Sehr interessant zum Thema "Spinnen" erscheinen mir auch die volkskundlichen Untersuchungen, die
Hermann Wopfner in seinem "Bergbauernbuch" (Band1, S. 357 ff.) veröffentlicht hat.
Wopfner spricht von bäuerlichem Hausgewerbe und Hausindustrie. Dabei sind in den Alpen bestimmte Handwerke in einzelnen Landschaften besonders stark vertreten. In übervölkerten Landschaften, so besonders in Westtirol, waren viele bäuerliche Menschen lange auf Verdienst im Hausgewerbe, namentlich durch Spinnen und Weben, bedacht.
Ein bemerkenswertes Phänomen sind dann neue Großunternehmen, sog. "Manufakturen", die diese hausgewerblichen Arbeitskräfte zusammenfassen und die Arbeitsweise verbesserten. Ein Großunternehmen dieser Art war die Fabrik für Leinen und Baumwollwaren, welche von der Gesellschaft der Strehlischen Brüdern und Vettern zu Imst 1747 gebildet worden war. Unter dieser "Fabrik" darf man sich freilich nicht eine Fabrik im heutigen Sinn vorstellen, sondern in der Strehlischen Fabrik zu Imst arbeiteten mehrere Weber, Färber und Drucker nebeneinander und zwar durchwegs in handwerkmäßiger Technik. Das Unternehmen hat dennoch Waren im großen hergestellt, indem es eine große Zahl von bäuerlichen Spinnern und Webern daheim in deren Häusern den Flachs und die Baumwolle spinnen und weben ließ; das Unternehmen lieferte als Verleger der zu erzeugenden Waren den Flachs und die Baumwolle und entlohnte die Heimarbeit. Die Leiter des Unternehmens bestellten an verschiedenen Orten, wo sie arbeiten ließen, auf ihre Kosten Spinnmeisterinnen, welche die bäuerlichen Heimarbeiter (Männer, Frauen, Kinder) im Spinnen unterrichteten. Auf diese Weise war die Arbeit verbessert und das Unternehmen erreichte einen guten Absatz. Die von den Heimarbeitern gelieferte Ware, Gespinste und Gewebe, wurde in der Fabrik in Imst zugerichtet (appretiert), gefärbt und bedruckt und dann in den Handel gebracht.
Schon zwei Jahre nach seiner Gründung soll das Unternehmen 628 Spinner und Spinnerinnen sowie 44 Weber beschäftigt haben. In den Siebzigerjahren des 18. Jahrhunderts waren bereits an die 2247 Leute, zumeist Heimarbeiter, für das Unternehmen tätig. (= jeder zehnte der Region). Im Jahr 1791 war die Zahl der Beschäftigten auf 8000 in 4106 Familien angewachsen und erzeugte Gewebe in einem Ausmaß von annähernd 200.000 Ellen (= 156.000 Meter).
Der Krieg 1809 in Tirol und die Dampfmaschine haben dieser und manche andere Hausindustrien beendet. (S. 369).
Wolfgang (
SAGEN.at)