Ulrike Berkenhoff
Well-known member
Der Rabe und der Fuchs
Ein Rabe trug ein Stück vergiftetes Fleisch, das der erzürnte Gärtner für die
Katzen seines Nachbarn hingeworfen hatte, in seinen Klauen fort.
Und eben wollte er es auf einer alten Eiche verzehren, als sich ein Fuchs
herbeischlich und ihm zurief : "Sei mir gesegnet, Vogel des Jupiters!" -" Für wen
siehst du mich an? "fragte der Rabe. - "Für wen ich dich ansehe?" erwiderte der
Fuchs." Bist du nicht der rüstige Adler, der täglich von der Rechten des Zeus
auf diese Eiche herabkömmt, mich Armen zu speisen? Warum verstellst du dich?
Sehe ich denn nicht in der siegreichen Klaue die erflehte Gabe, die mir dein Gott
durch dich zu schicken fortfährt?"
Der Rabe erstaunte und freuete sich innig, für einen Adler gehalten zu werden.
"Ich muß", dachte er, "den Fuchs aus diesem Irrtum nicht bringen." -
Großmütig dumm ließ er ihm also den Raub herabfallen und flog stolz davon.
Der Fuchs fing das Fleisch lachend auf und fraß es mit boshafter Freude. Doch
bald verkehrte sich die Freude in ein schmerzhaftes Gefühl; das Gift fing an zu
wirken, und er verreckte.
Möchtet ihr euch nie etwas anderes als Gift erloben, verdammte Schmeichler!
(Gotthold Ephraim Lessing)
Abgeschrieben von Ulrike
Ein Rabe trug ein Stück vergiftetes Fleisch, das der erzürnte Gärtner für die
Katzen seines Nachbarn hingeworfen hatte, in seinen Klauen fort.
Und eben wollte er es auf einer alten Eiche verzehren, als sich ein Fuchs
herbeischlich und ihm zurief : "Sei mir gesegnet, Vogel des Jupiters!" -" Für wen
siehst du mich an? "fragte der Rabe. - "Für wen ich dich ansehe?" erwiderte der
Fuchs." Bist du nicht der rüstige Adler, der täglich von der Rechten des Zeus
auf diese Eiche herabkömmt, mich Armen zu speisen? Warum verstellst du dich?
Sehe ich denn nicht in der siegreichen Klaue die erflehte Gabe, die mir dein Gott
durch dich zu schicken fortfährt?"
Der Rabe erstaunte und freuete sich innig, für einen Adler gehalten zu werden.
"Ich muß", dachte er, "den Fuchs aus diesem Irrtum nicht bringen." -
Großmütig dumm ließ er ihm also den Raub herabfallen und flog stolz davon.
Der Fuchs fing das Fleisch lachend auf und fraß es mit boshafter Freude. Doch
bald verkehrte sich die Freude in ein schmerzhaftes Gefühl; das Gift fing an zu
wirken, und er verreckte.
Möchtet ihr euch nie etwas anderes als Gift erloben, verdammte Schmeichler!
(Gotthold Ephraim Lessing)
Abgeschrieben von Ulrike