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Kamm's Zerograph.
(Mit Abbildung, Fig. 199.)

Der von dem deutschen Elektrotechniker Leo Kamm erfundene „Zerograph" ist eine wesentlich verbesserte Art telegraphischer Schreibmaschine, mit andern Worten ein Instrument, das von einem Tastenbrett aus wie eine Schreibmaschine in Tätigkeit gesetzt wird und zugleich im Stande ist, mittels eines dem Apparat angefügten Telegraphendrahtes die von dem Telegraphisten niedergedrückten Buchstaben in beliebiger Entfernung zum Abdruck zu bringen. Die nämliche Aufgabe ist bereits früher von andern Erfindern zu lösen versucht worden, von deren Apparaten der von Professor Hughes erfundene der bekannteste ist. Dieser ist ein Typendruckinstrument in der Größe einer englischen Mangel mit sehr kompliziertem Uhrwerk und einem Gewicht von 60 Pfund. In England bildet die treibende Kraft dafür ein 140 Pfund schweres Gewicht, das neuerdings durch einen elektrischen Motor oder pneumatische Kraft ersetzt worden ist, aber diese treibende Kraft ist nicht überall vorhanden und beschränkt die Verwendung des Apparats. Infolge der starken rotierenden Bewegung, welche sich auf 120 Umdrehungen in der Minute als Minimum stellt, und wegen des komplizierten Mechanismus ist die Abnutzung der Maschine eine sehr bedeutende. Er leidet überdies, wie viele ähnliche Apparate, an dem Fehler, dass die Synchronie sehr leicht in Unordnung gerät und es bedarf dann längere Zeit, um die Ordnung wieder herzustellen, welche Zeit somit unnütz vergeudet wird. Auch bedarf es langjährigen Umgangs mit dem Apparat, also eines sehr geübten und geschickten Telegraphisten zu seiner Bedienung. Synchronie bedeutet bekanntlich die völlige Übereinstimmung des Apparats, auf welchem durch Niederdrücken der Tasten die Buchstaben übermittelt werden, mit dem am Orte der Wiedergabe aufgestellten Apparate. Wegen der schnellen Aufeinanderfolge der Pulsationen kann es sehr leicht vorkommen, dass der Distanzapparat um einen Buchstaben in der angeordneten Reihenfolge zu weit greift, wodurch die Wiedergabe des Telegramms dann völlig unverständlich wird. Hughes hat an seinem Apparate ein Korrektionsrad angebracht, welches, wenn richtig gehandhabt, kleine Fehler wieder gut machen soll, aber der Apparat fungiert nach dieser Richtung nicht immer. Professor Zetzschke, kaiserlicher Telegraphen-Ingenieur in Berlin, schreibt darüber in seinem Handbuch der elektrischen Telegraphie wie folgt:

„ Die Korrektion kann sich indessen nur dann in der angeführten Weise vollziehen und die genaue Einstellung herbeiführen, wenn der Korrektionsdaumen noch in die Zahnlücke einzutreten vermag, durch welche er bei genauer Einstellung der abzudruckenden Type frei hindurchgehen soll. Ist dagegen das Typenrad um einen so großen Betrag gegen den Stromschließer vorausgeeilt oder zurückgeblieben, dass der genannte Daumen in einen der nachfolgenden oder der vorausgehenden Lücken eintritt, so wird die falsche Stellung nicht nur nicht berichtigt, sondern sogar noch falscher gemacht. Ob dies geschieht, hängt aber bei dieser Art der Korrektion nicht allein von der Größe der vorhandenen Abweichung in der Laufgeschwindigkeit der beiden Laufwerke, also einer mangelhaften Regulierung derselben, und von der Größe der zufälligen Störungsursachen ab, sondern ganz wesentlich auch von der Größe der zwischen zwei aufeinander folgenden Drucken, zwei aufeinander folgenden Einwirkungen der Druckachse, zwei aufeinander folgenden telegraphischen Stromsendungen liegenden Zeitraum, innerhalb welcher sich ja die gleichsinnigen Abweichungen summieren werden. Es muss daher für die Zwecke der bei Ingangsetzung der Apparate vorzunehmenden Geschwindigkeitsregulierung festgesetzt werden, innerhalb wie vieler Umläufe des Typenrades mindestens ein Strom entsendet, eine Druckbewegung vollzogen werden soll." Auch Mr. W. H. Preece, der Hauptingenieur der englischen Telegraphie, spricht sich in diesem Sinne aus. Er schreibt in seinem Buch über die Telegraphie mit Bezug auf den Hughes'schen Apparat: „Er ist jedoch teuer in der Anschaffung sowie der Unterhaltung. Obgleich gewöhnlich auf jedem Ende der Linie nur ein Telegraphist gebraucht wird und das Schreiben vollständig fortfällt, muss der betreffende Telegraphist doch sehr intelligent und erfahren sein, und er muss daher entsprechend hoch bezahlt werden."

Bei dem Zerographen, dessen Abbildung wir in Fig. 199 bringen hat der Erfinder diese Nachteile durch die folgende Anordnung vermeiden versucht. In jedem Apparat ist eine Serie von Tasten angebracht wie bei der Schreibmaschine, welche mit beweglichen Stäbchen verbunden, auf der Peripherie eines Kreises arrangiert sind. Der Mittelpunkt dieses Kreises ist die Achse eines Arms, welcher der synchronisierende Arm genannt wird. Dieser wird von einem beweglichen Gewicht über den Stäbchen herumgeschwungen, bis er von einem der Stäbchen, das durch den Druck auf die Taste hervorspringt, angehalten wird. Die Achse, an welcher der synchronisierende Arm befestigt ist, trägt einen Regulator oder ein loses Gewicht, welches durch einen mit der Achse verbundenen Sperrhaken nur nach einer Richtung hin beweglich ist, und welches je nach Zuge des Gewichts die Schnelligkeit des Armes bestimmt. Die Achse trägt auch eine Reihe von Typen, welche sich ebenfalls auf dem Bogen eines Kreises befinden und mit den Tasten korrespondieren. Wenn man dieselben niederdrückt, werden die Typen durch einen Hammer gegen einen Papierstreifen gepresst, auf welchen sich die Buchstaben mittels eines Tintenbandes abdrucken. An dem synchronisierenden Arme sind zwei Vorsprünge angebracht, welche dazu dienen, den Arm durch die Armatur eines Elektromagneten, den synchronischen Magneten, zu bewegen. Einer dieser Vorsprünge wird zwischen den schon beschriebenen Stäbchen vorgeschoben, während der andere durch die Armatur des Elektromagneten angezogen wird, um die Arme in ihrer ursprünglichen oder normalen Richtung zu halten. Dieser Magnet, Starting Magnet genannt, erhält seine magnetische Kraft durch die erste, vorher erwähnte Pulsation oder Strömung, hervorgerufen durch die Schließung eines elektrischen Kreisstromes durch den Druck auf die Taste. Die genannte Armatur verursacht durch diese Bewegung auch einen Kreisstrom in Verbindung mit dem synchronisierenden Magneten an dem erhaltenden oder Distanzapparat. Der Magnet zieht seine Armatur an und entzieht den hervorragenden Mechanismus dem synchronisierenden Arm, welcher durch den Haken des Starting Magnets gehalten wird. Beide synchronisierende Arme werden gleichzeitig losgelassen, und da sie gleichmäßig konstruiert sind, bewegen sie sich mit gleicher Schnelligkeit. Der synchronisierende Arm des übertragenden Apparats berührt dann das hervorstehende Stäbchen, welches durch den Fingerdruck auf die Taste wirkt, wodurch ein weiterer lokaler Kreisstrom geschlossen und ein Elektromagnet, der zweite Kontaktmagnet, seine Magnetkraft erhält, dessen Armatur durch seine Bewegung wieder einen Linienkreisstrom durch die Verbindungsschraube schließt, und so den vorerwähnten zweiten elektrischen Strom oder Impuls hervorruft. Dieser Strom gibt wieder dem synchronisierenden Magneten des Distanz- oder erhaltenden Apparates seine magnetische Kraft, dessen Armatur den anderen Vorsprung in Bewegung setzt, um den synchronisierenden Arm an dem Stäbchen halten zu lassen. Dieser Arm korrespondiert mit dem Arme, welcher in dem übertragenden Apparat durch den Druck auf die Taste bewegt wird, und dieses schließt einen lokalen Kreisstrom, wie in dem übertragenden Apparat. Erwähnte lokale Kreisströme lassen in beiden Apparaten einen Elektromagneten, den Druckmagneten, gleichzeitig arbeiten. Dieser Magnet bewerkstelligt den Druck der Typen, das Weiterschieben des Papiers und die Übertragung eines andern lokalen Kreisstromes, auf welcher Verbindung sich ein Elektromagnet befindet, der sog. „Zeromagnet“ welcher magnetisiert wird, um den synchronisierenden Arm zu seiner normalen Stellung zurückzuführen. Um das Papier einzuführen oder eine neue Linie zu beginnen, versieht man die Maschine mit einem Elektromagneten, dem Kolonnenmagneten, und dieser wird magnetisiert, indem man den synchronisierenden Arm weiter vorgehen lässt, als die Reihe der Stäbchen erlaubt, wo er dann durch eine Vorrichtung, die mit demselben lokalen Kreisstrom verbunden ist, aufgehalten wird und zugleich einen Kontakt verursacht, welcher den Kreisstrom, den der besprochene Magnet enthält, schließt.

Der Zerograph druckt in Linien, wie jede Schreibmaschine und beginnt die neue Zeile automatisch. Aber er wird auch als Streifendrucker konstruiert und stellt sich dann wesentlich billiger. Für amtliche Telegraphie dürfte sich der Streifendrucker besser eignen als der Zeilendrucker. Man kann übrigens vom Zeilendrucker nach dem Streifendrucker und auch umgekehrt telegraphieren. Es ist nicht erforderlich, dass man irgendeine elektrische Glocke anbringt, um ein Zeichen zu geben, dass man telegraphieren will, denn der Zerograph ist stets fertig, eine Depesche zu erhalten oder abzuschicken. Während des Telegraphierens könnte es vorkommen, dass der Empfänger den Absender unterbrechen will. Das kann geschehen ohne irgendwelche Umstellung der Apparate oder irgendein vorher gegebenes Zeichen. Mit dem Zerographen kann man auf die weitesten Entfernungen drucken, ebenso wie beim Morse-Apparat, sei es mit oder ohne Relais. Leo Kamm hat sogar ein Relais in Arbeit, mit dessen Hilfe er den Zerographen auch für die submarine Telegraphie verwendbar zu machen hofft.

Sämtliche Patente des Genannten mit Bezug auf den Zerographen sind von einer Londoner Gesellschaft unter dem Namen „Kamm's Zerograph Syndicate Limited", 11/12 Bridgewater Street, London E. C., käuflich erworben worden, welches den Vertrieb des Apparats in die Hand genommen hat. Wie wir hören, sollen zwei Zerographen Ende Dezember auf dem Reichstelegraphenamt in Berlin aufgestellt werden. Diese sind die ersten Apparate, welche zum amtlichen Gebrauch gebaut werden. Die von anderen Regierungen und Telegraphengesellschaften bestellten Apparate gelangen erst vom Januar 1898 ab zur Ablieferung.

Quelle: Uhland's Verkehrszeitung und industrielle Rundschau, 11. Jg., Nr. 48, 2. Dezember 1897, S. 285.

Wolfgang (SAGEN.at)
 

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