Das ist eine solche Spezialfrage, daß ich auf Anhieb praktisch nichts dazu finde, obwohl ich etliches an Literatur im Haus habe.
Du meinst das Schlußbild des sog. Heidelberger Totentanzes mit dem runden Friedhof, Karner und Totenleuchte, auf dem das Gitter vorne zu sehen ist? Da ist zu ersehen, daß die Mauer nicht durch ein Tor verschließbar ist. Tatsächlich spielte sich im Mittelalter ja alles mögliche auf den Friedhöfen ab – bis hin zu Märkten und allerlei anderer Geselligkeit.
Zu diesem Gitter:
In W. Hartinger, Denen Gott genad! Totenbrauchtum und Armen-Seelen-Glaube in der Oberpfalz, Regensburg (Pustet) 1979, S. 12, heißt es:
In den Verordnungen der Regensburger Bischöfe werden die Pfarrer zusätzlich ermahnt, auch die Eingänge [zu den Friedhöfen] so zu sichern, "daß am tag keine Tiere hineinkommen können". An vielen Orten hob man deshalb vor den Friedhofstoren eine Grube aus und überdeckte sie mit einem kräftigen, weitmaschigen Gitter, so daß sich größere Tiere schier die Beine brechen mußten, wenn sie dieses Hindernis überwinden wollten. "Beinbrecher" (lat. Crurifragia) nannte man diese Vorrichtungen, in Zenching bei Cham war noch um 1930 eine erhalten.
Der Autor Hartinger gibt als Quelle an: J. Brunner, Geschichte der Grenzstadt Furth i. W., Furth im Wald 1932
Ein ständiges Problem auf den offenen mittelalterlichen Friedhöfen scheint gewesen zu sein, daß Hunde und Schweine oft nur oberflächlich mit Erde bedeckte Leichenteile ausgruben.
Noch in einem Visitationsbericht von 1579 heißt es:
Bei den Freythöfen findet sich allerlei Unrichtigkeit, denn sie sind an etlichen Enden, in Städten und Märkten Tag und Nacht unverschlossen. Stege und Wege gehen darüber, allerhandt Vieh wird darauf getrieben oder läuft von selbst darauf. Auch sonst werden sie nicht zum reinlichsten gehalten. Von den anstoßenden neuen Gebäuden werden die Ausgüsse darauf gerichtet. Es geschieht auch wohl, daß Holzwerk und anderes in dieselben gelegt wird ...
(Von W. Hartinger zitiert nach einer Urkunde im Staatsarchiv Amberg)
Zu den "tanzenden Toten": Auf dem Schlußbild des bei Knoblochtzer gedruckten Totentanzbuches sieht man zwar, wie die Toten ihren Gräbern entsteigen, aber von Tanz ist m. E. nichts zu sehen. Auf dem ersten einleitenden Beinhausbild sind die Toten Musiker (die Gesten der beiden im Vordergrund Auferstehenden sind wohl eher als Hilfestellung beim Aufsteigen aus dem Grab zu verstehen), ein Reigentanz ist nur auf dem zweiten Einleitungsbild zu sehen, und der Ort wird "Tanzhaus" genannt, was sich aber wohl eher auf den Tanz der Paare Tod - Lebender bezieht, der "in diesem Tanzhaus" – also auf dem Friedhof, im Grab, im Beinhaus – endet. Auch die Texte sagen nichts über einen Tanz der Toten miteinander, sondern nur darüber, daß sie die Lebenden zum Tanz holen. Allerdings hat es im Volksglauben wohl immer Vorstellungen von auf dem Friedhof "lebenden" und "tanzenden Toten" gegeben. Ein später Nachklang ist noch
Goethes Gedicht von 1815.
Das Beinhaus, in dem nicht nur die Schädel liegen, sondern auch die Toten musizieren, zum Tanz aufspielen, ist häufiger Bestandteil der Totentanzdarstellungen, z. B. am Anfang des Baseler Totentanzes oder im Berner Totentanz von Niklaus Manuel (1516-20, 1660 abgerissen "wegen Verbreiterung der Straße", erhalten in einer Aquarellkopie von Albrecht Kauw von 1649), abgebildet in: Niklaus Manuel Deutsch. Maler, Dichter, Staatsmann, hrsg. vom Kunstmuseum Bern, 1979
Daß die zeitweilig lebenden Toten auf dem Friedhof im Mittelalter nicht nur "Schreckgespenster" waren, zeigt sich zum einen daran, daß man diesen Ort offenkundig nicht fürchtete – sonst hätte man ihn nicht zu allen möglichen profanen Zwecken aufgesucht –, sondern auch in den Legenden von den "helfenden Toten", die einen von Räubern Bedrohten beschützen zum Dank dafür, daß er für ihre Seelen betet, siehe als Beispiel das Wandbild an der Friedhofskapelle von Baar (Schweiz), frühes 16. Jh., um 1740 restauriert, abgebildet in: Tanz der Toten – Todestanz. Der monumentale Totentanz im deutschsprachigen Raum, hrsg. vom Zentralinstitut und Museum für Sepulchralkultur, Kassel 1998
Woher hast du das, daß die Friedhofsmauer im Idealfall rund sein sollte? Die Regel scheint das nicht gewesen sein. Eine Rundform könnte auch andere Gründe haben: Dörfer durften nicht mit Mauern befestigt werden, wie man es gegen äußere Feinde gern gehabt hätte; es sprach aber nichts dagegen, die Friedhöfe (die zugleich Asylstätten waren) mit Mauern zu umgeben – daher die Wehrfriedhöfe. Und für Befestigungen ist die Rundform schlicht zweckmäßig, da weniger angreifbar.