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Arme-Leute-Essen

In Babelsberg (früher Nowawes), heute ein Stadtteil von Potsdam, gibt es ein Lokal namens "Nudeltopper". Auf meine Frage, was der Name bedeute, erklärte mir die Wirtin, früher habe man die armen Leute des Ortes "Nudeltopper" genannt. Der Nudeltopf war das Arme-Leute-Essen – irgendwelche Reste, die man auf dem Markt billig bekam, vielleicht ein bißchen Gemüse aus dem winzigen Gärtchen, mit Nudeln zusammengekocht ...

Es waren meist Weber, für die Friedrich der Große das Dorf hatte bauen lassen; mittlerweile war aber die Hausweberei eine Arbeit, von der man nicht leben und nicht sterben konnte. Als 1899 die erste Fabrik in Betrieb ging, wurde es besser: Die Männer hatten dort höheren Verdienst, und mittags kamen ihre Frauen oder Töchter an den Fabrikzaun, um ihnen den "Nudeltopp" rüberzureichen.

Mittlerweile scheint "Nudeltopp" ein scherzhafter Name für Babelsberg zu sein, vielleicht weil der Begriff durch das Lokal wieder popularisiert wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Na, Pasta-Gerichte sind doch hoch im Kurs!!!

Bewährtes braucht nur einen neuen Namen und schon kann man wieder zugeben, dass es schmeckt.

Ich denke, man hat sich sehr lange aus Prinzip von Allem distanziert, das an die schlechte Zeit erinnerte. JETZT konnte man es sich ja wieder leisten, etwas Anständiges zu Essen. Dieses Jetzt dauert über ein halbes Jahrhundert und Diätheime und Internisten können ein Requiem drüber singen :D.

Ich bin mal mit einer Verwandten - an die 90 Jahre damals - durch den Frühling gefahren und hab eine Bärlauchwiese entdeckt. Als ich mit meinem Sackerl wieder eingestiegen bin, hat sie mich mit einer Mischung aus Grausen und Erschütterung angesehen und mit einem Gruftton gesagt: des hob i scho untan Kriag net mögn.
Also wie kann man in Zeiten, wo es doch so viel Gutes zu essen gibt, sowas machen :D.
 
Na, Pasta-Gerichte sind doch hoch im Kurs!!!

Ich denke, man hat sich sehr lange aus Prinzip von Allem distanziert, das an die schlechte Zeit erinnerte. JETZT konnte man es sich ja wieder leisten, etwas Anständiges zu essen ... mit einer Verwandten - an die 90 Jahre damals ...
Pasta-Gerichte wurden schick, als die ersten Italienreisen (in den 50er Jahren noch ein ausgesprochener Luxus) gemacht wurden. Sie hießen freilich noch nicht "Pasta", sondern es war immer "Spaghetti Bolognese".

Ein "Prinzip" war das wohl weniger. Manches schmeckte einfach scheußlich (was nicht unbedingt an dem jeweiligen Lebensmittel lag, sondern daran, daß man es mangels Gewürzen, Zucker, Fett etc. auch nicht schmackhaft zubereiten konnte). Also war man froh, diese Scheußlichkeiten nicht mehr essen zu müssen. Ich muß zugeben, obwohl ich noch nicht ganz 90 bin :D, schüttelt es mich, wenn ich heute Anhänger "alternativer Ernährung" Gemüse aus Miere, Melde und Brennesseln anpreisen höre. :(
 
Bei uns gab's den "Polenta" auch ... Maisschrot ... und zwar mit schwarzem Feigenkaffee übergossen!

Bananen waren praktisch unerschwinglich, aber schon bekannt ... so wurden um 50g (österreichische Groschen) am Samstag knapp vor Mittag die unansehnlichen und unverkäuflichen, bereits braunschwarzen Bananen an kinderreiche Familien abgegeben. Diese Köstlichkeit kam auf ein Teller und der Vater schlitzte die Banane auf und klappte sie auf. Mit einem Löffel wurde der braune, cremig-halbflüssige Inhalt (nicht erschrecken, es war nichts weiter als fermentiertes Fruchtfleisch!) mit Genuß und mit möglichst kleinen Happen herausgelöffelt, um länger etwas davon zu haben! Wir wurden darauf hingewiesen, NICHT die Innenseite der Schale abzukratzen, weil dort "Ungesundes" vermutet wurden. Mit heutigen, künstlich reifeverzögerten und/oder nachgereiften oder halbreifen behandelten Bananen ist dies nicht mehr möglich - ich habs vor Kurzem probiert, aber sie schimmeln/faulen schneller als sie in der Schale fermentieren können!

Mein Vater hatte in der Fabrik Arbeits- (und Kriegs-)Kollegen aus der Bauernschaft. So kamen wir fallweise in den Genuß von "Hendlhax'n" (Hühnerfüße) ... wer glaubt, dass dies die Beine mit Schenkel bedeuten würde, der irrt! Es waren nur die gelben abgehackten Füße von der Zehe bis zur Ferse - also alles was so gelb beschuppt ist am Hühnerbein!!
Das wurde erstmal für eine Suppe gekocht und wir Kinder durften (!) die Haut, das wenige darunter liegende Fett und Fasern der Sehnen abknabbern und ablutschen, was wir auch lautstark und genußvoll taten! Die Knöchelchen zerlegten sich im Mund und wurden ausgespuckt. Erst viel später wurde uns bewußt, dass dies für die Bauern eigentlich Abfall war, der allerhöchstens mitverkocht wurde ...

Mit den Schweinshax'n war es ähnlich - die Klauen bis zum Fersengelenk kamen fallweise und VIEL SELTENER ausgekocht auf den Tisch; mit Senf und vor allem viel Kren aus dem eigenen Garten, trockenes Brot dazu und schon war das Festmahl für 5 kleine hungrige Mäuler fertig! Wer's kennt wird wissen, wie klebrig diese sulzartige Masse war, die man zwischen den Knochen und unter der Haut hervorholte; wenn die Stücke schlampig entborstet waren (was sie meist waren), hatte man mit der Haut immer ein kratziges Etwas im Mund, was aber tapfer gekaut und mitgegessen wurde.

Trotz allem: nichts davon hat uns geschadet, und das gemeinsame Essen von so aussergewöhnlichen Speisen war immer ein kleines Freudenfest! Übrigens: da wir nicht so viele Stühle hatten, saß ich zwischen meinen beiden Brüdern und einer Schwester auf einem Bügelbrett, das wiederum über einen Sessel und einen Hocker gelegt wurde ....

Mahlzeit in die Runde
Norbert
 
Mir fällt zu diesem Thema noch ein:
Ich war mal bei einer älteren Dame eingeladen, Erbsensuppe mit
Schwänzchen. Sie war erstaunt, dass ich nur die Suppe "ohne" essen wollte.
Schweineschwänzchen seien doch eine billige Delikatesse! Ich gehöre halt
zu einer anderen Generation.- Ulrike
 
...Mit den Schweinshax'n war es ähnlich ...
Das ist heute noch eine meiner (leider vielen) Leibspeisen. Gegen den erbitterten Widerstand meiner Familie MUSS ich die hin und wieder haben! Für unsere deutschen Freunde: Wir verstehen darunter die "Pfoten" des Schweines. Das, was in Bayern als Schweinshaxe gilt, ist bei uns die Stelze.
Da fällt mir auch gleich eine Klachlsuppe mit Heidensterz ein. Auch das war eine Speise der ärmeren ländlichen Bevölkerung in der Steiermark. Das muß ich mir auch wieder einmal machen. :koch:
Klachlsuppe: Mit einem Mehlteigerl oder Einbrenn leicht eingedickte Schweinssuppe, in die das Fleisch der gekochten Haxln ("Klachln") und das mitgekochte Wurzelwerk eingeschnitten ist.
Heidensterz: Buchweizensterz.
 
Ein Arme-Leute-Essen waren auf der Schwäbischen Alb früher Weinbergschnecken: Es gab genug davon, sie kosteten nichts, jeder konnte sie sammeln (was heute verboten ist). Um 1960 erzählte man mir in einem Albdorf (und mich grauste es!), viele Leute sammelten im Herbst Schnecken. In den Jahrzehnten danach hörte das auf. Seit gut zehn Jahren wird die Albschnecke gezüchtet – jetzt aber als Delikatesse.

Anderswo galten sie früher schon als solche und wurden in Massen exportiert – vor allem die Donau entlang bis nach Wien. Wenn die Anlage neuer Schneckengärten weiter so fortschreitet wie in den letzten Jahren, wird es wohl bald wieder so sein ... :D
 
Heuer in der Tagespresse ein großer Bericht, was die Menschen für Insekten
essen: Heuschrecken, geröstete Wespen usw. Was z.B. in Afrika für arme Leute
notwendig war, kommt nun auch in die" Delikatessenrestaurants". Ohne mich!
Auf keinen Fall würde ich z.B. eine Weinbergschnecke essen (dies sagt man so,
wenns ums Überleben ginge: vielleicht doch). Manche essen ja auch lebende
Regenwürmer (Mutprobe). Ich habe mal ein Buch über frühere Armut in
Island gelesen, da schaudert es mich heuer noch. Ein Rezept war: ausgekochte
lederne Schuhsohlen. Die Brühe hatte einigen" Nährwert ", half zu Überleben.
-Ulrike
 
Hallo zusammen,

Ich beschäftige mich seit einer Weile mit dem Thema Nahrung in Zusammenhang mit Draußen überleben (Outdoor Survival) und habe an Pflanzen schon ziemlich alles gegessen, was in unseren Breiten vorkommt und nicht giftig ist.

Ich verstehe, daß es vielen Leuten grauslich erscheint, Insekten zu essen, vertrete aber den Standpunkt, daß es "nur" eine Frage des jeweiligen Kulturkreises ist, was Ekel auslöst.
Ich würde alles essen, um zu überleben, habe aber auch das Wissen, was es zu beachten gibt- zum Beispiel Parasiten bei Insekten.
Zugegeben, die Vorstellung, etwas lebendes zu essen, ist kein Wunschtraum, aber wenn man einmal 5 Tage nur Blätter, Wurzeln usw. zu sich genommen hat, erscheint einem (mir zumindest) eine fette Maikäferlarve wie ein Festmahl.
Lg, Tatzlwuam
 
Heute in der Tagespresse ein Artikel, der bei mir echt Ekel verursacht hat:
Vom schleimigen Tier zur Delikatesse ...Die Schnecken werden in kochendes
Wasser geworfen, dann ausgenommen u. entschleimt ... Ein französischerZüchter hat 300.000 Schneckenbabys in seiner Farm ausgesetzt ... Nur 140 Tonnen
wurden nach Deutschland importiert ... Ein Foto sogar auf der Titelseite,
2 Schnecken - im Innenteil ein Foto von der Farm u. ausführlicher Artikel, ich
kann mich nur wundern über die Reklame für das "Nischenprodukt" (jedenfalls
was Deutschland beträfe) -
ein anderes Thema war bei uns im regional TV: Tierschützerprotest gegen
Gänsestopfleber in der Gastronomie. Ich dachte, dies wäre bei uns längst
verboten - dann führt man ein aus Ländern, wo es erlaubt ist. -
Mich würden Meinungen dazu interessieren!
Ulrike
 
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