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Zillertaler Brustfleck

Geri Tirol

New member
Liebe Forenmitglieder,
ich habe eine Frage zum zur Zillertaler Tracht gehörenden Brustfleck. Dieser ist aus roter Wolle und hat im Kragenbereich drei Borten in den Farben grün, silber und gold. Kann mir jemand sagen, ob diese eine Bedeutung haben und wenn ja, welche?
Vielen Dank für die Hilfe und die hoffentlich vielen Antworten.
Liebe Grüße aus Tirol
Gerhard
 
Hallo Gerhard,

zum Brustfleck der Zillertaler Tracht schreibt Friedrich Lentner:

"Vielfach bedrängt von dem späteren Kamisol, der herrischeren Jacke und dem vornehmen Rock, hat sich das Hemd am dauerhaftesten erprobt von allen Formen bäuerischer Tracht, und wie auch die Scheren und Nadeln von etwa sechs Jahrhunderten damit in Glimpf und Unglimpf verfuhren, hat es sich im Urväterschnitt und -Stoff erhalten neben den verfeinernden Beigaben der Enkel — weil es sich als tüchtig und wohlstehend dem Landmanne allezeit erwies.

Hart daneben steht an Alter und gleicher Lebensgeschichte der „Brustfleck“, das „Brusttuch“, also genannt im Gegensätze zum „Leibl“, „Leibstückl“, der fremdländischen Weste, unserem eleganten Gilet. Der Brustfleck in seiner Grundform kommt auch da vor, wo das alte Hemd in Ehren ist; wechselweise tragen ihn auch jene, die es abgelegt, hinwieder die Hemdträger das Leibl. Ich halte ihn in älterer Zeit für ebenso, ja noch weit mehr verbreitet als das Hemd. Am Halse glatt ausgeschnitten, bedeckt er die breite volle Brust und wird nach mittelalterlichem Brauche an der Seite geschlossen. Am Rücken ersetzt den ganzen Teil oft ein geringerer Stoff oder nur ein Kreuzbund (daher auch „Kreuzleibl“), vorne reicht er bis unter den Gurt, bei den Duxern und alten Tauferern hängt er halbrund geschnitten noch darunter hervor über die Hose. Diese armen, groben Gesellen schneidern ihn glattweg aus weißlicher Wolle, die Zillerberger ebenso geformt aus roter, dafür nehmen die Zillertaler das feinste Scharlachtuch, violetten Seidenstoff, auch Samt und verbrämen den roten mit grünem oder schwarzem, den veilchenbraunen mit rosenroten Samt und einer goldenen breiten Spitze darunter. Grün kommt er vor „z'Oberland Bayern“, grau und grün in der Steiermark, blau mit der Goldborte die Pusterer von Lorenzen und Rodeneck, die Passeirer nehmen rot und weiß gestreiftes Leinenzeug, aus schönem hochroten Tuche muss er bei den Meranern und Vintschgauern sein, schmalgrün berändert. Also brennrot liebt man ihn fast allerorten, so trug ihn auch der Anderl Hofer, nach dem Muster wohlhabender Wirte. Seine grüne Juppe — die vielfach angestaunte und neben der braunen seiner Talleute auch unerklärlich scheinende — ist eben auch nichts anderes als eine Nachahmung der fröhlichen sommerfrischfarbigen Hemden der Rittener Bauern, die von lustigen Schenkhaltern manchmal beliebt wurde.

Bei den biederen Walsern in Vorarlberg blieb dies anschließende Gewand lange ledern (von Hirschhaut), und die Schlitze, Reste der „zerhauenen“ und „zerschnittenen“ Tracht der frommen Landsknechte, scheinen daran noch spät für schön gegolten zu haben, neben roten Ärmeln. Es liegt übrigens in der Beschaffenheit und dem Zweck dieses Kleidungsstückes, dass es kaum eine andere Abänderung als etwa eine dekorative erleiden konnte.

Zum Brustfleck gehört nun auch der Gurt, die Binden, Leibbinde, Fatsch'n. Wie sie ausgesehen hat, als Hemd und Brusttuch noch derb und rauh waren, beweist uns der handbreite ungefärbte Lederriemen mit der Zinnschnalle bei unseren altväterischern Duxern und solchen Gesellen. Dann mochte sie benäht und benagelt werden, endlich recht stattlich breit, glänzend schwarz, buntgerändert; dazu gehören die künstlichen Verzierungen mit den Zinnstiften oder die mit den Pfaufedern. Ganz gleich war sie auch bei den Walsern und alemannischen Talleuten üblich, wo ich alt abgelegte noch vorfand.

Die Blumen, Hirsche, Gemsen und die ganze Gurtenornamentik hat in ihrer Zeichnung übrigens so viel Naives, Primitives, dass man Rokokoeinflüsse kaum bemerkt und viel lieber gut deutsche, ältere Muster annehmen möchte. Vom gebirgischen Kostüm wurde die breite Leibbinde, die so bildsam die Lenden drückt, nur da abgeschnallt und beseitigt, wo die kurze Modeweste sich Herrschaft erwarb und die bürgerliche Manchester-Kurzhose oder gar die lange nach sich zog."​

Quelle: Friedrich Lentner, Über Volkstracht im Gebirge, in: Zeitschrift für österreichische Volkskunde, XI. Jahrgang, 1905, S. 1 - 16.

Weiters empfehle ich Dir folgenden Artikel:
Adalbert Sikora, Zur Geschichte der Zillertaler Tracht, in: Zeitschrift für österreichische Volkskunde, XII. Jahrgang, 1906, S. 1 - 14.

Beide Artikel sind profund verfasst und recht interessant zu Lesen.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Hallo Wolfgang,
Vielen Dank für die rasche Antwort. Den Artikel von Sikora habe ich gelesen, bin aber nicht recht schlau daraus geworden. Nach den von dir geposteten Ausführungen komme ich zu dem Schluss, dass die Farbwahl der Borten bei der Vereinheitlichung der Taltracht für Musik und Schützen entstanden sein muss, da ich keine Beschreibung finden konnte, bei der die Kombination der drei Farben sonst für die Borten vorkommt. Adjustierungsvorschrift war eigentlich die einzige Quelle. Nochmals vielen Dank und
Schöne
Gerhard
 
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