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Der Saltner im Burggrafenamt.
Von Matthias Ladurner-Partanes, Meran.
Über dessen Bräuche, Pflichten und Rechte ist schon viel geschrieben worden. Leider diente der Stoff aber manchem Schriftsteller bloß zur effektvollen Ausschmückung seiner Erzählungen. Die geringe Sachkenntnis und oft unzulänglich ermittelte Daten ergaben falsche Begriffe und so wurde denn das Ergebnis notwendig nur zu oft ein Zerrbild willkürlicher Phantasie. Das gab mir Anlass, den wirklichen Tatsachen entsprechendes Material zu sammeln, um die oft ganz falschen Meinungen der Wirklichkeit näher zu bringen und unseren Saltner und die mit ihm verbundenen Bräuche in einer wahren unverfälschten Art wenigstens geschichtlich zu erhalten: zunächst aber zur Erhaltung dieser Eigenart unseres Landes anzuregen. Selbst mit den meisten dieser Bräuche vertraut — da ich ja unmittelbar im Rahmen hiesiger bäuerlicher Verhältnisse stehe — ist mir das im Laufe der Zeit geradezu Bedürfnis geworden. Die Bedeutung des Wortes „Saltner" suchte v. Alpenburg im mittelhochdeutschen „felten" und zwar in Beziehung auf die seltsame und wunderliche Gestalt und Erscheinung dieser Wächter. Spricht doch — wie er meint — der Tiroler auch Galtvieh statt Geltvieh. Eine maßgebende Worterforschung hierüber würde Sache der Sprachgelehrten sein. Doch scheint mir die Annahme A. Tille's der Wahrheit zu entsprechen. Dieser schreibt von einem saltarius, der wie ein scudaius und decanus in langobardischen Quellen Erwähnung findet und zweifellos im spätlateinischen saltuarius zusammengezogen ist; dessen Amt etwa dem des Waldaufsehers oder Försters gleich zu achten war: von saltus - das waldige Gebirge. Dessen Bezeichnung ist es wahrscheinlich, die noch heute im Feldhüter, dem Saltner nachklingt. Im Laufe der Zeit hat das Wort ortsüblichen Charakter bekommen und mir verstehen heute unter Saltner den im Herbste von den Inhabern bestimmter Flurbezirke angestellten Wächter zum Schutze der Früchte, besonders des Weines.
Den Fremden, die im Herbste Meran besuchten, war der Saltner in seiner Tracht immer eine merkwürdige Erscheinung. Vor allem kennzeichnete ihn der Federhut, welcher seiner Gestalt ein wildes Aussehen verlieh. Die Krempe eines alten, weiten Burggräflerhutes wurde an beiden Seiten aufgestülpt und dieser mit Federn aller Art und aller Farben besteckt. Den Abschluss bildete nicht selten der Kopf und das Gebiss eines Dachses oder eines Marders: oft war statt dessen auch ein aus Messingblech gestanzter Adler oder ähnliches angebracht. Ferner hingen rückwärts am Hut Eichhörnchenbälge und je ein Fuchsschwanz baumelte von den seitlichen Ecken der Hutkrempe über die Schultern herab und umrahmte das bärtige Gesicht des Saltners. Denn er durfte sich — um sein Aussehen erschreckender zu gestalten — während seiner Dienstzeit den Bart nicht abnehmen lassen. Er musste sich überhaupt so ausschließlich seinem Dienste widmen, dass er nicht einmal die Kirche zu besuchen brauchte.
In letzter Zeit wurden diese aufgeputzten Hüte nur mehr an Sonn- und Festtagen getragen und der Saltner hatte an gewöhnlichen Werktagen bloß seinen neuzeitlichen Burggräflerhut auf, der rückwärts einen Spielhahnschweif und einige Hahnenfedern hatte. Sonst trug er die zur Burggräflertracht gehörenden kurzen Lederhosen mit den ledernen Hosenträgern, weiße „Schwänzstrümpfe" (Strümpfe ohne Vorfuss), niedere Riemschuhe (das sind die sogenannten Schnalserschuhe), kurze Ledergamaschen, das Leibl (Weste), die „Bind" (breiter, mit Pfauenkiel bestickter Ledergurt) und endlich statt des sonst zur Tracht gehörenden „Hemmet" (Rock) mit den roten Aufschlägen, den Lederrock. An diesen werden bis hinter die Ellenbogen reichende Ledermanschetten mittelst Riemen an den kurzen Ärmelansätzen angebracht. Auf der Brust war eine metallene Kette drei bis viermal in Bögen von einer Rockseite zur anderen geführt. An dieser hingen: Eberzähne, Muscheln, ein oder zwei Gebisse von Nagetieren, ein Pfennig und ein Signalpfeifchen. Das war die sogenannte Saltnerkette. Sie hatte wegen ihres fortwährenden Geklappers beim Gehen nur den Zweck, ähnlich wie der Hut, ein Schmuck- oder besser Schreckstück der Bekleidung zu bilden.
Das Werben um die Saltnerstelle, genannt das „Saltnersetzen", wie es noch immer bezeichnet wird, wurde sehr verschieden vorgenommen. In jeder Gemeinde oder Fraktion hielt man sich an den gegebenen örtlichen Brauch. Erwähnung verdient nachstehender Auszug aus dem Algunder Dorfrecht vom Jahre 1648:
„... An sanct Jakobis tag pflegt man die fünf saltner allda, als bei S. Erharti, Völmau, Laussenberg, Greiz - und Miter - Plärsch deren hueten zu ersezen, doch in albeg ledige und unverdächtige, sondern so vil miglich, taugenliche Personen, so durch die anwesenden herren und huetsverwanten durch aines dorfmaisters ordenlicher volgender unfrag die stimben, doch das si zur herrschaften und gemainen nuzen albeg beschechen solle, ergeen. Da ir zween gleiche stimben heten, so sollen selbige zwai das los ziechen. Man soll auch ainen über vier oder fünf jar nit hierzue befriden, auf das man in der gmainschaft etwa desto bösser dienstknecht haben mige. . . ."
Oberwähnte fünf Huten (unter Hut versteht man einen dem Saltner zur Bewachung anvertrauten, genau begrenzten Bezirk) hat die Gemeinde Algund auch heute noch mit Saltnern zu besetzen. Als Bewerber für die Saltnerstelle kamen nur unbescholtene, ledige Personen in Betracht. Auch durfte derselbe im Revier kein Gut oder Pacht besitzen. Das erklärt sich damit, dass nicht etwa eigene Vorteile seinen Dienst beeinträchtigen können. Der Saltnerposten galt eben als eine Vertrauensstelle. — Der Saltnerkandidat bewarb sich beim Anwalt, d. i. Vorsteher und bei anderen größeren Bauern seiner Hut um die Saltnerstelle. In Mais waren die sogenannten „Huthöfe", deren jeweiliger Besitzer den Saltner für die betreffende Hut zu stellen hatte; selbstverständlich — wie überall — auf Kosten der gesamten Hut-Inhaber. An anderen Orten waren wieder die Hut-Inhaber verpflichtet, den Saltner zu setzen, und diese Verpflichtung wechselte von einem Hof zum andern in gleicher Reihenfolge. In Naturns wurde der Saltner in einer regelrechten Wahl von den Teilhabern gewählt.In Schönna bestanden die Huthöfe wie in Mais, doch hatte der Pfarrer für den Saltner, der die Hintere Hut hütet, die Wahl. Auch muss es früher vorgekommen sein, dass solche Huthöfe nicht immer einen Saltner stellen konnten, denn ein Auszug aus dem Dorfbuche von Schönna sagt:
„... ob sich gab, das ainer nit ainen knecht zu saltner fünde ze dingen, und selbs müsst hueten, und so es ist zu pauzeit, mag er wol heim geen, und seinen tam (Ackerland) ansaen aber nit pflug haben, sonst allweg bei der hut sein...."
Vielfach verpflichtete sich ein Bauernknecht schon bei seinem Einstand um Lichtmess für die Saltnerstelle im kommenden Herbst, sofern sein Dienstgeber dasselbe Jahr den Saltner zu stellen hatte. Für einen Knecht war es aber Vorbedingung, dass er wenigstens drei Jahre lang bei einem Bauern in Dienst gestanden sei. Auch musste er gewöhnlich für die Zeit seiner Hut dem Bauer einen Tagwerker stellen. Bewarb sich ein Bauernsohn um den Saltnerposten, so gab man diesem das Vorrecht, vorausgesetzt, dass er den Anforderungen, die man an einen Saltner stellte, entsprach. Traf es nun, dass ein und derselbe Saltner drei Jahre lang die gleiche Hut innehatte, so musste er bei der vierten Saltnersetzung zurückstehen, falls ein anderer mit entsprechenden Eigenschaften und Ansehen sich darum bewarb. Man sah wohl ein, dass ein solcher Wechsel schon zum Wohle der Hut notwendig war.
Am St. Annatag, 26. Juli (an manchen Orten auch am Lorenzitag, 10. August) musste der neue Saltner „anhalten", das heißt, er musste sich bei allen größeren Bauern seiner künftigen Hut vorstellen und fragen, ob er wohl für diensttauglich und für gut genug angesehen wird. Dieses Anhalten war also nur mehr eine Höflichkeitsform, die beim Dienstantritt des neuen Saltners üblich war, denn seine Anstellung hatte er ja bereits erhalten. Bei dieser Gelegenheit brachte er sein Anliegen dem Bauer gegenüber meist in sehr bescheidener, umschriebener Form, wie es dem Burggräfler schon von Natur aus gegeben ist, etwa mit folgenden Worten vor:
„Bauer, dorf i Enk no'r die Unewand derrennen?" Bekanntlich muss der Saltner, der sich auf einem öffentlichen, allgemein zugänglichen Fahrweg nicht sehen lassen darf, alle durch die Weinäcker führenden, für Fremde verbotenen Gehgelegenheiten benützen. Zu diesen gehören auch die sogenannten „Anewänd", das sind vier bis fünf Meter breite, freie Grundstreifen am Ende der Weinäcker, die hauptsächlich als Umkehrplatz für das Bauvieh (die bei der Bodenbearbeitung der Weinäcker verwendeten Zugtiere) bestimmt sind. Da aber auf diesen Grundstreifen infolge ihrer Bestimmung nicht viel Gras wachsen kann, so ist der Schaden vom „derrennen". welchen der neue Saltner meint, überhaupt nicht der Rede wert. Der Gefragte ließ sich das auch gern gefallen und wurde sotanes Übereinkommen mit einer halben Maß Rötel besiegelt, wogegen nun der neue Feldhirt nichts einzuwenden hatte. Bei diesem Anhalten trug der künftige Saltner sein Festtagsgewand, bestehend aus: kurzer Lederhose mit grünem Hosenträger, Sockstrümpfe, ausgeschnittene Schuhe, rotes Kreuzleibl, schwarzes Halstuch, Bind und weitem grünen Hut. An der linken Schlitztasche der Hose hing, ähnlich wie ein Wetzsteintumpf die „Greatl". Das war ein 20 bis 25 cm langes, vorn ein wenig gekrümmtes Messer, in dessen Klinge allerlei geheimnisvolle Zeichen eingeschlagen waren. Unter anderen bemerkte man das Drudenzeichen: dann Mond und Steine, wohl zum Zeichen, dass der Saltner zu allen Tageszeiten seinen Dienst versehen soll. Die Klinge stak in einer schön geformten metallbeschlagenen Lederscheide. Diese Greatl war ein Schmuckstück, das der Saltner nur beim Anhalten trug. Diese, sowie alle anderen Ausrüstungsgegenstände wurden an irgend einem Hofe der Hut verwahrt. Ob diese Schmuckwaffe nicht auch von dem einstigen Waldaufseher, dem saltuarius herrührt?
In Mais und Dorf Tirol wurde am Laurenzentag das Saltnermahl gehalten, zu welchem der Saltner einige Bauern seiner Hut einlud. Bei demselben wurden außer Braten, Brot und Wein, auch schon die ersten Frühtrauben kredenzt, welche an der Kiechelberglehne, in der Nähe der landesfürstlichen Burg so vortrefflich gediehen. Es sollte dies als besonderer Dank für die Erteilung dieses Ehrenpostens gelten: übrigens wurde der Saltner im Herbste für das gegebene Mahl von den Geladenen durch Abgabe von „Praschlet" (geerntete Weintrauben) entschädigt. — In Schönna wurde das Saltnermahl beim Ausstand gehalten. Zu erwähnen ist auch der Eid, den der Saltner bei seinem Einstand vor Gericht abzulegen hatte. Früher musste er:
„... ain dorfmeister an den stab loben und im versprechen und geloben bei seinen gueten treuen, an aines geschwornen aids stat, dass er menigelich ongeverlich treulich hiete ainetn als dem andern...."
Bevor der Saltner seinen Dienst antrat, waren verschiedene andere Vorbereitungen für dieselben zu erledigen. Er begann am 12. oder 13. August mit dem Zäunen. Dabei steckte er immer noch in seinem Alltagsgewand: nur zwei Hahnenfedern am Hut zeigten sein Amt an. Außerdem hatte er die sogenannte Saltnerrunkel (Bild 1), welche zum Abschneiden und Befördern der erforderlichen Zaundörner, sowie zum Aufstützen der von ihm in Ausbesserung genommenen schadhaften Holzbestandteile des Reb-„Pataunes" verwendet wurde. Es war eine an einem Stiel befestigte krumme Stahlklinge, die einen nach rückwärts gebogenen Haken hatte. — An öffentlichen Wegen, wo die Trauben allzu sehr der Naschhaftigkeit ausgesetzt waren, mag der Saltner oft brummend gesagt haben: „So leicht sollt's es nit haben, ös Schwänz!", während er die blauen, saftigen Früchte mit Dörnern verhängte. Am Eingang eines Weinackers wird an der oberen „Luckenranke" ein Büschel „Boasldörner" (Berberitzen) mit einem Brombeerdorngewind in Achterform festgebunden. Durch Äcker und Wiesen führende Gehwege und Steige werden gesperrt. Dies erfolgte in der Weise, dass der Saltner am Eingang die sogenannte „Saltner-Pratze" befestigte und dieselbe ähnlich wie die Luckenranken mit einem Büschel Berberitzen versah. (Bild 2.) Die Saltnerpratze ist eine aus einem Stück Holz rohgeformte Hand. Mitunter verstieg sich dabei ein Saltner sogar zu malerischen Verirrungen und so entstand z. B. auf einer solchen Pratze ein mit dem Saltner raufender Teufel: oder irgend ein Spruch, wie er z. B. nach M. Rohregger auf einer Pratze in Schönna gesehen wurde:
„Stehlt mir nicht die Trauben,
Sonst bekommt ihr keinen Wein,
Der die Jungen lustig macht
Und den Alten gibt die Kraft!"
Der Berberitzenstrauß sagte dem Vorübergehenden: „Bis hierher und nicht weiter!" „So verlockend die roten Beeren sind, so unangenehm können die Dörner werden." — In Schönna geschah noch ein weiteres, indem auch am Zaun des Hausgartens ein Büschel solcher Berberitzen festgemacht wurde. — In Mais und in Schönna hatte der Saltner seine Strohhütte und in letzterem Orte auch noch den Huetbaum aufzustellen.
„... Und sollen die soltner an sand Laurenzentag ansteen und alle tag ainer hueten, huntz auf sand Kathrein kirchweich auf Hafling, die andern sollen dieweil das hutholz machen und sollen die hutpam schlagen in der herrschaft panwald und sollen die vier zu den vorgemelten sand Kathrein kirchweich bereit sein darnach sollen die vier saltner alle vier hüten...."
Für die Strohhütte werden je zwei Stangen in 1 ½ bis 2 Meter Abstand in den Boden geschlagen und oben verbunden. Vier bis fünf Seitenlatten ermöglichen mittelst Strohriedel ein Dach zu flechten, unter dem der Saltner einigermaßen Schutz für die Nacht fand. Die Schönnaer Saltner setzten zum Zeichen ihres Einstandes den sogenannten Huetbaum. Das war eine 6 bis 8 Meter lange Stange, an deren oberem Ende zwei Strohbüschel in Kreuzform angebracht waren und die an einer bestimmten, weithin sichtbaren Stelle der Hut aufgestellt wurde. Diese Stange blieb bis zum Ausstand des Saltners um Kirchweih oder Allerheiligen.
Alle diese Vorbereitungsarbeiten mussten gewöhnlich bis am Hochunserfrauenabend (14. August) fertiggestellt sein, denn für diesen Tag war fast überall der eigentliche Dienstbeginn festgesetzt. Nur in Schönna erfolgte derselbe erst am Schönnaer-Markt, d. i. am 20. August, an welchem Tage die Saltner in St. Jörgen, Rotthal und Oberhasl „aufschossen". Dieses Aufschießen wurde besonders in Mais feierlich begangen. Dort kamen alle 13 Saltner zusammen und zogen von einem Huthof zum andern, wo sie die Saltnertracht und die nötigen Ausrüstungsgegenstände erhielten. Bei dieser Gelegenheit wurde in der Nähe eines jeden Huthofes geschossen und gepoltert, was oft bis spät in die Nacht hinein zu hören war. Von der Wirkung dieses Pöllerns kann man sich einen Begriff machen, wenn man bedenkt, dass die daran Beteiligten die „Stückler" (Pöller) in zwei Schubkarren mit sich führten.
In der ersten Zeit seines Dienstes hatte der Saltner bloß die Runkel, die er vorher zum Zäunen verwendete, als Waffe. Ferner bildete eine Pistole und ein Pulverhorn seine weitere Ausrüstung. Anfangs sah man ihn auch häufig mit einer langen Birkenrute, die er an der Runkel stecken hatte und mit der er Kinder, die unbefugter Weise in den Acker kamen, hinausstäubte. Nach 8 bis 14 Tagen trug er an Stelle der Runkel den Spieß, der einer Hellebarde ähnlich sah und oft Verzierungen und Inschriften aufwies. (Bild 3).
Ich fand z. B. folgenden Spruch auf einem solchen Saltnerspieß:
„Wer ein Saltner sein sol
Und jeden Menschen recht tun kan
Der schreib hier seinen Namen an."
Der Stab eines solchen Spießes wurde oft in der Weise verziert, dass er mit einer grünen Rinde in gleichmäßigem Abstand spiralförmig umgeben und der freiliegende Spiralstreifen gekohlt wurde. Des Saltners Pflicht war nun zunächst, die Hut gründlich kennen zu lernen, Schliefe und Abkürzungssteige auszukundschaften, kurz, er musste sich in sein Revier hineinleben. Dann errichtete er an einer oder mehreren Aussichtsstellen mit grünem Reisig eine „Lueg", hinter der er bequeme Ausschau nach allen Seiten hin hatte und doch von den Vorübergehenden nicht gesehen wurde. Denn der plötzliche Schreck eines Traubendiebes war um so wirksamer, je unvermuteter und rascher der Saltner vor ihm auftauchte. Fand der Saltner im Holzbau des Weinackers schadhafte Stellen, z. B. abgebrochene Bänder (Weidenruten, mit denen das Holzwerk zusammengebunden ist), einen herabhängenden „Marzan" und „Trager" oder ein „Gfall" (Das sind Fachausdrucke für die verschiedenen Holzbestandteile im Weinacker), so wird dieser Schaden durch ein Saltnerband behoben. Er verwendete dazu nicht „Feler"-Bänder (Weidenbänder), wie sonst üblich, sondern Birkenruten. Das Band wird enganschließend um die zu befestigende Stelle gewunden, das dickere Ende gedreht und mit diesem um das dünnere Ende ein Schluss in Schneckenform gewunden, den man Drall nennt. Den Bart (das vom Schluss vorstehende Rutenband), der sonst immer knapp am Drall abgeschnitten wird, ließ der Saltner als sichtbares Merkzeichen seiner Arbeit frei herabhängen und schnitt ihn nicht ab. Der Saltner in Gratsch benötigte im Jahre 1881 nicht weniger als 1500 Stück solcher Birken-„Widen". Zum Aufstützen der Holzbauteile verwendete er die Runkel, welche Arbeit später auch mit dem Spieß geleistet wurde.
Für die Beköstigung des Saltners waren […]
Um gegen die Hexen und bösen Geister gefeit zu sein, trug der Saltner das „Kreuzeisen" bei sich. (Bild 4.) Dasselbe hat die Form eines Kreuzes mit ungefähr 20 cm langem Mittelstück und 10 bis 15 cm langem Querstück. Die zwei vierkantigen, an den Enden zugespitzten Eisenstücke sind innen hohl und enthalten Reliquien, die mit einer Schraube eingeschlossen werden. Die Oberfläche ist mit Sternen und Kreuzen geschmückt, die ähnliche Bedeutung hatten wie die eingeschlagenen Zeichen der Greatl. Die älteren Kreuzeisen waren großer und schwerer und konnten im Notfalle auch zum Dreinschlagen verwendet werden. Alle diese Kreuze wurden kirchlich geweiht. Sollten dieselben aber eine außergewöhnliche Kraft besitzen, so mussten sie vorher ein Jahr lang unter dem Hochaltar einer Kirche versteckt gelegen haben. Getragen wurden sie vom Saltner vornehmlich in der Nacht und zwar an der inneren Rockseite am Rücken, zu welchem Zwecke am Rock zwei Riemen angebracht waren. Von der Wirksamkeit solcher Eisen haben sich die Leute wunderliche Dinge erzählt. Unter anderem hatte anfangs des vorigen Jahrhunderts beim Öhler in Algund ein Saltner mit seinem Kreuzzeichen den Teufel um Mitternacht vom „Madler-Kammerwalken" (Fenster in der Mägdekamer) vertrieben. Der Bodensaltner in Algund warf einst einer Hexe das Kreuzeisen auf den Fuß und da machte es ihr eine Wunde, die nimmer geheilt werden konnte.
Als Beweis seiner Wachsamkeit musste der Saltner bestimmte Bauern seiner Hut mitten in der Nacht wecken. Er durfte dabei nicht rufen, sondern streifte die dünne, biegsame Klinge seines Spießes so kunstgerecht über die Mauer, dass der Spieß einen lauten, singenden Ton von sich gab. Der Bauer antwortete darauf durch ein Zeichen, dass er ihn gehört hatte. Lange mussten sich die Saltner üben, bis sie es zu einer gewissen Fertigkeit im „Spießschreien" brachten. Erforderlich war eine entsprechend grob verputzte Mauer. Zu solcher Zeichengebung wurde von manchen Saltner ein Stück grobes Brett oder ein Stein eigens hiezu angebracht. Da ist es aber vorgekommen, dass boshafte Leute — die es ja immer gab — das Brett oder den Stein einfetteten, so dass der Spieß keinen Laut geben konnte. Getan hat dies ein Bauer in Algund. Als derselbe am anderen Tag den Saltner wegen des vorgeblich unterlassenen Weckens zur Rede stellte, meinte der Saltner: „Es hot m'r lei nit getun, Baur. I hon longanonde gsegt und gsuacht a." Diese Verpflichtungen zum Wecken waren in den Gemeinden sehr verschieden. In den meisten Orten hat der Saltner zwei bis drei von den entferntest gelegenen Höfen in der Nacht zu wecken. In Mais erfolgte das Wecken nur bei den Huthöfen. In Schönna war es Brauch, am Schutzengelsamstag in der Nacht zu wecken, und dies geschah mit Pistolenschüssen in der Nähe der drei Höfe Rotthal, Oberhasl und Widum. Die Verpflichtung des Weckens bestand bis Maria Geburt: in Gratsch, bis drei Äcker der Hut gewimmt waren. In Algund musste der Saltner am Ende der Dienstzeit den Anwalt und diejenigen Bauern, bei denen er zu wecken verpflichtet war, zu einem Mahl einladen. Dafür gab es dort kein Einstandsmahl.
[…]
Quelle: Matthias Ladurner-Parthanes, Der Saltner im Burggrafenamt, In: Der Schlern, Südtiroler Monatsschrift für Heimatkunde und Heimatpflege, 3. Jahrgang 1922, S. 313—323.
Wolfgang (SAGEN.at)