Stellen im Innern , die man nicht genüg sauber kriegen könnte, wurden mit Blei abgeschirmt.
Alle diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass z.B. im Kontrolraum von Block.3 es nur mit rund 50mikroRöntgen pro Stunde strahlte.
Die grosse Digitalanzeige am Eingang von AKW Verwaltungsgebaude zeigt nicht mehr als 70mkR/St. Super gesund ist es nicht aber es bestand auch keine akute Gefahr mehr.
Trotzdem wurde höchstzulässige Dosis (und Gehalt für Personal ) um Faktor 5 vergrößert.

SAGEN.at schrieb:
2) Kannst Du bitte den Begriff "Stalker" erklären?

Ich habe vor vielen Jahren den Film "Stalker" (1979) von Andrei Arsenjewitsch Tarkowski gesehen, welcher ein unglaublich dramatisches Meisterwerk einige Jahre vor Tschernobyl ist.

Genau im dem Sinne von Tarkowski. Das sind die Leute, die enge Beziehungen mit der Zone haben. Stalker von pripyat.com sind meistens in der Zone geboren worden sind. Für die ist Stadt Pripyat- die Stadt ihrer Kindheit.

SAGEN.at schrieb:
Auf Priyat.com ist ein kurzer Film mit dem Thema "Stalker", der auf mich so wirkt, wie wenn die Crew unerlaubt in den Kern des Reaktors vorgedrungen wäre, um dort die Dokumentation zu drehen? Ist das wahr?

Unerlaubt geht es wohl kaum, aber es ist war. Ich dachte nie dass sowas möglich wäre aber es ist Fakt.Diese Dokumentationen haben heftige Diskussionen ausgelöst, denn es stellte sich fest, dass Reaktortopf leer ist.
 
Ich hab mich immer gefragt, wie das passieren konnte, im Dritten Reich. Alle wussten es, doch wurde nichts unternommen, oder wenig (scheinbar). Alle wissen heut eigentlich, dass Atomstrom der teuerste ist, nicht nur wegen der Folgekosten. Es wurde und wird auch viel getan, doch gegen bestimmte Wirtschaftsinteressen ist nicht nur der Einzelne machtlos.

Was hilfts? Mir nur der Spruch vom Apfelbäumchen und mein gnadenloser Optimismus, den ich glücklicherweise offenbar meinen Kindern vererbt habe. Dabei wollte ich nach Tschernobyl eigentlich gar keine Kinder bekommen.

Und - weiterzumachen, gegen Atomstrom zu reden, auch wenn es scheinbar sinnlos ist.

Grüße von Lisa
 
Lisa schrieb:
Und - weiterzumachen, gegen Atomstrom zu reden, auch wenn es scheinbar sinnlos ist.
Natürlich sinnlos. Weil man noch keine Alternativen hat.
Es gibt einfach keine Energiequelle, die vergleichbare Leistungen liefern kann.
Alle Gespräche über Sonne und Wind gehen zu Ende wenn man anfängt zu rechnen.
 
^..^ schrieb:
Alle Gespräche über Sonne und Wind gehen zu Ende wenn man anfängt zu rechnen.
Alle Gespräche über Kernenergie gehen auch zu Ende, wenn man wirklich anfängt zu rechnen ...
 
gavial schrieb:
Alle Gespräche über Kernenergie gehen auch zu Ende, wenn man wirklich anfängt zu rechnen ...
SAGEN.at schrieb:
Es gibt sehr wohl Alternativen, nur eben wenig Interesse diese umzusetzen.
Die wichtigste Alternative gegen Atomkraft ist zweifellos das Energiesparen, sowohl in der Industrie als auch in Haushalten!

Wolfgang (SAGEN.at)

Ja, ich kann Euch beiden nur zustimmen. Mir verschlägts erst mal immer wieder die Sprache, wenn Atomstrom als einzige, ja überhaupt als "Alternative" gesehen wird.

Wären die Milliarden, die in künstliche Subventionen geflossen sind, in vernünftige Forschung gesteckt worden, bräuchten wir sicher keinen Atomstrom. Er ist und bleibt der teuerste, mal von den Folgen ganz abgesehen, die ohnehin teuer zu stehen kommen.

Und, ja Wolfgang, ans Sparen denkt keiner gern... alles Sachzwänge, kein Wachstum, wenn gespart wird und und und...

Herzliche Grüße von Lisa
 
Am 26.April wurde in Archangelsk der Kirche aller Heiligen gegenüber ein Stein eingeweiht, zum Andenken an die gestorbenen Teilnehmer der Unfallfolgenbeseitigung in Tschernobyl 1986.

Chernobyl_4.jpg

Die Kirche aller Heiligen, Archangelsk, April 2006

Chernobyl_1.jpg

Der Gedenkstein „Den umgekommenen Teilnehmern der Unfallbeseitigung in Chernobyl am 26.April 1986“ Archangelsk, April 2006.

Chernobyl_2.jpg


Chernobyl_3.jpg

In jenem schrecklichen Jahr sind 1500 Menschen aus Archangelsker Gebiet als „Teilnehmer“ nach Tschernobyl gefahren. Sie wussten aber am Anfang nicht genau, wohin und wozu sie fahren. Im Kriegskommissariat sagte man, sie fahren, um die neue Stadt Slawutitsch zu bauen. Und erst später erfuhren sie, dass sie die Folgen der Katastrophe beseitigen mussten.

Zitat von Pawel. Im Winter hat Moderatorteam von pripyat.com die Stadt Pripyat wieder besucht und dort Reporterteam einer russischen Zeitung getroffen. Mit Infrarotkameras ausgerüstet, wollten die nachts Wildschweine filmen.

Stimmt. Die Zeitung heißt „Komsomolskaja Prawda“ und die Reportage von diesem Team erschien in der Zeitung in 3 Teilen, am 21, 22 und 25.April. Ich glaube aber nicht, dass die Wildschweine ihr Ziel waren. Sie beschreiben in ihrem Bericht, was sie in der Zone gesehen haben, welche Menschen sie getroffen haben, wie sie dort wohnen.
Der Link zu dieser Reportage (da sind auch ziemlich viele Fotos) ist:

(Admin: externer Link existiert nicht mehr)

(eher für Pawel interessant, denn der Artikel ist auf Russisch).

Anlässlich des zwanzigsten Jahrestages des Tschernobyl-Unfalls wurden im russischen Fernsehen einige Dokumentarfilme gezeigt. Ein Film erzählte, wie die Menschen im Brjanskaja Gebiet (Russland) wohnen, das mehr als die anderen Gegenden unter den Folgen der Katastrophe gelitten hat. Trotz aller Vorschriften und Verbote gehen die Dorfeinwohner in den Wald und essen dann die gesammelten Beeren und Pilze, züchten das Vieh und Geflügel, trinken das verseuchte Wasser und baden in Flüssen. Sie können nicht anders leben und wollen nicht umziehen. Die Lebensumstände dieser Menschen sind schwer beeindruckend, sie bekommen auch keine gute Hilfe vom Staat. Die monatliche staatliche Unterstützung ist sehr wenig Geld, und im Föderalen Gesetz 122 vom August 2004 wurden den Menschen, die als Folge der Katastrophe in Tschernobyl krank oder Invalide geworden waren, viele Sonderrechte und Sozialleistungen abgenommen :(

Dieser Film steht in einem großen Kontrast zum Spielfilm, den ich mir heute angeschaut habe – „I remember“ von Weißrussland-Film. Es ist eine Geschichte eines jungen Mannes, der die Tschernobyl-Katastrophe erlebt hat, und dessen Familie dabei gestorben war. Er war auch krank, lebte aber weiter, und wurde sogar zum Maler. Aber seine Bilder waren sehr traurig, genau so wie seine Seele. Die Menschen auf seinen Bildern lächelten nie, er erinnerte sich immer wieder an den Frühlingstag, an dem er Schnee gesehen hat, der so schön vom Himmel kam. Der Vater sagte aber, es sei Asche. So lebte der Mann, tief in sich versunken, bis er endlich die Entscheidung getroffen hat, „heim zu fahren“. Er kam in sein Dorf in die Zone, wo seine Familie begraben war. Da lebten die Menschen, die jetzt als Selbstansiedler (самосёлы) bezeichnet werden. Das sind die Menschen, die ihre Heimat so stark lieben, dass sie nirgendwo anders leben können und darum kehrten sie in ihre Häuser zurück und leben weiter, ohne die Radioaktivität in Acht zu nehmen. Die schönste Natur wurde im Film gezeigt und die Menschen sagten, sie können nicht glauben, dass eine solche Schönheit gefährlich sein kann. Sie lebten da also, und bauten sogar eine Kirche. Und sie träumten davon, dass diese Kirche für ihre Enkelkinder als ein Andenkenszeichen an sie und an ihre Heimatliebe dienen sollte. So hat auch der Mann sein Glück nicht in der Ferne gefunden, sondern in seiner Heimat. Das glückliche Bild am Ende des Filmes (er, seine Frau, die ihm aus der Stadt nachgefolgt hat, ihr Baby und die neuen „lustigen“ Bilder) gibt die Hoffnung auf die bessere Zeit, nur wann kommt sie?

In der Nähe von Archangelsk wollte man in den 80-er Jahren auch ein Kernkraftwerk bauen. Aber die „Anti-Atom-Stimmung“ der Menschen nach Tschernobyl hat damals die entscheidende Rolle gespielt und das Projekt wurde eingefroren. Aber 2001 wurde es wieder zum Leben gerufen und von der Regierung und von unserem Präsidenten unterstützt. Die Bauarbeiten sollten gemäß dem Plan 2007 beginnen und der erste von vier Leistungsblöcken sollte 2010 in Betrieb genommen werden.. :(

Und wir wissen immer noch nicht, was uns in der Zukunft erwartet.

Oksana
 
Hallo Oksana,

vielen Dank für Deinen beeindruckenden Bericht!

Dein Hinweis, dass die Leute angeworben wurden "um die neue Stadt Slawutitsch zu bauen" erschreckt mich, da es bei den Dokumentationen im deutschsprachigen Fernsehen in den letzten Tagen hieß, die Freiwilligen hätten gewusst, dass sie nach Tschernobyl fahren sollten. Lediglich jene, die zu dieser Zeit im Militärdienst waren wussten angeblich nicht, dass sie als "Liquidatoren" für 90 Sekunden dort unter enormer Strahlenbelastung arbeiten mussten.

Es ist sehr erfreulich, dass Archangelsk ein Mahnmal für die Opfer von Tschernobyl errichtet hat. Ich hoffe, es wird auch durch Deine Fotos über alle Grenzen bekannt.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Zurück
Oben