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U-Verlagerung "Zitteraal"

manni

Member
Westlich von Innsbruck, am Beginn des Ötztales, befinden sich die Überreste eines in den letzten Jahren des zweiten Weltkriegs teils an der Oberfläche und teils unterirdisch errichteten Anlagenkomplexes mit dem Decknamen "Zitteraal".

Am 12. November habe ich mit drei weiteren Leuten diese Anlage besucht, davon will ich euch einige Bilder zeigen.

Nahe des südseitigen Eingangs zum Haupttunnel finden sich an der Oberfläche zahlreiche Relikte, wie z.B. dieses Stahlgerüst:

In dessen Nähe befindet sich ein mit Geschiebe bis zur Unkenntlichkeit zugedeckter, mindestens 5 Meter tiefer Einlauf, der immer noch Wasser aufnimmt. Hier der Blick in die Tiefe, leider unscharf:

Diese Vorrichtung wurde vermutlich beim Einlauf mittels eines Greifarmes bewegt:

Ein Teil der Vorrichtung:

Unter diesen Felsbrocken und Betonteilen scheint sich ein offensichtlich verschütteter Stolleneingang zu befinden:

Ein Bauwerksrest mit unbekanntem Zweck:

Nun sind wir auf der gegenüberliegenden Seite des Baches. Dort findet sich unter anderem dieses Bauwerk, das zu einer sehr großen Materialseilbahn gehört haben muss:

Flussabwärts davon scheint eine massive Rohrleitung durch den Wald verlaufen zu sein, die an dieser Stelle gesprengt worden sein dürfte:

Nun gehen wir von Süden her in den Hauptstollen. Blick von innen zum südseitigen Eingang hin:

Auch altes Gerät findet sich dort noch:

An zwei Stellen wurde in dem schnurgeraden Hauptstollen mit dem Bau von kreisrunden, einem U-Bahn-Schacht ähnlichen Betonauskleidungen begonnen. Dieses Stück scheint fertiggestellt worden zu sein:
IMG_5248.jpg

Dieses hingegen nicht, es fehlt die innere Verkleidung:

Hier blicken wir den sehr steilen Schrägstollen zum Inn hinunter, durch den das Wasser abgelassen werden hätte sollen:

Der Schrägstollen, hier rechts im Bild, beginnt an einem Knoten, von dem insgesamt vier Tunnels abgehen:

Jetzt sind wir in Süd-Nord-Richtung komplett durch. Einer der nordseitigen Zugänge:

Der Verbindungstunnel zum "großen Schrägstollen":

Dieses Betonbauwerk sollte wohl Maschinen aufnehmen:

Dieser Schrägstollen mit sehr großem Durchmesser führt etwa 200 m weit nach unten. Zweck unbekannt, die ganze Anlage lässt aber an einen Schrägaufzug denken.

Ein Blindtunnel:

An dieser Stelle geht ein sehr voluminöser Schacht, am ersten Bild oben rechts, etwa 30 bis 40 Meter weit nach oben:

Ein weiterer Knoten, von dem drei Tunnels abgehen. An dieser Stelle ist der Untergrund grob sandig und von kleinen Bächen durchzogen, wir haben diese Halle deshalb "Strandbar" getauft:

An der hier gemauerten Decke des Haupttunnels bilden sich Kalkstalagmiten:

Wie am Graffiti zu sehen ist, verirren sich hierher doch öfter auch Leute, die nicht unbedingt technisch oder geschichtlich interessiert sind:

Im Haupttunnel verlief auch eine Feldbahn mit 760 mm Spurweite, Gleisreise gibt es an einer Stelle, Betonschwellen ziehen sich etwa durch die Hälfte des Haupttunnels. Da die Bahn zahlreiche Ausweichen hatte, muss der Verkehr ziemlich rege gewesen sein.

Hier sind wir schließlich wieder am Nordportal, das mit dieser nicht sehr vertrauenserweckenden Holzkonstruktion abgestützt ist:

Ich habe nicht jeden Abschnitt fotografisch dokumentiert - im Haupttunnel muss man stellenweise über große Steinbrocken klettern und es gibt Abschnitte, in denen bis zu knietiefes Wasser steht. Wer die Tunnelanlagen von "Zitteraal" begehen möchte, sollte sich also schon entsprechend darauf vorbereiten, Spaziergang ist es keiner, aber trotzdem äußerst interessant. Ein weiterer Besuch ist bereits in Planung, da wir beim ersten Besuch aufgrund der Dimensionen des Anlagenkomplexes vieles noch gar nicht gesehen haben.
 
Hallo Manni,

ich danke Dir sehr für diesen beeindruckenden Fotobericht!
Es handelt sich hier um einen sehr bedeutenden Ort für die Zeitgeschichte in Tirol - über den leider so gut wie nichts öffentlich bekannt ist.

Ich bin auch einmal nach Ötztal-Bahnhof gefahren um mir die Gegebenheiten und Zeugnisse anzusehen:


Obwohl wir den ganzen Tag die ganze Nord und Nord-West-Seite des Amberges abgegangen sind, konnten wir leider nicht so viel entdecken.

Das Gelände des ehemaligen Zwangsarbeiter-Lagers sowie des Windkanals ist heute eine Deponiefläche. Besonders bedauerlich finde ich, dass sich bis heute keine Gedenktafel an diesem Ort befindet.

Aufgefallen ist mir, dass fast der ganze Berg mit offenkundig händisch geschlichteten Steinen belegt ist. Es dürfte sich dabei um Aushubmaterial aus den Bergwerken/Tunnelbauwerken zum Windkanal handeln. Warum die Steine aber so fein säuberlich auf dem Berg geschlichtet sind, ist mir ein Rätsel?

Ich werde nun in meinem Archiv meine Fotos heraussuchen, dauert halt ein wenig.

Übrigens - hast Du die rosarote Eisenbahnbrücke fotografiert? Die habe ich leider vergessen zu fotografieren...

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Hallo Manni,

Es handelt sich hier um einen sehr bedeutenden Ort für die Zeitgeschichte in Tirol - über den leider so gut wie nichts öffentlich bekannt ist.

Das stimmt so nicht ganz, es gibt sehr wohl einige Leute die sich um die Geschichte der Anlage kümmern (nein nicht ich, auch wenn meine historikerketzerische Wenigkeit auf obigen Bildern zu sehen ist :-) ).
Unter anderem wurde das Stollensystem kürzlich durchaus aufwändig und fachmännisch vermessen...hoffentlich von Leuten aus der Region...


Denn es existeiert sehr wohl eine Art informeller Ethikkanon, welcher besagt daß nichtevidente Exporationen medial nicht ausgeschlachtet werden, daß man nicht zur Fernsehen etc. läuft...
Und daran haben sich bzgl. Zitteraal anscheinend beisweilen eigentlich alle gehalten...



Weil dem bisweilen so war, gibt es vielleicht keine Gedenktafel.
Weil dem bisweilen so war, kann der Interessierte(!) jedoch auch noch Anno 2011 selbst alle Anlagenteile besichtigen. Das bisher sich selbst überlassene schauerliche Ambiente geht wesentlich mehr unter die Haut und regt tiefer zum Nachdenken an, als jegliche noch so schön gestaltete bronzene Gedenktafel aus Grassmayrischer Giesskunst...

Stellt sich da jemand wieder dicke in die Medien, gibts vielleicht eine Genktafel und Landesgelder und und und.
Nur wäre dann das Ding zu und richtig feste vergittert, denn der Aufwand das Ganze einer Allgemeinheit zugänglich zu machen, würde Millionen verschlingen...
Zudem wäre das dannn eine lustig bequeme schauerliche Linzer Grottenbahn - ohne Bahn...falls es dann überhaupt noch jemand interessiert...

Also hoffe ich mal dass sich am Zitteraal weiterhin Zurückhaltgung und Weisheit behaupten können...

NB1: Manni, der Schrägschacht nach Oben mag ein Wasserschloss gewesen sein...am Kreuzungspunkt "Strandbar" hätte ein Schieber Sinn gemacht. Der Stollen "Schrägaufzug" hätte so denke ich die talwärtige Druckleitung mit grossem Durchmesser aufgenommen, der andere kleine mit den Schienen drauf war ja schon da ...

Der grosse Druchmesser der Druckleitung war wohl das, was diese Tunnelanlage von "normalen" Wasserkraftwerken der damaligen Zeit unterschied... diese Konfiguration ermöglichte es für kurze Zeit sehr grosse Wassermassen mit grossen Druck dem Direktantrieb der Windturbinen zuzuführen...
Das damals noch nicht erbaute Staubecken am Tunneleinlass hätte als Zwischenspeicher gedient....

NB2: Ich denke dass hier die Bezeichung "U-Verlagerung" nicht treffend ist, denn im Berg befinden sich so wie ich das sehe nur jene Zuleitungssysteme, die bei Kraftwerken generell unter der Erde zu finden sind. Staumauer und insbesondere die markante Windkanalanlage wären ja leicht angreifbare Luftziele im Freien gewesen...
 
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