Passend zur Weihnachtszeit hier ein Aufsatz von Hermann Mang aus 1925 über Wettersprüche zur Weihnachtszeit mit dem Schwerpunkt seiner Beobachtungen auf Südtirol:
Die Alten in längst vergangenen Jahrhunderten haben sich die Ereignisse nicht nach dem Kalendertag gemerkt, ganz einfach deshalb, weil sie keine gedruckten Kalender hatten und weil nur die wenigsten lesen konnten. Sie brachten bedeutende Geschehnisse in Verbindung mit wichtigen Tagen des kirchlichen Festkreises oder des wirtschaftlichen Lebens und hielten sie so in der Erinnerung fest.
Sie sagten z. B. nicht: am 20. Jänner sondern: am Sebastianitag, und nicht: am 30. September sondern: am Tag nach Michäli: es findet sich aber auch als Zeitbestimmung: zwei Tage nach dem Stegener Markt oder bei allgemeiner Angabe: im Bau, d. h. in der Saatzeit. Jahrhundertelang, nachdem Kalender und Lesekunst schon verbreitet waren, ging die alte Zeitbestimmungsart weiter, heute noch ist sie in Stadt und Land vielfach im Brauch und in den Volkssprüchen, in denen sich die Erfahrung und Weisheit der Alten kristallisiert hat, kommt nur sie zur Anwendung.
Auch die mit ziemlicher Regelmäßigkeit wiederlehrenden Erscheinungen der Witterung hat das Volk mit Heiligentagen verknüpft und so tauchen anscheinend zahlreiche Wetterheilige auf.
Das ist aber ein Missverständnis, das nur herauskommt aus der Unkenntnis über die Zeitberechnung der Alten. Das Volk kennt eigentlich unter den Heiligen nur ganz wenige „Wetterherren", die vielen Heiligen, die außerdem noch mit dem Wetter in Verbindung gebracht werden, bedeuten nur Merktage. Je höher der Festtag, umso höher auch seine Bedeutung als Merktag und darum gruppiert sich auch um Weihnacht eine große Anzahl von Wetterregeln. Die Weihnachtszeit birgt ja eines unserer höchsten Feste und wurde auch schon in vorchristlichen Jahrhunderten als heilig gefeiert. Nicht zwar als Wintersonnenwende, wie man es in manchen Festreden bei Christbaumfeiern oder auch in vielen Weihnachtsaufsätzen vernehmen kann. Die germanische Feier der Wintersonnenwende um Weihnacht ist eine politische Fabel ohne wissenschaftlichen Hintergrund.
Man braucht nur eine neuere germanische Mythologie oder eine Volkskunde herzunehmen, da wird die Sonnwendfeier um Weihnacht überall abgelehnt.
Die alten Germanen feierten unsere Weihnachtszeit als heilige Zeit nicht wegen der Sonnenwende, sondern wegen der Umzüge der Geister der Verstorbenen, die in den langen Nächten des Tiefwinters stattfanden.
Und gerade unzählige Bräuche und Meinungen, die sich auch in unserm Land unter dem Volk aus Urväterzeiten erhalten haben, wie Perchtenglauben, Bleigießen und ähnliche Mittel, um die Zukunft zu erfragen, dann die Zwölfnächte und das Räuchern, weisen auf den alten Totenkult hin, verraten wohl heiligen Schauer und bange Furcht, aber nirgends freudige Sonnenwendstimmung.
Im Folgenden seien einige wenige Wettersprüche aus vielen angeführt.
Um Weihnacht ist im normalen Jahr Vollwinter. Ist aber das Wetter um diese Zeit nicht winterlich, dann lässt sich auch lein richtiger Sommer erwarten und der Bauer hat darum nicht ohne Grund Sorge für die künftige Ernte:
Vor Weihnachten viel Wasser,
Nach Jakobi (25. Juli) kein Brot.
Einmal kommt der Winter ja doch jedes Jahr' tritt er nicht zu normaler Zeit ein, dann erscheint er später, aber dafür unerwünscht und schädlich!
Wintert's vor Weihnacht nicht,
wintert's danach.
Gelinde Weihnacht
Kaltes Jahr macht.
Ist Weihnacht lind,
Im Jänner die Kälte beginnt.
Wintert's in der Christnacht aufs Dach.
So wintert's im Frühjahr nach.
Grüne Weihnacht, weiße Ostern.
Weihnacht im Klee,
Ostern im Schnee.
Steckt die Krähe zu Weihnacht im Klee,
Sitzt sie um Ostern oft noch im Schnee.
Milde Weihnachtswitterung bringt nicht bloß späte Kälte und schlechtes
Frühjahr und schmale Ernte, sondern ist auch der Gesundheit gefährlich:
Grüne Weihnacht, fetter Kirchhof.
Wenn die Leute in der Christnacht zur Mette gehen, wollen sie eine sternenhelle Nacht, nicht bloß damit sie den Weg leichter finden und auf den eisigen, steilen Hängen nicht zu Fall kommen, sondern weil sie sonst für die Ernte Sorge haben:
Finstere Metten, lichte Städel.
Ist aber die Winterkälte um Weihnacht bissig und grimmig, dass die Sterne am Himmel in der eiskalten Luft funkeln und die Eiskristalle am Wege glitzern, dann ist der Bauer zufrieden, weil er auch einen heißen Sommer und eine gute Ernte erwarten kann:
Ist's in der Heiligen Nacht hell und klar,
So gibt's ein segensreiches Jahr.
Weihnachten klar,
Ein gutes Weinjahr.
Helle Christnacht, finstere Stadel, d. h. dichtbesetzte, heugefüllte Scheunen.
Christtag klar.
Ein gutes Jahr.
Ist Weihnacht richtig kalt, dann kommt auch das Frühjahr mit allen seinen Freuden und Schönheiten zur rechten Zeit:
Weihnachten im Schnee,
Ostern im Klee.
Hängt zu Weihnacht Eis an den Weiden,
Kannst du zu Ostern Palmen schneiden.
Sind zu Weihnacht die Bäume weiß von Schnee,
Sind sie um Ostern weiß von Blüten.
Wenn es um Weihnacht bloß wenig kalt ist und erst gar noch regnet, dann sind die Ernteaussichten noch schlechter:
Weihnacht feucht und nass,
Leere Speicher und Fass.
Wenn es um Weihnacht viel regnet,
Dann schneit es im Märzen und macht teuer Futter.
Freilich ganz bleibt um diese Zeit das nasse Wetter nie aus, nach großer Kälte tritt immer ein Rückschlag ein und das „Glatsch um Weihnacht" ist nicht umsonst sprichwörtlich.
In allerhand Wendungen kehrt die Meinung wieder, dass eine reiche Obsternte zu erhoffen sei, wenn die Weihnachtszeit recht windig ist:
Ist's windig an den Weihnachtstagen,
Werden die Bäume viel Flüchte tragen.
Ist um Weihnacht viel Wind,
Im nächsten Jahr alle Bäume fruchtbar sind.
Stürmt es zur Weihnachtszeit,
Ist viel Obst bereit.
Meteorologisch sind diese Regeln kaum zu erklären, denn die Fruchtbarkeit der Bäume hängt doch nicht vom Wind in der Weihnachtszeit sondern, abgesehen von der gehörigen Pflege, doch wesentlich vom normalen Ablauf der Witterung in den verschiedenen Jahreszeiten ab. Hinter diesen Sprüchen steht der Seelenglaube der alten Germanen. Sie glaubten an das Fortleben der Seelen der Verstorbenen und sahen deren Lebensäußerung im Wehen des Windes, im Rauschen der Blätter, in der Bewegung der Zweige. Am liebsten dachten sie die Seelen auf den Bäumen wohnend, weil eben die Äste selten still stehen. Wenn dann in den längsten Nächsten des Winters, also um die Weihnachtszeit, die Geister ihre Umzüge hielten, die Perchta oder Stampa mit ihrem Totengefolge vorbeizog, galt es die Geister durch Spenden und Opfer günstig zu stimmen. Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden in manchem unserer Nebentäler die Stampanudeln gekocht und im Unterinntal geht vielleicht heute noch mancher Bauer in der Heiligen Nacht in den Baumgarten, klopft an die Bäume und sagt:
Bam, steht auf und tragt,
Heut ist die Heilige Nacht.
Wenn es dann in den Bäumen rauscht und wenn der Wind recht durch die Äste fährt, gilt dies als Lebenszeichen helfender Geister und damit als Vorbedeutung einer ertragreichen Obsternte.
Die hochheilige Weihnachtszeit gibt den Menschen so reich und viel; kein Wunder, dass etwas von ihrem Schimmer auch noch auf die Wetterbeobachtung fällt.
Quelle: Hermann Mang, Weihnachten im Wetterspruch, in: Der Schlern, Monatschrift für Heimatkunde, 6. Jahrgang, 1925, S. 381 - 383.
Wolfgang (SAGEN.at)
Die Alten in längst vergangenen Jahrhunderten haben sich die Ereignisse nicht nach dem Kalendertag gemerkt, ganz einfach deshalb, weil sie keine gedruckten Kalender hatten und weil nur die wenigsten lesen konnten. Sie brachten bedeutende Geschehnisse in Verbindung mit wichtigen Tagen des kirchlichen Festkreises oder des wirtschaftlichen Lebens und hielten sie so in der Erinnerung fest.
Sie sagten z. B. nicht: am 20. Jänner sondern: am Sebastianitag, und nicht: am 30. September sondern: am Tag nach Michäli: es findet sich aber auch als Zeitbestimmung: zwei Tage nach dem Stegener Markt oder bei allgemeiner Angabe: im Bau, d. h. in der Saatzeit. Jahrhundertelang, nachdem Kalender und Lesekunst schon verbreitet waren, ging die alte Zeitbestimmungsart weiter, heute noch ist sie in Stadt und Land vielfach im Brauch und in den Volkssprüchen, in denen sich die Erfahrung und Weisheit der Alten kristallisiert hat, kommt nur sie zur Anwendung.
Auch die mit ziemlicher Regelmäßigkeit wiederlehrenden Erscheinungen der Witterung hat das Volk mit Heiligentagen verknüpft und so tauchen anscheinend zahlreiche Wetterheilige auf.
Das ist aber ein Missverständnis, das nur herauskommt aus der Unkenntnis über die Zeitberechnung der Alten. Das Volk kennt eigentlich unter den Heiligen nur ganz wenige „Wetterherren", die vielen Heiligen, die außerdem noch mit dem Wetter in Verbindung gebracht werden, bedeuten nur Merktage. Je höher der Festtag, umso höher auch seine Bedeutung als Merktag und darum gruppiert sich auch um Weihnacht eine große Anzahl von Wetterregeln. Die Weihnachtszeit birgt ja eines unserer höchsten Feste und wurde auch schon in vorchristlichen Jahrhunderten als heilig gefeiert. Nicht zwar als Wintersonnenwende, wie man es in manchen Festreden bei Christbaumfeiern oder auch in vielen Weihnachtsaufsätzen vernehmen kann. Die germanische Feier der Wintersonnenwende um Weihnacht ist eine politische Fabel ohne wissenschaftlichen Hintergrund.
Man braucht nur eine neuere germanische Mythologie oder eine Volkskunde herzunehmen, da wird die Sonnwendfeier um Weihnacht überall abgelehnt.
Die alten Germanen feierten unsere Weihnachtszeit als heilige Zeit nicht wegen der Sonnenwende, sondern wegen der Umzüge der Geister der Verstorbenen, die in den langen Nächten des Tiefwinters stattfanden.
Und gerade unzählige Bräuche und Meinungen, die sich auch in unserm Land unter dem Volk aus Urväterzeiten erhalten haben, wie Perchtenglauben, Bleigießen und ähnliche Mittel, um die Zukunft zu erfragen, dann die Zwölfnächte und das Räuchern, weisen auf den alten Totenkult hin, verraten wohl heiligen Schauer und bange Furcht, aber nirgends freudige Sonnenwendstimmung.
Im Folgenden seien einige wenige Wettersprüche aus vielen angeführt.
Um Weihnacht ist im normalen Jahr Vollwinter. Ist aber das Wetter um diese Zeit nicht winterlich, dann lässt sich auch lein richtiger Sommer erwarten und der Bauer hat darum nicht ohne Grund Sorge für die künftige Ernte:
Vor Weihnachten viel Wasser,
Nach Jakobi (25. Juli) kein Brot.
Einmal kommt der Winter ja doch jedes Jahr' tritt er nicht zu normaler Zeit ein, dann erscheint er später, aber dafür unerwünscht und schädlich!
Wintert's vor Weihnacht nicht,
wintert's danach.
Gelinde Weihnacht
Kaltes Jahr macht.
Ist Weihnacht lind,
Im Jänner die Kälte beginnt.
Wintert's in der Christnacht aufs Dach.
So wintert's im Frühjahr nach.
Grüne Weihnacht, weiße Ostern.
Weihnacht im Klee,
Ostern im Schnee.
Steckt die Krähe zu Weihnacht im Klee,
Sitzt sie um Ostern oft noch im Schnee.
Milde Weihnachtswitterung bringt nicht bloß späte Kälte und schlechtes
Frühjahr und schmale Ernte, sondern ist auch der Gesundheit gefährlich:
Grüne Weihnacht, fetter Kirchhof.
Wenn die Leute in der Christnacht zur Mette gehen, wollen sie eine sternenhelle Nacht, nicht bloß damit sie den Weg leichter finden und auf den eisigen, steilen Hängen nicht zu Fall kommen, sondern weil sie sonst für die Ernte Sorge haben:
Finstere Metten, lichte Städel.
Ist aber die Winterkälte um Weihnacht bissig und grimmig, dass die Sterne am Himmel in der eiskalten Luft funkeln und die Eiskristalle am Wege glitzern, dann ist der Bauer zufrieden, weil er auch einen heißen Sommer und eine gute Ernte erwarten kann:
Ist's in der Heiligen Nacht hell und klar,
So gibt's ein segensreiches Jahr.
Weihnachten klar,
Ein gutes Weinjahr.
Helle Christnacht, finstere Stadel, d. h. dichtbesetzte, heugefüllte Scheunen.
Christtag klar.
Ein gutes Jahr.
Ist Weihnacht richtig kalt, dann kommt auch das Frühjahr mit allen seinen Freuden und Schönheiten zur rechten Zeit:
Weihnachten im Schnee,
Ostern im Klee.
Hängt zu Weihnacht Eis an den Weiden,
Kannst du zu Ostern Palmen schneiden.
Sind zu Weihnacht die Bäume weiß von Schnee,
Sind sie um Ostern weiß von Blüten.
Wenn es um Weihnacht bloß wenig kalt ist und erst gar noch regnet, dann sind die Ernteaussichten noch schlechter:
Weihnacht feucht und nass,
Leere Speicher und Fass.
Wenn es um Weihnacht viel regnet,
Dann schneit es im Märzen und macht teuer Futter.
Freilich ganz bleibt um diese Zeit das nasse Wetter nie aus, nach großer Kälte tritt immer ein Rückschlag ein und das „Glatsch um Weihnacht" ist nicht umsonst sprichwörtlich.
In allerhand Wendungen kehrt die Meinung wieder, dass eine reiche Obsternte zu erhoffen sei, wenn die Weihnachtszeit recht windig ist:
Ist's windig an den Weihnachtstagen,
Werden die Bäume viel Flüchte tragen.
Ist um Weihnacht viel Wind,
Im nächsten Jahr alle Bäume fruchtbar sind.
Stürmt es zur Weihnachtszeit,
Ist viel Obst bereit.
Meteorologisch sind diese Regeln kaum zu erklären, denn die Fruchtbarkeit der Bäume hängt doch nicht vom Wind in der Weihnachtszeit sondern, abgesehen von der gehörigen Pflege, doch wesentlich vom normalen Ablauf der Witterung in den verschiedenen Jahreszeiten ab. Hinter diesen Sprüchen steht der Seelenglaube der alten Germanen. Sie glaubten an das Fortleben der Seelen der Verstorbenen und sahen deren Lebensäußerung im Wehen des Windes, im Rauschen der Blätter, in der Bewegung der Zweige. Am liebsten dachten sie die Seelen auf den Bäumen wohnend, weil eben die Äste selten still stehen. Wenn dann in den längsten Nächsten des Winters, also um die Weihnachtszeit, die Geister ihre Umzüge hielten, die Perchta oder Stampa mit ihrem Totengefolge vorbeizog, galt es die Geister durch Spenden und Opfer günstig zu stimmen. Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden in manchem unserer Nebentäler die Stampanudeln gekocht und im Unterinntal geht vielleicht heute noch mancher Bauer in der Heiligen Nacht in den Baumgarten, klopft an die Bäume und sagt:
Bam, steht auf und tragt,
Heut ist die Heilige Nacht.
Wenn es dann in den Bäumen rauscht und wenn der Wind recht durch die Äste fährt, gilt dies als Lebenszeichen helfender Geister und damit als Vorbedeutung einer ertragreichen Obsternte.
Die hochheilige Weihnachtszeit gibt den Menschen so reich und viel; kein Wunder, dass etwas von ihrem Schimmer auch noch auf die Wetterbeobachtung fällt.
Quelle: Hermann Mang, Weihnachten im Wetterspruch, in: Der Schlern, Monatschrift für Heimatkunde, 6. Jahrgang, 1925, S. 381 - 383.
Wolfgang (SAGEN.at)