Im Jahre 1572 erlangten die kursächsischen "Constitutionen" dann Gesetzeskraft. Darin wurden alle Fragen zum Zivil- und Strafrecht sowie zum Prozessverlauf erneut geregelt, wobei auch die Festsetzungen zum Zauberei- und Hexereiverbrechen eine weitreichende Differenzierung in ihrer Darstellung und Strafmaßzuschreibung erfuhren. In dieser Beziehung war der auch über verschiedene Juristen rezipierte "Malleus maleficarum" von besonderer Bedeutung. Neu war vor allem die Aufnahme der mit dem Feuertod zu ahndenden Teufelsbuhlschaft auch in dem Fall, wenn niemandem ein Schaden durch Zauberei entstanden war.
Der Einleitung eines Inquisitionsprozesses ging in aller Regel eine Anzeige am lokalen Gerichtstag voraus. Im Einzelfall ist dieser aber auch von der landesherrlichen Kanzlei oder einer Rittergutsherrschaft angewiesen worden. Der Generalinquisition folgte bei ausreichenden Indizien die Spezialinquisition, oder im anderen Fall die Verfahrenseinstellung. Die formal gesehen neutrale Prozessführung ließ Sanktionen von Seiten des Angeklagten oder dessen Angehörigen kaum zu, nur im Ausnahmefall ist eine Verteidigung belegbar. Berufungsverfahren in eine höhere Instanz waren nach den Grundsätzen der kursächsischen Gerichtsverfassung für Strafverfahren ausgeschlossen. Eine zentrale Rolle für die Führung von Strafverfahren kam den lokalen Gerichten zu. Sie standen seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ausnahmslos - gleich ob an Stadt- und Patrimonialgerichten oder landesherrlichen Ämtern - unter der Leitung von studierten Juristen, die die Prozessabschnitte koordinierten. Die Zwischen- und Endurteile mussten grundsätzlich von speziell von den Landesherrschaften bestätigten Schöffenstühlen oder Juristenfakultäten extern eingeholt werden. Zugelassen waren der Schöffenstuhl und die Juristenfakultät in Leipzig und das Hofgericht, die Juristenfakultät und der Schöffenstuhl in Wittenberg. Durch landesherrliche Weisung erlangte der Leipziger Schöffenstuhl für die Spruchfassung in Strafverfahren eine herausragende Bedeutung für Kursachsen, wohingegen die Wittenberger Spruchbehörden Einschränkungen unterlagen. Allein die schriftsässigen (Sitz und Stimme im sächsischen Landtag) und mit der Obergerichtsbarkeit ausgestatteten Rittergüter konnten sich an Spruchbehörden wenden, die außerhalb der Landesherrschaft lagen.
Verlauf und regionale Schwerpunkte der Hexenverfolgung
Die Herausbildung des Hexereistraftatbestandes in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stellte einen wichtigen Paradigmenwechsel dar, wobei die Vorstellung des Schadenszaubers geistesgeschichtlich mit dem Glauben an die Existenz einer ketzerischen Sekte koalierte. Die Bekämpfung der Waldenser wurde in Kursachsen bereits zu diesem Zeitpunkt vor weltlichen Gerichten geführt, deren Schwerpunkte im Raum Dresden (1407-1434) und Sangerhausen (1414, 1454) lagen. Mehrfach war es dort zu Ketzer- und Zaubereranklagen und Verbrennungen gekommen. Im Gegensatz zu anderen deutschen Landesherrschaften erreichte in den wettinischen Erblanden der neu aufkommende Hexentopos in der Folgezeit trotzdem keinen herausragenden Stellenwert. Dominant blieb der Glauben an die Realität des individuell begangenen Schadenszaubers.
Der Gesamtzeitraum archivalisch belegbarer Zauberei-, Ketzerei- und Hexenprozesse erstreckte sich, beginnend 1407, über 350 Jahre. Bei der Gesamtzahl von etwa 900 belegbaren Verfahren lassen sich zwei zeitliche Schwerpunkte ablesen. Es sind die Zeiträume von etwa 1610 bis 1630 und 1655 bis 1665, in denen im gleichen Verhältnis auch die Zahl der Vollstreckungen von Todesstrafen in die Höhe schnellte. Als Schwerpunkt der Verfolgung im mitteldeutschen Raum kristallisiert sich das Gebiet der vormaligen Grafschaft Henneberg heraus. Nach zunächst gemeinschaftlicher wettinischer Verwaltung, kamen daraus die vier Ämter Suhl, Schleusingen, Benshausen und Kühndorf 1660 zum Herzogtum Sachsen-Zeitz. Die starke Hexenverfolgungswelle hielt dort bis um 1675 ungebrochen an.
Allein in dieser sehr kleinen Region lassen sich bisher 251 Hexenprozesse mit mindestens 164 Vollstreckungen von Todesurteilen (65,3%) nachweisen. Im erbländischen Anteil Kursachsens bildeten die Ämter Wittenberg mit 39, Dresden mit 38, Delitzsch und Gommern mit je 22 Prozessen Schwerpunkte, wobei dort der Anteil von vollstreckten Todesstrafen unter einem Drittel lagen. Im Gegensatz dazu gab es aber auch Ämter ohne nachweisbare Verfolgung, wie beispielsweise Mutzschen, Gräfenhainichen und Altenberg.
Eine wichtige Zäsur bei der Gesetzgebung stellte die 1661 in Kraft getretene kursächsische Polizeiordnung dar, die auch von Benedict Carpzov beeinflusst worden ist. Sie steht am Beginn eines - wenn auch langsamen - Öffnungsprozesses bei der Kodifizierung dieses Straftatbestandes und im Rechtsalltag. Trotzdem wurde noch 1689 ein letztes Todesurteil wegen Hexerei in Kursachsen vollstreckt. Das Rittergutsgericht in Ostrau / Amt Delitzsch ließ, nach einem Urteilsspruch des Schöffenstuhles in Halle / Saale, Anna Maria Braune lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Noch bis 1766 sind im Einzelfall inquisitorisch geführte Verfahren zum Straftatbestand der Zauberei belegbar, die aber nach 1700 mit Verfahrenseinstellung oder Bagatellstrafen beendet worden sind. Am Anfang der stärker differenzierten Beurteilung des Hexendelikts in Sachsen standen neben Juristen auch Mediziner wie Johann Michael und Johann Caspar Westphal sowie Theologen wie Philipp Jacob Spener. Allmählich wurde seit Beginn der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts interdisziplinär das Strafrechtsproblem der Hexerei rational hinterfragt und die Auffassungen der Frühaufklärung wirksam. Das Ende der Vollstreckung von Todesurteilen in Hexenprozessen stand in engem Zusammenhang mit der Ablösung der scholastischen Tradition durch die Naturrechtslehre.
Angeklagte vor Gericht
Im Zusammenhang mit der juristischen Verfolgung von Zauberei und Hexerei gilt es mehrere Aspekte zu berücksichtigen. Neben den verantwortlichen Personen am lokalen Gerichtssitz (juristisch geschulte Schösser) und in den Spruchbehörden (gelehrte Juristen) waren es auch die Verhältnisse der Gerichtsverfassung. Von den bisher nachweisbaren 905 Anklagen wegen Hexerei und Zauberei gegen Einzelpersonen in Kursachsen wurden 614 (67,8%) vor landesherrlichen Ämtern verhandelt, von denen für etwa ein Drittel Todesurteile gefällt oder vollstreckt worden sind. Vor Stadtgerichten waren es 190 (21%) und vor Patrimonialgerichten der Rittergüter 99 (10,9%) Angeklagte. Der quantitative Unterschied in der Zahl der geführten Strafverfahren stand etwa im proportionalen Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. Damit lassen sich keine signifikanten Unterschiede bei Hexereiverfolgungen zwischen den verschiedenen Gerichtsarten feststellen. Dagegen lässt sich die Mehrzahl der Einzelanklagen (78,8%) dem ländlichen Raum zuweisen. Die Wahrscheinlichkeit wegen eines Hexereivorwurfes angeklagt zu werden war auf dem Lande um etwa 10% höher als in der Stadt.
Den Straftatbeständen der Hexerei und Zauberei verwandt, wurden auch Verfahren gegen Segensprecher, "kluge" oder weise Leute und magische Heiler, Wahrsager und wegen abergläubischer Händel geführt. Daran wird der sehr differenzierte Umgang mit Tatvorwürfen im Rechtsalltag deutlich, was auch für die Strafmaßzuschreibung zutraf. Von den 905 bekannten Einzelanklagen wurden an mindestens 284 Personen Todesurteile vollstreckt (31,4%), davon wiederum 32,6% vor Ämtern, 28,9% vor Stadtgerichten und 29,3% vor Patrimonialgerichten. Neben dem Feuertod gab es auch die Begnadigung in Form der Enthauptung durch das Schwert. Für Delikte nichtschädigender Magie wurde in der Regel die Landesverweisung ausgesprochen. Bei einigen wenigen Fällen hat man bereits ausgesprochene Todesurteile in Landesverweisung oder nach 1661 dieselbe auch in Festungsbauhaft umgewandelt. Darüber hinaus gab es im Zusammenhang mit Kombinationsdelikten wie Diebstahl und Brandstiftung auch Urteilsvollstreckungen durch Tod durch den Strang, Tod durch Rädern, Ertränkung durch das so genannte Säcken und Begnadigung von Ertränkung durch Säcken durch Enthauptung. Für leichtere Zaubereivergehen lassen sich bestimmte Zivilstrafen wie Stehen im Pranger, Züchtigung, Haft- oder Geldstrafe und sogar die Genehmigung zur Ehescheidung belegen. In minderschweren Einzelfällen wurden Entscheidungen auch direkt von der landesherrlichen Kanzlei und den Rittergutsherrschaften getroffen. Dazu gehörten die Niederschlagung von Verfahren, Verhängung einer Geldstrafe, die Landesverweisung ohne Urteil und die Amtsentsetzung von Pfarrern. Den 22 angeklagten Kindern wurde bei einem Schuldspruch in der Regel die Züchtigung und dann folgend die Belehrung durch den Pfarrer zuerkannt.
Hexerei- und Zaubereischuldzuweisungen wurden auch in Kursachsen in den meisten Fällen sozial instrumentalisiert. Als auslösende Faktoren kamen Unwetter und deren Folgen zur Wirkung, Kranke als Zielpersonen von Schuldzuweisungen und Sozialverhalten im Nachbarschaftsstreit und innerhalb von Familien. Heilkundige Personen und Drogengebrauch konnten ebenso in Verdacht kommen wie vagierende Personen. Einige waren auch aufgrund ausgeübter magischer Praktiken in Verdacht gekommen. Der Frauenanteil bei den Anklagen betrug in Kursachsen 73%, von denen wiederum der übergroße Teil noch verheiratet aber nicht mehr im gebärfähigen Alter war. Der Verheiratete mit guten Sozialstatus entging in einem Hexenprozess eher einer Bestrafung und konnte mit einem Freispruch oder einer Verfahrenseinstellung rechnen, dagegen war eine Witwe auf niederem sozialem Niveau häufiger von einem Todesurteil betroffen.
Dort wo sich die soziale Disposition ablesen ließ, konnte keine signifikant höhere Zahl aus dem besitzlosen Anteil der Bevölkerung festgestellt werden. Betroffen waren Personen aus allen Schichten der Bevölkerung, von der Bettlerin, über den Bauer, den Bürger und sogar Personen des Adels. Das gilt auch im Verhältnis zur statistischen Größe der jeweiligen sozialen Gruppe zur Gesamtbevölkerung. Zauberei- und Hexereivorwürfe wurden in Kursachsen von Seiten der Landesherrschaft und der Kirche auch in nachreformatorischer Zeit nicht für die Durchsetzung der neuen Glaubenslehre oder gegen Minderheiten instrumentalisiert. Den wenigen von einer Verdächtigung betroffenen Katholiken, Juden und slawischen Sorben machte man nicht ihren Glauben oder ethnische Zugehörigkeit zum Vorwurf.