Ein ähnlicher Friedhof der Namenlosen befindet sich auf der Nordseeinsel Spiekeroog. Wer einmal auf den Nordseeinseln gelebt und gearbeitet hat, weiss, dass vor allem nach winterlichen Stürmen häufiger Wasserleichen angeschwemmt werden. Heute in Zeit moderner Kommunikation und moderner Verkehrsmittel ist in solchen Fällen die Vorgehensweise einfach und klar geregelt: ein Anruf bei der zuständigen Polizeidienststelle und anschließend kommen Beamte von der Kriminalpolizei aus der auf dem Festland liegenden Kreisstadt und übernehmen den Abtransport des Leichnahms zwecks Identifizierung und Feststellung der Todesursache. Oftmals weiss man schon, wer dort liegt, denn schon wenn man sich zur Kontrolle des Sturmflutspülsaumes auf den Weg macht weiss man, ob und wer bei den letzten Stürmen von der See über Bord gespült wurde und trotz sofortiger Rettungsmaßnahmen nicht gefunden worden ist.
In früheren Zeiten war dies ganz anders. Reisen auf die Inseln waren noch zu Segelschiffszeiten sehr zeitaufwendig; und da die Segelschiffe im 19. Jahrhunderts noch über keinen Motor verfügten, kamen bei ungünstigen Winden Strandungen auf den Aussensänden häufig vor. Vielfach ertranken die Besatzungen, obwohl sie das rettende Ufer schon im Blick hatten. Am 6. November 1854 kam es vor Spiekeroog zu einer der größten Schiffskatastrophen in der Deutschen Bucht, als der Segler Johanne, ein Auswandererschiff mit 228 Menschen an Bord, vor der Insel in einem Orkan auf Grund lief. Für die Inselbevölkerung war es nicht möglich, zu Hilfe zu kommen, denn das Schiff lag so unglücklich in der Brandung, dass es für die nur unzureichend ausgestatteten Insulaner unmöglich war, es zu erreichen. Nach dem Ablaufen des Wassers bei Ebbe am folgenden Tag zeigte sich, dass 77 Menschen den Tod gefunden hatten, wovon 26 Leichen an den Strand der INsel gespült wurden. Da allein schon hierfür der kleine Inselfriedhof nicht ausreichte,errichtete man im Osten der Insel einen neuen Friedhof für Heimat- und Namenlose, den Drinkeldodenkarkhof.
Dieses Ereignis hatte jedoch auch noch in anderer Hinsicht Folgen: Der Navigationslehrer Adolph Bermpohl und der Rechtsanwalt Kuhlmay aus Vegesack gehörten zu denjenigen, die die Gründung eines Seenotrettungswerks an der deutschen Küste forderten. Im Jahre 1865 kam es zur Gründung der DGzRS, die seit dieser Zeit viele Menschen vor dem sicheren Tod in der See bewahrt hat. Die Einführung schärferer Sicherheitsmaßnahmen an Bord, die Einführung das Motorantriebs sowie besserer Navigationssysteme trugen ein übriges dazu bei.
Übrigens: fast alle Seenotrettungsschiffe, die auf den Weltmeeren im Einsatz sind stammen aus einer kleinen Werft die sich in Lemwerder auf dem Vegesack gegenüberliegenden Weserufer befindet.