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Korporationsbeitrag - was ist das?

dolasilla

Active member
Hi alle,

ich recherchiere gerade über sog. "arisierte", also von den Nazis enteignete, jüdische Besitztümer & Geschäfte in Wien; im Moment ganz konkrekt über Wiener Buchhandlungen und Antiquariate (das Wiener Antiquariat war beinahe ausnahmslos in jüdischem Besitz) - und stolpere da immer wieder über Einträge, die da z.B. lauten:

"Die Korrespondenz zwischen Verlag und Korporation 1929-1935 zeigt, daß die Wirtschaftskrise und die Absatzflaute dem Unternehmen schwer zu schaffen machten. Streitpunkt war immer wieder die Höhe des jährlichen Korporationsbeitrages, die 'als zu hoch gegriffen' schien."

oder auch:

"Anfang der 30er Jahre hatte sie Probleme mit der Begleichung des Korporationsbeitrages. "

Nun war ich selbst lange Buchhändlerin, kann aber nichtsdestotrotz mit dem Begriff "Korporationsbeitrag" überhaupt nichts anfangen.

Was ist das - wer muss da an wen warum was zahlen?

Ich vermute im Moment, dass "Korporationsbeiträge" bedeuten, dass man, wenn man das Buchhandels-Gewerbe anmelden und betreiben wollte, diese Beträge (die sich vermutlich am jährlichen Umsatz des Betriebes orientierten), an die "Korporation der Wiener Buch-, Kunst-und Musikalienhändler" zahlen musste - dass also die "Korporation der Wiener Buch-, Kunst-und Musikalienhändler" sowas wie ein Dachverband war bzw der Vorläufer des heutigen "Hauptverband des österreichischen Buchhandels" war, die Korporationsbeiträge ev. auch vergleichbar mit der heutigen Kammerumlage sind, die Gewerbetreibende jährlich an die Wirtschaftskammer zahlen müssen?

Würde mich freuen, wenn mich da jemand diesbezüglich aufklären könnte...

LG,
Dolasilla
 
Hallo Dolasilla, entspricht vielleicht der Börsenverein des Deutschen Buchhandels
in Frankfurt diesem Verband (Zusammenschluß der Arbeitgeber)? Handelskammer-
Mitgliedschaft ist Pflicht, der Verein freiwillig. Beides kostet nicht wenig!
Für kleinere Firmen nicht einfach, beide Beiträge aufzubringen. Ich weiß aber
(als ehem. Buchhändlerin) auch nicht, wie ich weiterhelfen kann.
Interessantes Thema, ich wünsche Dir Glück! Ulrike
 
So, nun bin ich schlauer, denn ich hab dazu folgendes rausgefunden:

"Die Standesvertretung der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler

Diese Standesvertretung war - bis 1938 - unter vielen anderen Dingen für die Erteilung von Konzessionen und Teilkonzessionen zum Betrieb des Verlags, des Buchhandels etc. zuständig.

Bis ins 18. Jahrhundert war die Universität Wien für die Erteilung zuständig, genauer bis zu einem Dekret der Kaiserin Maria Theresia im Jahre 1755. Unter Kaiser Josef II. herrschte kurze Zeit so etwas wie eine freie Marktwirtschaft. Strittiger Punkt war die Vermehrung der Konzessionen, etwas, was der etablierte Buchhandel strikt ablehnte.

Nach der Ausarbeitung einer Buchhändlerordnung kam es zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu ersten Bemühungen von Seiten der Wiener Buchhändler und Antiquare, eine Standesvertretung aufzubauen. Man muss sich vergegenwärtigen, dass in einer Zeit, wo alles verboten war, was nicht ausdrücklich erlaubt war, es eine Frage des "Dürfens" war.

Im Jahre 1806, unter Kaiser Franz I. kam es zu einer "Ordnung für Buchhändler und Antiquare". Diese regelte, wer eine Befugnis zum Betrieb eines Handels samt allen Voraussetzungen bekommen konnte.

1807 wurde das Gremium der bürgerlichen Buchhändler in Wien konstituiert.

Aus dieser Organisation ging die "Korporation der Buch-, Kunst- und Musikalienhändler" in Wien (ab 1884) hervor, also die lokale Standesvertretung in Wien. Heute nennt sie sich Fachschaft "Landesgremium Wien der Buch- und Medienwirtschaft" in der Sektion Handel der Wirtschaftskammer Wien.

1859 kam es zur Gründung des "Vereins der österreichischen Buchhändler", einer Körperschaft, die die Aufgabe hatte, die gemeinsamen Interessen des österreichischen Buchhandels wahrzunehmen. 1888 erfolgte eine Umbenennung, um den veränderten staatsrechtlichen Grundlagen der Monarchie Rechnung zu tragen. Man nannte den Verein: "Verein der österreichisch-ungarischen Buchhändler".

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Name neuerlich geändert, und zwar in "Verein der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler". Der Verein existierte dem Namen, wenn auch nicht der Funktion nach bis 1938, als er aufgelöst wurde.

In den 30er Jahren, in der Ständestaat-Zeit kam es im Zuge des sogenannten berufsständischen Aufbaus zu einer neuerlichen Änderung in den Kompetenzen des Vereins. Er hieß für kurze Zeit "Zwangsgilde der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler". Heute heißt die Dachorganisation "Hauptverband des österreichischen Buchhandels"; sie befindet sich im Buchgewerbehaus in der Grünangergasse 4 im 1. Bezirk."

Quelle: "ARISIERUNG" IM ÖSTERREICHISCHEN BUCHHANDEL" von Ao. Univ.-Prof. Dr. Murray G. Hall (Admin: externer Link existiert nicht mehr)

LG,
Dolasilla
 
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