Flugzeug von Jakob Degen Wien 1816
Ein glücklicher Zufall hat den hier nachgebildeten Abdruck eines Maueranschlages gerettet, aus dem wir ersehen, dass schon am 11. Juli 1816 in der Reitschule zu Wien ein angeblich lenkbares Flugzeug öffentlich vorgeführt worden ist. Der Erfinder hieß Jakob Degen, geboren am 17. November 1756 [Anm: 1761!] im Kanton Basel, seit 1766 zu Wien wohnhaft, Anfangs Bandweber geworden, ging er später zur Uhrmacherei über und bestand 1793 die Meisterprüfung.
Seit seiner nunmehrigen Selbständigkeit verfolgte er das Ziel der längst in ihm schlummernden Sehnsucht, eine Flugmaschine zu erbauen. Es ging ihm wie sehr vielen Erfindern: er setzte alle seine Ersparnisse zu und erreichte nichts. Noch 1834 bekleidete er die Stelle eines Werkmeisters bei der Nationalbank zu Wien, bald darauf starb er, verarmt und vergessen. Er war zuerst am 18. April 1808 mit seiner Erfindung an die Öffentlichkeit getreten, wobei seine Maschine eine Höhe von fünfzig Fuß erreichte. Da in dieser Höhe die Lenkbarkeit noch nicht erprobt werden konnte, lieh er sieben Monate später bei neuen Versuchen das Flugzeug von einem mit heißer Luft gefüllten Ballon mehrere hundert Fuß hoch heben, doch war die Lenkvorrichtung dem gerade herrschenden Winde nicht gewachsen. Auch ein 1813 zu Paris unternommener Aufstieg misslang.
Der hier angekündigte Aufstieg von 1816 ist nach dem Bericht eines Augenzeugen als leidlich gelungen und nicht ganz aussichtslos für die Zukunft zu bezeichnen, aber es fehlte ihm die allgemeine Teilnahme, „der hohe Adel und das verehrungswürdige Publikum“ erschien nicht sehr zahlreich, und die Bewohner Wiens unterstützten also nicht gerade „großmütig und nachsichtsvoll“ die neue Erfindung mit reichlichem Eintrittgeld, selbst die „gut besetzte Musik“, die die Anwesenden vor und während der Darstellung unterhalten sollte, lockte nicht genug.
"Degens neu erfundene
sich selbst emporhebende
Maschine
wird heute Donnerstag den 11. Julius 1816 um 5 Uhr
in der k. k. Reitschule am Josephsplatze öffentlich vorgestellet werden"
Nach dem Inhalt des Maueranschlages und dem Bericht des Augenzeugen enthielt das Flugzeug ein Räderwerk, das vor dem Aufsteigen aufgezogen wurde; dadurch wurden Flügel in Bewegung gesetzt, und deren Schläge hoben die Maschine, die natürlich nur so lange fliegen konnte, bis das Räderwerk abgelaufen war. Die Möglichkeit, dass in dem Flugzeug ein Mensch Platz nehmen und mitaufsteigen solle, hatte Degen zwar vorgesehen, aber noch nicht ausgeführt. Die Maschine, sagte er, kann verhältnismäßig so vergrößert werden, dass sie geeignet wäre, auch einen Menschen zu erheben, und es hängt dies von der Unterstützung des verehrungswürdigen Publikums ab, eine so große Maschine hergestellt zu sehen. Die von ihm vorgeführte Maschine hatte nämlich nur zehn Fuß Flügelspannweite. Die schüchtern erbetene Unterstützung blieb aber aus.
Einstweilen führte Degen zwei Maschinen vor, von denen die eine lediglich aufsteigt und wieder herabsinkt, einmal von einem „sich entwickelnden Fallschirm“ getragen. Die zweite wird von einem Luftball gehoben, steigt auf und nieder, bewegt sich aber dazwischen auch wagrecht, und zwar geradlinig und in einem Bogen. Dabei erwähnte er, dass man selbst eine vorgespannte große Taube, überhaupt Vogel nicht zur Lenkung benutzen könne. Endlich zeigte Degen einen taffennen Ballon von mehr als neunzehn Fuß Durchmesser vor, der nächstens dazu dienen sollte, mit einer ganz neu verfertigten Flugmaschine einen Aufflug im Prater zu unternehmen.
Die Degensche Erfindung hält natürlich keinen Vergleich mit den heutigen Flugzeugen aus, verdient aber jedenfalls, in dem hundert Jahre später blühenden Zeitalter der Herrschaft über die Luft gerechterweise der Vergessenheit entrissen zu werden.
Quelle: Flugzeuge vor hundert Jahren, in: Das Neue Universum, Vierzigster Jahrgang, Berlin-Leipzig 1919, S. 141 -142.
Wolfgang (SAGEN.at)
Ein glücklicher Zufall hat den hier nachgebildeten Abdruck eines Maueranschlages gerettet, aus dem wir ersehen, dass schon am 11. Juli 1816 in der Reitschule zu Wien ein angeblich lenkbares Flugzeug öffentlich vorgeführt worden ist. Der Erfinder hieß Jakob Degen, geboren am 17. November 1756 [Anm: 1761!] im Kanton Basel, seit 1766 zu Wien wohnhaft, Anfangs Bandweber geworden, ging er später zur Uhrmacherei über und bestand 1793 die Meisterprüfung.
Seit seiner nunmehrigen Selbständigkeit verfolgte er das Ziel der längst in ihm schlummernden Sehnsucht, eine Flugmaschine zu erbauen. Es ging ihm wie sehr vielen Erfindern: er setzte alle seine Ersparnisse zu und erreichte nichts. Noch 1834 bekleidete er die Stelle eines Werkmeisters bei der Nationalbank zu Wien, bald darauf starb er, verarmt und vergessen. Er war zuerst am 18. April 1808 mit seiner Erfindung an die Öffentlichkeit getreten, wobei seine Maschine eine Höhe von fünfzig Fuß erreichte. Da in dieser Höhe die Lenkbarkeit noch nicht erprobt werden konnte, lieh er sieben Monate später bei neuen Versuchen das Flugzeug von einem mit heißer Luft gefüllten Ballon mehrere hundert Fuß hoch heben, doch war die Lenkvorrichtung dem gerade herrschenden Winde nicht gewachsen. Auch ein 1813 zu Paris unternommener Aufstieg misslang.
Der hier angekündigte Aufstieg von 1816 ist nach dem Bericht eines Augenzeugen als leidlich gelungen und nicht ganz aussichtslos für die Zukunft zu bezeichnen, aber es fehlte ihm die allgemeine Teilnahme, „der hohe Adel und das verehrungswürdige Publikum“ erschien nicht sehr zahlreich, und die Bewohner Wiens unterstützten also nicht gerade „großmütig und nachsichtsvoll“ die neue Erfindung mit reichlichem Eintrittgeld, selbst die „gut besetzte Musik“, die die Anwesenden vor und während der Darstellung unterhalten sollte, lockte nicht genug.
"Degens neu erfundene
sich selbst emporhebende
Maschine
wird heute Donnerstag den 11. Julius 1816 um 5 Uhr
in der k. k. Reitschule am Josephsplatze öffentlich vorgestellet werden"
Nach dem Inhalt des Maueranschlages und dem Bericht des Augenzeugen enthielt das Flugzeug ein Räderwerk, das vor dem Aufsteigen aufgezogen wurde; dadurch wurden Flügel in Bewegung gesetzt, und deren Schläge hoben die Maschine, die natürlich nur so lange fliegen konnte, bis das Räderwerk abgelaufen war. Die Möglichkeit, dass in dem Flugzeug ein Mensch Platz nehmen und mitaufsteigen solle, hatte Degen zwar vorgesehen, aber noch nicht ausgeführt. Die Maschine, sagte er, kann verhältnismäßig so vergrößert werden, dass sie geeignet wäre, auch einen Menschen zu erheben, und es hängt dies von der Unterstützung des verehrungswürdigen Publikums ab, eine so große Maschine hergestellt zu sehen. Die von ihm vorgeführte Maschine hatte nämlich nur zehn Fuß Flügelspannweite. Die schüchtern erbetene Unterstützung blieb aber aus.
Einstweilen führte Degen zwei Maschinen vor, von denen die eine lediglich aufsteigt und wieder herabsinkt, einmal von einem „sich entwickelnden Fallschirm“ getragen. Die zweite wird von einem Luftball gehoben, steigt auf und nieder, bewegt sich aber dazwischen auch wagrecht, und zwar geradlinig und in einem Bogen. Dabei erwähnte er, dass man selbst eine vorgespannte große Taube, überhaupt Vogel nicht zur Lenkung benutzen könne. Endlich zeigte Degen einen taffennen Ballon von mehr als neunzehn Fuß Durchmesser vor, der nächstens dazu dienen sollte, mit einer ganz neu verfertigten Flugmaschine einen Aufflug im Prater zu unternehmen.
Die Degensche Erfindung hält natürlich keinen Vergleich mit den heutigen Flugzeugen aus, verdient aber jedenfalls, in dem hundert Jahre später blühenden Zeitalter der Herrschaft über die Luft gerechterweise der Vergessenheit entrissen zu werden.
Quelle: Flugzeuge vor hundert Jahren, in: Das Neue Universum, Vierzigster Jahrgang, Berlin-Leipzig 1919, S. 141 -142.
Wolfgang (SAGEN.at)
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