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Was ist der unterschied zwischen Anekdote und Sage ?

LS68

Member
Ich habe in einem Sagenbuch über die Stadt Essen folgendes gelesen.

Die Firma Krupp baute sich selber einen Gesenkschmiedehammer mit 64 Tonnen Schlagkraft. kurz darauf besichtigte Kaiser Wilhelm II das Werk.
Zur vorführung der schlagkraft wurde das publikum um eine Taschenuhr gebeten. keiner meldete sich und so gab der Kaiser seine goldene mit Diamanten besetzte Uhr. Es wurde still in der Halle und der Kaiser wurde bleich, als man die Uhr auf den Amboss legte. Der Hammer fuhr mit 64 Tonnen herrab und bremste auf der eingestelten höhe, kurz über der Uhr ab. Der Kaiser schenkte danach die Uhr dem Erbauer / Vorführer dieses Hammers.
Die firma Krupp erhielt viele Rüstungsaufträge.

Meiner Ansicht nach handelt es sich um eine Anekdote
 
Das ist eine sehr scharfsinnige Beobachtung von Dir, allerdings auch nicht ganz einfach zu beantworten!

Grundsätzlich muss man festhalten, dass die Einteilungen Sage, Märchen, Anekdote, Schwank, Witz, Memorat etc. eigentlich von der Wissenschaft in den letzten 200 Jahren mit unzähligen Definitionen vorgenommen wurden. Der Realität des Erzählens sind diese Definitionen natürlich völlig egal.

Ich persönlich würde auch lieber von Erzählungen, Erzählforschung und Erzählphänomenen sprechen, als eine Sage nach wissenschaftlichen Kriterien einem bestimmten Typus zuzuordnen.

Um noch etwas auszuholen: Leider ist allgemein der Irrtum verbreitet, dass unter "Sage" eine unwahre Erzählung gemeint sei. Das ist völlig falsch!
An dieser Stelle ganz kurz und knapp gesagt, versteht man unter Sage ein bemerkenswertes und zum Erzählen wichtiges Ereignis. Dabei ist der Wahrheitsgehalt nicht relevant, sondern vielmehr der Mechanismus des Erzählens. Hinweis nochmals: das ist eine ultrakurze Definition, das müsste ausführlicher erklärt werden.

Die von Dir geschilderte Anekdote ist also daher unter "Sagen" zu finden, da sie die gleichen Mechanismen als Erzählphänomen wie eine Volkssage mitbringt.
Und die Sagenbücher vor allem aus den urbanen Räumen bestehen zu einem Gutteil aus Anekdoten. Genauso wie die Sagenbücher aus den ländlichen Räumen zu einem Gutteil aus wahren Erzählungen mit einer gewissen historischen Unschärfe bestehen.

Zusammenfassend gesagt, sind alle Erzählungen, seien es Anekdoten, Sagen oder auch mündliche Tatsachenberichte, die sich in einer Region über viele Generationen erhalten, bemerkenswerte und auch von der Wissenschaft der Volkskunde/Europäischen Ethnologie aus beachtenswerte Erzählphänomene.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Die Sage
hat das Besondere, daß sie an etwas Bekanntem und Bewußtem hafte, an einem Ort oder einem durch die Geschichte gesicherten Namen. Aus dieser
Gebundenheit folgt, daß sie nicht überall zu Hause sein könne, sondern
irgendeine Bedingung voraussetze, ohne welche sie bald gar nicht da, bald nur
unvollkommener vorhanden sein würde.
Aus dem Vorwort der Brüder Grimm zu den Deutschen Sagen

Viele Grüße von Ulrike
 
Anekdote
aus dem griech. an-ekdoton: nicht herausgegeben
eigentl. etwas aus Gründen der Diskretion o.ä. noch nicht schriftl.
Veröffentlichtes, also mündl. Überlieferung. Anekdota des Prokopius,
500 - 562 , bisher verschwiegene Geheimgeschichten aus dem
Privatleben des Justinians. Heute: kurze, schmucklose, oft in einem
heiteren Ausspruch gipfelnde Erzählung zur scharfen Charakterisierung
einer hist. Persönlichkeit. ... Aus: Sachwörterbuch der Literatut; Kröner

Viele Grüße von Ulrike
 
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