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Sellrainer Wäscherinnen

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Das Sellrain ist ein Seitental zum Inntal in unmittelbarer Nähe zur Großstadt Innsbruck, Tirol, in den Alpen.
Das Sellraintal birgt trotz seiner Nähe zur Großstadt einige Besonderheiten, von denen die "Sellrainer Wäscherinnen" bis heute in der regionalen Erzähl- und Erinnerungskultur präsent sind:

Auf Grund des weichen Wassers im Sellrain wurde an etwa 60 Höfen in großen Waschküchen die Wäsche der Innsbrucker gewaschen. Nicht nur die reicheren Familien, die sich in Sellrain ihre Bettwäsche, Tischwäsche, Badetücher und Bekleidung waschen ließen - wer in einer Altstadtwohnung hauste, fünf, sechs Personen in zwei Räumen, ohne ein Recht, den Dachboden oder den Keller zu benützen, der hatte gar keine andere Wahl, als die Wäsche "auswärts" zu geben. Gebügelt hat man die Wäsche selber, die Sellrainer Wäsch' kam nur ordentlich zusammengelegt an.

Gewaschen wurde in den Waschhütten bei den Häusern, also mit Quellwasser, die Kinder hatten die zur Bleiche ausgelegte Wäsche regelmäßig mit der Gießkanne zu besprühen. Die Wäsche war in einem Pack beinander, zudem waren die Leintücher etc durch etwa einen blauen Stern, zwei gelbe Fäden etc. markiert.

Das Geld war für die Bauern des Sellrain die einzige wirklich regelmäßige Geldeinnahme.

Die Männer übernahmen die Zustellung und Abholung der Wäsche in Innsbruck und sie haben das Holz für die Beheizung der Waschkessel bereitgestellt.

Die Wäscherei war sonst reine Frauensache, im Winter ganz besonders hart und schädigte die Gesundheit der Frauen nicht selten dauerhaft.

Ab etwa 1966 verdrängten Waschmaschinen den Erwerb der Sellrainer Wäscherinnen. Bis heute pendeln rund tausend Personen täglich aus Erwerbsgründen.
(zitiert nach: Winfried Hofinger, Die Sellrainer Wäsch', in: Innsbruck Informiert, Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Mai 2008, S. 21)


Wer kennt vergleichbare Wäschereien in anderen Regionen?

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Solche Wäschereien sind mir nicht bekannt.
Aber in den Lebenserinnerungen meiner Mutter findet sich auch die Schilderung eines Waschtages auf einem Pinzgauer Bergbauernhof.
Noch bis in die frühen 50er Jahre dürfte es so abgelaufen sein:

Ein Waschtag​

Der war immer sehr aufregend und es gab immer viel Wäsche, die sich in 2 Monaten begreiflicherweise angesammelt hatte.
Schon um 3 Uhr morgens begann für Tante Regina die Arbeit. Sie heizte in der Waschhütte, die etwas entfernt vom Haus stand, den großen Kessel mit der Aschenlauge. Schon am Vortag hatten wir die Wäsche in 2 große, ovale Holzbottiche gelegt und eingeweicht. Nun wurde das Wasser abgelassen. Die heiße Aschenlauge wurde abgeseiht und über die Wäsche geschüttet. Dieser Vorgang wiederholte sich dreimal.
Dann wurde die schwere Leinenwäsche mittels „Holzbloi“ geschlagen, wieder in den Bottich gepackt und mit reinem heißen Wasser übergossen.
Buntwäsche wurde Stück für Stück gebürstet oder gerumpelt. Mit den Herren= hemden und der Unterwäsche ging man besonders vorsichtig um. Wollsachen und Socken wurden nur mit der Hand mit „Schicht-Seife“ gewaschen,
Das Schwemmen im kalten Wasser war besonders zur Winterszeit hart und beim Auswringen der großen Stücke taten die Hände sehr weh.
Meistens vergingen 2 Tage bis die Wäsche auf der Stange hing.
Lustig war es manchmal auch, wenn die Großmutter ein wenig Schnaps in den Jausentee mischte …
 
Interessante Berichte! Auch ich erinnere mich an "Großwaschtage" in meiner
Kindheit. Ein großer Waschkessel (Kupfer(!) in einem Steinring(ofen)) wurde
angehiezt. Dort kochten die Frauen die Wäsche. 2 Stein (Beton)-Bottiche
zum Nachspülen. Mit großen Holzzangen wurde die Wäsche bewegt und
weiter"befördert". Der Clou war eine Wringmaschine. Schwer war es trotzdem,
die großen Teile dort hineinzugeben. Das aufgefangene Wasser wurde noch genutzt. Zum Einweichen, Putzen u.a. Es standen noch etliche "Sonder"gefäße
herum, große und kleine Zinkkbadewannen (in der Waschküche wurde auch
gebadet, Wasser aus dem Waschkessel mittels "scheppen" in die Wanne, in
dem benutzten Wasser später evtl. noch Arbeitskleidung eingeweicht). Es
mußte sparsam gewirtschaftet werden. Baden nicht so häufig, im Winter
fror das kalte Wasser in der Schüssel, auf dem Ofen wurde ein Kessel heiß
gemacht, eine Portion reichte für die morgendliche "Katzentoilette". Auch die
Haare wusch man nicht so häufig. Übrigens hatte ich nie Kopfläuse, während
diese heuer wieder sehr verbreitet sind (Kindergärten und Schulen). Nun
schweife ich wieder ab: weiter zum Waschen. Bleiche (Rasen) gab es auch,
viele Wäscheleinen zogen sich an Stangen durch den ganzen Garten. Bügeln
war auch eine "Heiden"arbeit. Eine Tante (Schneiderin) wendete für die
Männer die Kragen und setzte neue "Hinterteile" an. Alles wurde verwertet.
Aus Stoffresten gab es nicht nur Putzlappen! Selbstgestrickte Socken hingen
im Winter (erst draußen durchgefroren) über die Ofenklappen. Ich half schon
mit einem kleinen Bügeleisen (wurde einfach auf den Ofen gestellt zum
erhitzen) z.B. Taschentücher bügeln. Oft hatte ich eine Brandblase! Da die
Temperatur nicht zu regeln war mußte auch aufgepaßt werden, daß die
Wäsche keine Brandflecke bekam. Bald gab es aber neue elektrische Eisen! -
Zu Essen gab es einen vorgekochten Eintopf, denn wenn die Frauen so
schufteten, blieb nicht noch viel Zeit für aufwendige Kocharbeiten. -
All dies ist lange her (ca. 50 Jahre). Wenn ich so erzähle glauben
manchmal Zuhörer, so etwas hätte vor dem 2. Weltkrieg stattgefunden!
Wir hatten übrigens schon fließend Kaltwasser ,Toiletten und Waschküche
im Haus - was noch nicht die Regel war! Die erste Waschmaschine (mit
Drehkreuz "Quirl") war doch eine Sensation, den Kupferkessel bekam der
"Klüngelskerl" für einige Pfennige, wenn ich denke, was dieser heuer wert
wäre. Nun aber genug der Nostalgie! - Viele Grüße von Ulrike
 
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