Die sog. „Hahneneier" sind im Volksglauben, namentlich bei der Bauernbevölkerung, schon recht lange bekannt. Legt man sie in Pferdemist, heißt es von ihnen, so kriecht aus dem „Hahnenei" ein „Lindwurm" aus. Auch an diesen Auffassungen ist etwas Wahres, wie es fast bei allen volkstümlichen Anschauungen über die Natur und ihre Lebewesen der Fall ist. Freilich kann keine Rede davon sein, daß Hähne diese Eier gelegt hätten, denn das ist schon rein anatomisch unmöglich. Wohl aber kommt es in abgelegenen Bauernhöfen manchmal vor, wie wir jetzt wieder in einem solchen Fall einwandfrei feststellen konnten, daß man unter leeren Hühnernestern bisweilen ein oder mehrere kleine, grauweißliche, taubeneigroße Eier findet. Sie haben eine pergamentartige Schale und innen nur eine recht dünne Schicht Eiweiß um den Dotter. Das runzelige, verschrumpfte Aussehen rührt daher, daß die Eier an der Luft allmählich eintrocknen und verkümmern. Der Kenner unserer einheimischen Lurche wirb bereits nach dieser kurzen Beschreibung der Eier ohne weiteres den Missetäter erraten, um den es sich hier handelt. Es ist unsere weitverbreitete Ringelnatter (Tropidonotus natrix L.), die Hausschlange oder Hausunke des Volkes, die keineswegs ausschließlich im Buschwerk, am Wasser, in feuchten Wäldern, im Ried und Sumpf oder im Schilf der Teichränder fern von menschlichen Niederlassungen in Massen anzutreffen ist, sondern auch dann noch, wenn dergleichen Örtlichkeiten in der Nähe von Dörfern usw. oder an Straßen mit regem Verkehr liegen. Sie findet sich selbst in den Ortschaften und schlägt hier, ein Zeichen ihrer Zutraulichkeit, angezogen durch die dort herrschende feuchte Wärme, in Kellern, Scheunen, Mist- und Müllhaufen und besonders gern in Feder-Viehställen ihren Wohnsitz auf. Auch der neue „Brehm" berichtet, daß namentlich in Entenställen zuweilen alte und junge Nattern zu Dutzenden angetroffen wurden. „Sie leben hier mit den Enten, die selbst kleine Nattern ihres Gestankes halber nicht gerne antasten, in bestem Einvernehmen, legen auch ihre Eier gerne unter verlassene Nester der Enten und Hühner." Dagegen kann man diese harmlosen Nattern, die früher in vielen Gegenden Deutschlands als glückbringende Hausschlangen gehalten wurden, nicht oft genug von dem immer und immer wieder auftauchenden Verdachte freisprechen, daß sie sich an das Euter der Kühe machen, um die Milch auszusaugen. Das ist eine Fabel und schon deswegen unmöglich, weil die Wundbildung der Ringelnatter nicht geeignet ist, einen festen, luftdichten Anschluß an die Zitze zu ermöglichen und durch Verdünnung der Luft eine Saugwirlung zu erzielen. Wenn sie wirklich einmal in den Kuhställen angetroffen wird, die sie im allgemeinen schon deshalb meidet, weil sie durch die Hufe der Kühe zu sehr gefährdet wäre, so sucht sie hier nicht die Milch der Kühe, sondern die feuchte Wärme, der sie, wie die meisten Schlangen, sehr zugetan ist.
Drei bis acht Wochen nach dem Legen ist die Nachreife der Eier vollendet, und der nunmehr vollständig entwickelte „Lindwurm" bohrt sich als etwa 15 cm lange Natter ein Loch durch die Schale und beginnt hierauf das Leben der Eltern.
In der Gefangenschaft hält sich die giftlose Ringelnatter recht gut und läßt sich mit Milch füttern, ist aber wegen ihres ekelhaften Geruchs, der längere Zeit hartnäckig an Händen und Kleidern haften bleibt, kein angenehmer Pflegling.
Aber noch auf eine andere Erscheinung habe ich hinzuweisen, über die in der mir zur Verfügung stehenden Literatur keine Belege zu finden sind. Als „Hahneneier" werden in manchen Gegenden von den Bauern auch verkümmerte Eier (Windeier ?) von Hühnern bezeichnet, die einen stark ausgeprägten Hahnenkamm besitzen. Es war mir noch nicht möglich, ein solches „maskuliertes" Huhn näher zu untersuchen. Vielleicht weiß jemand nähere Auskunft zu geben, ob es sich in diesem Fall etwa um eine Zwitterbildung, Verkümmerung des Eierstockes oder krankhafte Wucherung handelt.
Dr. Stehli.
Quelle: Kosmos, Handweiser für Naturfreunde, Heft 12, 1919, S. 299
Wolfgang (SAGEN.at)
Drei bis acht Wochen nach dem Legen ist die Nachreife der Eier vollendet, und der nunmehr vollständig entwickelte „Lindwurm" bohrt sich als etwa 15 cm lange Natter ein Loch durch die Schale und beginnt hierauf das Leben der Eltern.
In der Gefangenschaft hält sich die giftlose Ringelnatter recht gut und läßt sich mit Milch füttern, ist aber wegen ihres ekelhaften Geruchs, der längere Zeit hartnäckig an Händen und Kleidern haften bleibt, kein angenehmer Pflegling.
Aber noch auf eine andere Erscheinung habe ich hinzuweisen, über die in der mir zur Verfügung stehenden Literatur keine Belege zu finden sind. Als „Hahneneier" werden in manchen Gegenden von den Bauern auch verkümmerte Eier (Windeier ?) von Hühnern bezeichnet, die einen stark ausgeprägten Hahnenkamm besitzen. Es war mir noch nicht möglich, ein solches „maskuliertes" Huhn näher zu untersuchen. Vielleicht weiß jemand nähere Auskunft zu geben, ob es sich in diesem Fall etwa um eine Zwitterbildung, Verkümmerung des Eierstockes oder krankhafte Wucherung handelt.
Dr. Stehli.
Quelle: Kosmos, Handweiser für Naturfreunde, Heft 12, 1919, S. 299
Wolfgang (SAGEN.at)