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rätselhafte Steine an Kapellen

gropli

Member
Hoi zämä

Mir ist schon länger eine rätselhafte Sache aufgefallen. Da und dort sehe ich an Kapellen einzelne Steine aus der ansonst glatten Wand vorstehen. Die Steine scheinen keine bautechnische Funktion zu haben. Sie sind auch nicht behauen, beschriftet oder so etwas.

Weiss jemand von euch, um was es sich da handelt?

(Administrator: Bild-Anhang leider defekt)

Kurz zu den beiden Kapellen:
- St. Jost wurde um 1350 zum erstenmal erwähnt, der Bau dürfte aber älter sein, so um 1200. Die Kapelle wurde um 1650 umfassend umgebaut und erweitert. In der Kapelle befindet das Grabmal eines namenlosen Eremiten aus dem 13. Jahrhundert. Die Tumba steht genau an der Wandinnenseite hinter dem Stein.
- St. Josef Kapelle wurde 1702 erbaut. Ob es einen Vorgängerbau gab, ist nicht ganz sicher. In der Umgebung gab es möglicherweise römische Bauten.



Gruss Pelzer



.
 
Hallo Gropli,

Du sprichst mit dem Thema der rätselhaften Steine und Kapellen ein sehr interessantes, aber auch äußerst schwierig zu lösendes Thema an.

Mir fallen solche Steine fast bei jeder kleinen Kirche oder Kapelle am Land auf. Auffällig sind solche Steine nicht nur in Kirchenmauern, sondern auch als Bestandteil des Kirchenbodens oder in unmittelbarer Umgebung der Kapelle.

Die Kirchen selbst halten sich zu den Steinen sehr bedeckt, sie sind in der Regel auch in den aufliegenden Kirchenführern nicht beschrieben.

Vordergründig drängt sich die populär verbreitete These von "Kirche erbaut auf vorchristlichem Kultplatz" auf, aber ohne Beleg können wir diese These nicht einfach und plump stehen lassen! Da muss aus volkskundlicher und seriöser Sicht schon gründlicher hinterfragt werden!

Im folgenden zitiere ich kurz aus dem sehr interessanten Buch "Mythos und Kult in den Alpen" von Hans Haid.

Hans Haid zitiert wiederum den Volkskundler Dieter Assmann und dessen Abhandlung "Die bedeutendsten Wallfahrtsorte Österreichs und Südtirols" (1979) der noch 1975 in Wallfahrtskirchen Messner beobachtete, die auf solchen Steinen nach dem Gottesdienst Eisenvotive aufgelegt hatten.

Dieser Herr Assmann hat die von ihm untersuchten Wallfahrtsorte Österreichs und Südtirols nach Legendenmotiven eingeteilt bzw unterschieden.

Dabei hat er eine Haupteinteilung vorgenommen:

- Steinkult
- Quellkult
- Baumkult

Auf den Steinkult verweisen schon die Namen etlicher Wallfahrtsorte, wie Maria Stein, Frauenstein an der Steyr, Mariastein, Bildstein, Weissenstein etc.

(Hier muss jedoch ergänzt werden, dass nach Gustav Gugitz 80 Prozent der österreichischen Wallfahrtsstätten an Plätzen mit heiligen Wassern und Quellen errichtet sind.)

Es ist jetzt eine Falle, vordergründig diese wesentlichen Grundelemente überzubewerten. Ohne Stein, Wasser und Holz baut man keine Kirche.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Auf den Steinkult verweisen schon die Namen etlicher Wallfahrtsorte, wie Maria Stein, Frauenstein an der Steyr, Mariastein, Bildstein, Weissenstein etc.
Der Name des Wallfahrtsortes Maria Weissenstein in Südtirol ist nicht auf einen Stein zurückzuführen, sondern auf den Namen dessen, dem Maria erschienen sein soll:

Der Ursprung des Wallfahrtsortes Maria Weißenstein liegt im Jahre 1553, als die Jungfrau Maria dem Leonhard Weißensteiner erschien, um ihn von seiner Krankheit zu heilen. Als Dank dafür bat sie ihn, eine Kapelle zu erbauen, worin die Gläubigen sie um Hilfe anflehen konnten. Da die Ursprungskapelle sofort zum Ziel zahlreicher Wallfahrer wurde, war es notwendig, eine richtige Kirche zu errichten.
Quelle: https://www.weissenstein-pietralba.com/

Allein schon wegen seiner Lage lohnt es sich, diesen Platz zu besuchen...
 
Hoi zämä

Vielen Dank für eure überaus interessanten Hinweise. Ganz besonders erscheint mir Harrys Kirche von Oberrussbach sehr zutreffend. Bei meinen Recherchen haben bin ich auf verschieden Erklärungsversuche/Hinweise/Andeutungen gestossen:


+ Mancherorts wird solchen Steinen eine apotropäische Wirkung nachgesagt. Vergleichbar mit Neidköpfen/Fratzen oder so. Dagegen spricht aber die Lage der Steine dicht über dem Boden; keine Fernwirkung. Bei „St. Jost“ (Heilige Jodok) liegt in unmittelbarer Nähe ein Schalenstein…

+ Eingemauerte Kanonenkugeln, die dem Angreifer zeigen sollen, wie stark und unbezwingbar die Festung ist. Weit verbreitet, aber bei Kapellen …?

+ Irgendwo wurde bei Renovationsarbeiten so ein Stein freigelegt. Und es war eine römische(?) Statue. Diese wurde damals bist zu den Schultern eingemauert und dann vermutlich rituell gesteinigt. Bis bloss noch ein abgeflachter Stummel vorstand. Diese „Steine-werf-Rituale“ sind bekannt, auch in unserer Region. Zudem gibt es in unserer Region eine Kirche mit einer eingemauerten römischen Marmorplatte. Darauf stand der Pfarrer während der Messe. Als Demütigung der Heiden…

+ Ich kenne zumindest eine Kirche aus dem 17. Jahrhundert, da gibt es genau so einen runden Stein. Der ist beschriftet und ein Gedenkstein für den während des Baus verstorbenen Baumeisters.

+ Die Steine könnten in Zusammenhang mit der Grabeskirche in Jerusalem stehen. Dem Salbungsstein, dem Golgotafelsen, dem Nabel der Welt?


Meine Steine sind aber nicht zu verwechseln mit Spolien, also Bausteinen früherer Bauten. Das Beispiel von St. Stephan in Hofkirchen zeigt vermutlich eine solche.

Vielleicht bringt uns das weiter?


Gruss gropli


.
 
Hallo,
ein wirklich interessantes Thema. Mir sind schon einige dieser Steine aufgefallen. Allerdings wo war das noch? :smi_mit k
Der nächste entgeht nicht meiner Kamera!
By Volker
 
Ich weiß, ich vertrete mal wieder nicht die übliche Geisteshaltung, aber auch ich habe mir schon öfters über hervorspringende Steine in der Kirchenaußenmauer den Kopf zerbrochen und glaube nicht, dass es sich hier um Kultsteine handelt. Denn: Kultsteine (auch sagenhafte Steine) wurden "überbaut" oder im Kirchenbereich ausgestellt, integriert.

Eine erklärende Antwort habe ich leider auch nicht, aber ich tendiere eher dazu, dass eben vorhandenes Gestein verwendet wurde.

Da beide Kirchenmauern den Eindruck machen, dass sie frisch restauriert sind, würde ich beim Denkmalschutzamt nachfragen, die wissen vielleicht mehr?

Gruß Berit
 
mir fallen dazu 2 steine bei der nikolauskapelle bei adlwang in oberösterreich ein. wir haben dazu folgenden beitrag zusammengestellt:
https://www.kraftort.org/Osterreich/Oberosterreich/Adlwang/adlwang.html

hier mischen sich neue kulte: gebetsfaden um stein
und alte
"die hand" - die vom ursprünglichen kultort ins mesnerhaus "verlegt" wurde.

lest dazu auch im forum der nikolauskapelle:
(Administrator: Link existiert nicht mehr)

im übrigen möchte ich auch auf die ausführungen vom volkskundler hans haid hinweisen, die wolfgang bereits erwähnt hat.
 
Hallo Geomat,
danke für deine sehr interessanten Hinweise und Links.
Das passt sehr gut zu den Durchkriechsteinen, die Sonja (Rabenweib) hier einmal zum Thema gemacht hat.
Sollten die herausragenden (herauskragenden) Steine etwa eine Art vorchristlicher Durchkriechstein oder Lochstein gewesen sein.
So würden sich auch die vielen Gargouille erklären die an den Kirchen angebracht sind. Diese gabs ja auch schon in vorchristlicher Zeit.
Evtl. dienten sie damals schon kultischen Zwecken wobei sie wohl eher heilende als abschreckende Wirkung hatten. (Reine Theorie)

Wo ist meine gute Sonja? :musik::musik: :smi_heult
Dolasilla weg, Sonja weg: Wenn mir noch einer hier eine Frau verkrault kommt er in den Wellensittichkäfig, wird grün gespritzt und kann sich dann schwarz ärgern.

Zwei Katzen sitzen vor dem Wellensittichkäfig.
"Warum ist der eine Sittich denn grün?, fragt die eine Katze die andere.
"Der ist noch nicht reif!", antwortet die zweite Katze
.

:bistjaliab:
Volker
 
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