Dresdner
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Zum Thema brachte sz-online heute einen interessanten Artikel.
Wenn der Hase bunte Eier bringt: „Fröhliche Ostern“, Postkarte von 1910
Personalien zum Autor des Beitrages: Igor Jenzen (53) ist Direktor des Museums für Sächsische Volkskunst und der Puppentheatersammlung.
Dresdner
Vom Brauch und Missbrauch des Ostereis
Von Igor Jenzen
Am Anfang war das Ei: „Oster Ey nennet man dasjenige hart abgesottene und bald mit der, bald mit jener Farbe gefärbte Ey, so man hier bey uns annoch des Grünen Donnerstags und um diese Zeit in grosser Zahl zum Verkauf aufstellet“, berichtet Johann Heinrich Zedlers Universal Lexicon aller Wissenschaften und Künste von 1740. So weit, so gut. Doch dann folgt das für einen damaligen Protestanten Unerhörte: Aus dem „Pabstthum“ sei bekannt, dass man den heiligen Oster-Abend ganze Körbe voll solcher Eier – schön gefärbt und mit zierlichen Figuren bezeichnet – in der Kirche weihen und den Segen darüber sprechen ließ. Später nehme man sie mit nach Hause und türme sie auf mit Blumen verzierten Tischen eine Woche lang zum Verzehr auf. Als gleichsam erste „fleischliche Speise“ nach langer Fastenzeit.
Es ist unverkennbar, wie sich der Autor von den gefärbten Ostereiern distanziert. Als Saisonware auf dem Markt mochten sie ihre Berechtigung haben, aber ihre Einbindung in die Osterliturgie der Katholiken war ihm suspekt. Es ging um die Rolle des Eis in der Fastenzeit. Im „Papstthum“ war sein Verzehr als „flüssiges Fleisch“ während der vierzigtägigen Fastenzeit vor Ostern verboten. Da die Fastenzeit in den Frühlingsbeginn und damit in die Zeit mündete, in denen die Hennen vermehrt Eier legen, wurden die frischen Eier zur längeren Haltbarkeit gekocht und dann zu Ostern als Festspeise gegessen. Wie andere Festspeisen auch, wurden sie während des Ostergottesdienstes geweiht und dann zu Hause verteilt. Eine Verzierung war naheliegend. Daneben hatte sich eine zusätzliche symbolische Überhöhung entwickelt: Das Ei als Keimzelle des Lebens wurde zu Ostern zum Symbol des auferstandenen Christus.
Bei Strafe verboten
Nach der protestantischen Lehre aber wird man nicht durch eigene Werke, also auch nicht durch das Fasten, sondern allein durch den Glauben – „sola fide“ – der göttlichen Gnade teilhaftig. Für die Protestanten war und ist das Färben der Eier zu Ostern also nichts als eine Gewohnheit – ein Brauch.
Gerade im frühen 18. Jahrhundert entstanden aus ihren Kreisen Schriften, die aus unterschiedlichen Gründen Ostereier ablehnten; aus religiösen, medizinischen oder aus ordnungspolitischen. „An vielen Orten ist der Gebrauch, dass man dergleichen gemahlte oder sonst aufs beste gezierte Eyer den Kindern oder unter vertraute Freunde austheylet“, berichtet das Lexikon. Weil aber solches in Missbrauch gezogen würde und die Kinder unter dem Namen des Ostereis Geschenke abholten, sei es hier und da schon bei Strafe verboten worden. Brauch und „Missbrauch“ lagen wie immer nahe beieinander. Tatsächlich lässt sich das eine gar nicht vom anderen scheiden. Bräuche sind immer eigendynamisch, lebendig und ungeplant, weshalb es andererseits nie an Versuchen fehlte, im Nachhinein richtig von falsch zu unterscheiden.
Das ist heute nicht anders. Und das Ergebnis ist oft genug Folklore. Ein Brauch entwickelt sich immer dann besonders gut, wenn mehrere Komponenten zusammentreffen. Die vielen Osterbräuche zum Beispiel vereinen alle mehr oder weniger den christlichen Inhalt der Auferstehung mit dem Aufleben der Natur im Frühling mit all seiner Gefühlseuphorie. Lebendiges Brauchtum entwickelt sich immer weiter.
Eiersuchen bei Goethe
Gegen 1800 hatte sich in den Städten das Verstecken der Eier als Familienbrauch ausgebildet, wahrscheinlich zunächst vor allem in protestantischen Familien, die die religiöse Bedeutung des Eis durch eine weltliche ersetzten. So weiß man etwa von einer österlichen Eiersuche, die 1783 im Hause Goethes in Weimar stattgefunden hat. Der Hase, von dem als volkstümlicher Eierbringer schon hundert Jahre früher erstmals berichtet wurde, etablierte sich in dieser Zeit als geheimnisvoller Akteur im familiären Versteckspiel. Aber erst weitere hundert Jahre später konnte er zur Hauptfigur, zur Chiffre für Ostern werden. Verantwortlich hierfür war die Macht des Bildes. Denn der bis dato nur flüsternd Genannte erhielt in Kinderbüchern, auf Postkarten und als Werbefigur der Süßwarenindustrie eine emotionalisierende Gestalt mit kuscheligem Fell und Kindchenschema.
Bei aller Veränderung: Geblieben ist das Ei. Noch immer gehört zur österlichen Vorfreude das gemeinsame Bemalen von Ostereiern. In diesem Brauch treffen sich Katholiken, Protestanten und Nichtgläubige. Das Verzieren selbst ist unverkennbar kreativ und besinnlich. Das unverfängliche Medium des Ostereis erlaubt jedem ob jung, ob alt seinen Gestaltungsdrang auszuleben, ohne Risiko verlacht zu werden. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Noch hat sich aus den Eier-Geschenken zu Ostern kein Geschenk-Kommerz entwickelt. Ist das nicht schön? Lassen wir´s dabei. Malen wir mal wieder.
Wenn der Hase bunte Eier bringt: „Fröhliche Ostern“, Postkarte von 1910
Personalien zum Autor des Beitrages: Igor Jenzen (53) ist Direktor des Museums für Sächsische Volkskunst und der Puppentheatersammlung.
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