Liebesgeschichte
Katharina und Sarah saßen im Garten und tranken Tee. Der Tee war in eine schöne Kanne gefüllt, aus weißem mit Blüten verziertem Porzellan. Er schmeckte mild mit einem Tropfen Milch. Über dem Hausdach in der Ferne kreisten die bunten Drachen der Stadt in der Luft. Ein Hauch ihres voll tönenden Gesanges wehte mit jedem Windstoß zu den Damen in den blühenden Garten hinab.
„Ach wie nett heute die Sonne scheint. Und es ist so schön warm“, sagte Sarah.
„Ja, ich habe auch ganz angenehme Gefühle“, erwiderte Katharina und lächelte mit zwei süßen kleinen Grübchen.
Die beiden waren die allerbesten Freundinnen. Sie wohnten zusammen und halfen sich wo es nur ging bei allen Dingen. Sie trugen hübsche Kleider mit Rüschen, Sarah eines in himmelblau, Katharina eines in orange. Außerdem wohnten sie in einem schönen großen Haus mit kühlen Marmorböden und hellen Vorhängen. Im großen Raum stand ein Klavier auf dem die beiden Freundinnen gerne vierhändig spielten. Sie bekamen oft Besuch von Nono, dem Faun, Eltra, dem Zauberer und Murna, der Fee. Aber auch Kinder, Zwerge und Elfen waren gern gesehene Gäste bei den beiden Damen.
Dennoch hatte Sarah ihre große Liebe noch nicht gefunden. Sie dachte manchmal mit einem seltsamen Ziehen im Herzen daran, dass sie noch nie in ihrem Leben einen Kuss auf den Lippen empfangen hatte. Er musste süß schmecken, so ein Kuss. Und sie dachte daran, dass sie noch nie in die Augen des Mannes gesehen hatte, der ihre eigene Seele darin widerspiegelte. Es musste ein wunderschönes Gefühl sein, schöner noch als alle Gefühle, die sie in ihrem langen glücklichen Leben bisher kennen gelernt hatte.
Während sie im Garten gemütlich an ihrem Tee nippte und gelegentlich glücklich die tanzenden Drachen beobachtete, öffnete sich die Gartentür und der kleine, braunäugige Kobold Bodo kam herein gewuselt. Er trug ein ockerfarbenes Kleid, unter dessen Saum seine lieben, behaarten Zehen hervor guckten. Bodo war ganz aufgeregt, schnaufte wie eine kleine Lokomotive und wedelte mit einem Brief herum.
„Meine Damen“, quiekte er. „Meine Damen! Ich habe eine Nachricht erhalten!“
„Komm her, Bodo, setze dich zu uns.“ Katharina bückte sich und drückte dem lieben Kleinen einen Kuss auf die Wange.
„Ich habe keine Zeit. Ach, meine Damen, es ist ein Unglück geschehen!“
„Was!“ entfuhr es Katharina und Sarah wie aus einem Mund. „Das ist doch nicht möglich!“
„Meine kleine, runde, liebe, dicke Cousine möchte doch einen Ritter des Königs heiraten. Und es wurde ihr nicht erlaubt.“ Bodo ließ traurig den Kopf hängen. „Dabei haben die beiden ihr großes Glück miteinander gefunden.“
„Nein, wie furchtbar“, rief Katharina und schlug die Hände zusammen. „Wer hat es ihnen verboten?“
„Prinz Erton, unser gütiger Prinz Erton. Aber ich kenne die Gründe nicht.“ Bodos Mund formte ein großes, verwirrtes O. Katharina und Sarah wechselten einen Blick.
„Bestimmt ist es nur ein Irrtum“, tröstete Sarah den kleinen Kobold. „Weißt du was? Ich werde persönlich zum Prinzen gehen und mit ihm darüber sprechen.“
„Würdest du das tatsächlich tun? Auf dich wird er hören. Du bist so eine liebe, kluge Frau. Du wirst es in Ordnung bringen!“ Bodo sah vertrauensvoll zu Sarah auf. Sie spürte die Last der Verantwortung plötzlich auf ihren Schultern, aber das verstärkte nur noch ihre Entschlossenheit. Das Glück der Koboldfamilie musste bewahrt werden!
Energisch stand sie auf und nahm ihre kleine Tasche. Was musste sie für diese Unternehmung alles einpacken? Sie musste noch einmal ins Haus um sich vorzubereiten, dann konnte sie aufbrechen.
„Viel Glück, meine Liebe“, sagte Katharina zu ihrer Freundin. „Und du bleibst inzwischen bei mir und trinkst eine Tasse Tee. Das wird dich beruhigen.“ Sie half dem kleinen Kobold auf den frei gewordenen Stuhl zu klettern.
Sarah eilte ins Haus und überprüfte ihren Besitz. Für das Gespräch mit dem Prinzen packte sie eine zartrosa Muschelschale ein, die Schale eines Vogeleies und eine silberne Feder. Dann ging sie los.
Die Stadt war voller leuchtender Schwebekugeln. Eine Gruppe Feen tanzte wiegend unter den tiefhängenden Blättern einer in allen Farben glühenden Weide. Glöckchenmusik schwebte in der Luft. Es duftete nach Zimt und Seide.
Die Königsfamilie wohnte in einem hübschen kugelrunden Haus mit einem lila Dach. Im Garten spielten Löwen mit einigen goldenen Bällen und ein Pfau sang eine Arie. Sarah betrat das Haus durch den Vordereingang. Im Wohnzimmer traf sie auf den König, der gerade eine Perlenkette auffädelte.
„Hallo König“, sagte sie glücklich, weil sie den netten alten Mann sehr gerne hatte.
„Ich mache eine Kette für meine Frau“, sagte er freundlich. „Wie schön dich zu sehen, Sarah. Möchtest du einen Kaffee mit mir trinken?“
„Leider nicht. Ich muss mit Prinz Erton sprechen“, erklärte Sarah. „Wo finde ich ihn gerade?“
„Mein Sohn? Oh, ich glaube er ist bei den Rittern beim Turnierplatz.“
Sarah durchquerte das Königshaus und erreichte durch den Hinterausgang die große Pferdeweide. Einhörner, Pegasusse und Elefanten weideten dort das satte, himbeerfarbene Gras. Daneben lag der Turnierplatz. Die Ritter waren alle versammelt, eine stolze Truppe ruhiger, sanfter Männer, die ihre Schwerter schärften. Prinz Erton beaufsichtigte einen Übungskampf, bei dem zwei Männer mit fliegenden Umhängen ihre Holzklingen gegeneinander krachen ließen.
„Sarah“, begrüßte er die Dame. „Wie schön. Geht es dir gut? Was macht die Gesundheit?“
„Ich kann nicht klagen. Aber mich führt eine dringende Angelegenheit herbei. Ich komme im Namen eines Freundes“, erklärte Sarah und kramte die silberne Feder aus ihrer Tasche. Sie überreichte sie dem Prinzen mit ernsten Augen.
„Diese Feder soll ein Symbol der Liebe sein“, sagte sie sanft. „Ein Symbol der Liebe, die niemals zerstört werden darf.“
Prinz Erton drehte die Feder nachdenklich in den Händen. „Ich werde sie gut aufbewahren“, sagte er schließlich mit einem Lächeln.
„Ich glaube du verstehst nicht. Das Koboldmädchen Omed muss Erfüllung mit ihrem Ritter finden. Du darfst die Hochzeit nicht verbieten.“
„Aber Sarah, sie ist doch ein dickes, rundes Koboldmädchen, sie kann doch keinen meiner stolzen Ritter ehelichen. Das kann ich nicht erlauben“, erwiderte Erton und strich sich eine Haarsträhne aus der verschwitzen Stirn.
Sarah spürte, wie ihr eine Träne über die Wange lief.
„Lieber Prinz“, versuchte sie es erneut und überreichte ihm die Muschel, die sie mitgenommen hatte. „Diese Muschel soll ein Symbol für die Wahrheit des Herzens sein. Wo zwei Herzens zueinander sprechen, darf diese Verbindung nicht zerstört werden.“
Prinz Erton nahm Sarah bei den Schultern und küsste sie brüderlich auf die Wange. „Du bist ein guter Mensch, liebe Sarah. Doch ich muss die Würde meiner Männer bewahren. Das ist meine Pflicht als Sohn des Königs.“
„Würde kommt immer aus dem Inneren, nicht vom Äußeren“, erwiderte Sarah. Nun legte sie die zerbrechliche Vogelschale in die Hand des Prinzen. „So fragil wie diese Eierschale ist das Glück der Menschen. Und wer die Verantwortung dafür trägt, darf es nicht mutwillig zerstören.“
Erton runzelte ärgerlich die Stirn.
„Du raubst mir die Zeit, Regenbogentochter. Mein Entschluss steht, und ich werde ihn nicht ändern. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich habe hier zu tun.“
Damit drehte er sich um und eilte mit langen Schritten zurück zu seinen Männern.
Nun konnte Sarah nicht mehr länger an sich halten. Mit einer halben Drehung sank sie auf das Gras nieder und begann bitterlich zu weinen. Sie hatte das Gefühl, das ihr Herz gebrochen war, obwohl sie doch nicht diejenige war, der eine Hochzeit verboten worden war.
Lange saß sie in der heißen Sonne und schluchzte. Doch plötzlich fiel ein Schatten über sie. Als sie den Kopf hob, sah sie Ritter Géduin, einen hageren Mann mit braunem Haar und ernsten Augen. Er hielt ihr ein Taschentuch hin.
„Liebe Dame Sarah“, sagte er, „dein Kummer ist auch mein Kummer. Was hat dich so betrübt?“
„Ritter Géduin, dein Herr und Prinz hat eine Hochzeit verboten. Und eine Hochzeit ist wie wenn ein Vogel eine Blume küsst.“
Géduin kniete behutsam neben Sarah in das Gras. Sie schwiegen eine Weile und blickten auf ihre Hände nieder.
Dann sagte der Ritter: „Ich weiß wovon du sprichst. Ich kenne das Koboldmädchen. Sie ist so süß wie ein Tropfen Honig, auch wenn sie nicht hübsch ist. Und ihr Ritter liebt sie wegen ihrer weichen Wangen und ihrer schönen runden Augen.“
„So ist es. Sollte dieses Glück zerstört werden?“
„Auf keinen Fall.“ Géduins Gesicht wurde plötzlich hart, die helle Narbe auf seiner Wange trat silbrig hervor wie die Spur eines Kometen.
„Dame Sarah, es gibt eine Lösung. Aber sie kann uns alle die Gunst des Königs kosten. Und vielleicht wird man uns in Verbannung schicken.“
Sarah spürte wie Hoffnung in ihr aufstieg.
„Das soll es mir wert sein“, sagte sie aufrichtig.
„Wir müssen es den Liebenden ermöglichen, heimlich zu heiraten. Wenn du es erlaubst, können sie bei dir im Haus wohnen, bis ihnen der Prinz entweder verziehen hat, oder eine andere Entscheidung über ihr Schicksal getroffen hat.“
„Ich bin einverstanden“, sagte Sarah. „Dann lege ich die Organisation unseres Planes in deine Hände, Ritter Géduin.“
Er lächelte auf sie nieder, es war ein seltsames Lächeln, so dunkel wie der Blick in einen Brunnen. Sarah spürte ein ungewohntes Gefühl in ihrer Brust, aber bevor sie es erforschen konnte, war Géduin schon aufgestanden und eilte davon, nicht ohne zum Gruß noch einmal die Hand zu heben.
Spät in der Nacht kam das glückliche Paar an Sarahs Haustür. Sie hatten in einem Nebelsee geheiratet, während die Schwäne dazu sangen. Géduin gab ihnen Geleitschutz, die Miene düster und die Hand an den Knauf seines Schwertes gelegt. Er entspannte sich erst, als Sarah die Tür öffnete.
„Hier sind unsere Turteltauben“, sagte er zufrieden. „Hast du ein Gästebett für sie? Es ist nicht die romantischste Hochzeitsnacht“, fuhr er an das Paar gewandt fort, „aber es soll die Form nicht über den Inhalt bestimmen.“
„Mein schönstes Zimmer habe ich für sie vorbereitet“, strahlte Sarah. „Oh wie bin ich glücklich. Kommt, kommt alle herein. Ich habe eine Kanne Hollerblütenwein vorbereitet. Trinkt einen Schluck. Auch du, Ritter Géduin.“
Wenig später verschwand das Paar kichernd und glücklich nach oben. Géduin und Sarah blieben zurück. Sie wechselten einen Blick.
„Wird der Prinz sehr zornig sein?“ fragte Sarah.
„Wir werden es sehen.“ Géduin strich sich über die Stirn. Er sah müde aus. „Prinz Erton weiß wohl, was er an seinem ersten Ritter hat, ebenso wie an seinem treuen Untertan Sarah. Vielleicht kann er noch einmal über seinen Schatten springen.“
Wieder berührten sich ihre Augen. Und Sarah erkannte plötzlich, was das seltsame Gefühl in ihrer Brust bedeutete, das aufstieg und tanzte wie eine kleine Glücksperle.
„Ritter Géduin“, sagte sie verblüfft. „Ich wünschte heute Nacht würden wir es sein, die dieses Hochzeitsbett teilen.“
Sie war selbst so erstaunt über ihre Worte, das sie hickste.
Der Ritter machte große Augen.
„Das stimmt“, entgegnete er. „Ich habe fast das selbe gedacht.“ Und dann warfen sie beide die Köpfe zurück und lachten verlegen, verwirrt, plötzlich glücklich.
Ihre Hände fanden zueinander und dann ihre Münder.
Am nächsten Tag kam ein sehr verärgerte Prinz Erton in Sarahs Haus geeilt. Er platzte in das Wohnzimmer ohne vorher zu klopfen.
„Hier treffe ich euch“, schimpfte er, als er Géduin und Sarah sah, die zusammen am Sofa saßen. „Was für eine Frechheit. Ihr habt gegen meinen ausdrücklichen Befehl gehandelt und dieses Paar verheiratet, wurde mir berichtet!“
„Das macht gar nichts“, erwiderte Sarah unbeeindruckt.
Ihre Gelassenheit brachte den Prinzen aus dem Konzept. Er richtete das Wort an Géduin.
„Wer gegen seinen Herrn untreu wird, verdient die Verbannung“, wetterte er.
„Was für einen Sinn sollte das haben?“ entgegnete Géduin verständnislos. Dann lächelten er und Sarah sich strahlend an.
„Ihr müsst nämlich wissen, mein Prinz“, fuhr der Ritter fort, „das es bald eine zweite Hochzeit geben wird.“
„Das bedeutet?“ stotterte Prinz Erton.
„Wir werden heiraten. Unter tanzenden Feen und im Kreis von lachenden Kindern. Bald werden wir für immer vereinigt sein. Und nichts, nichts auf der Welt kann unser Glück dann noch stören“, erklärte Géduin.
„Ach ja?“ quiekte der Prinz. „Und hast du bitte vorher nicht etwas vergessen?“
„Ich wüsste nicht was.“
„Meine Erlaubnis zum Beispiel.“
„Oh.“ Géduin lachte hell auf. Dann stand er auf und zog Sarah mit sich. Die beiden verbeugten sich tief vor dem Prinzen.
„Liebster, gütigster Prinz Erton, wollt ihr uns die gnädige Erlaubnis geben, Hochzeit zu halten, uns Géduin und Sarah?“
Erton starrte die beiden lange Zeit düster an. Dann zog er langsam die silberne Feder aus seiner Jackentasche und streichelte sie mit den Fingern. Er holte auch die Muschel hervor und streichelte sie. Schließlich legte er behutsam die Eierschale auf den Wohnzimmertisch.
„Ich will“, sagte er mit einem jähen Lächeln. „Ihr seid vielleicht nicht treue Diener des Prinzen, aber treue Diener des Herzens. Und jeder weise Herr weiß, dass er seine Diener nur mit dem Herzen regieren kann. Also soll auch mein Herz euch gehören, für immer.“
„Mein Prinz! Wir werden euch dienen“, entfuhr es Sarah. Die beiden stürmten auf den Prinzen zu und sie umarmten sich zu dritt.
„Auch dem unseligen anderen Paar werde ich vergeben. So, und bei so viel Hochzeiten habe ich keine andere Wahl als mich heute tüchtig zu betrinken. Also, Regenbogentochter, lasst den Wein holen und wir wollen anstoßen!“
Und das taten sie auch.
Katharina und Sarah saßen im Garten und tranken Tee. Der Tee war in eine schöne Kanne gefüllt, aus weißem mit Blüten verziertem Porzellan. Er schmeckte mild mit einem Tropfen Milch. Über dem Hausdach in der Ferne kreisten die bunten Drachen der Stadt in der Luft. Ein Hauch ihres voll tönenden Gesanges wehte mit jedem Windstoß zu den Damen in den blühenden Garten hinab.
„Ach wie nett heute die Sonne scheint. Und es ist so schön warm“, sagte Sarah.
„Ja, ich habe auch ganz angenehme Gefühle“, erwiderte Katharina und lächelte mit zwei süßen kleinen Grübchen.
Die beiden waren die allerbesten Freundinnen. Sie wohnten zusammen und halfen sich wo es nur ging bei allen Dingen. Sie trugen hübsche Kleider mit Rüschen, Sarah eines in himmelblau, Katharina eines in orange. Außerdem wohnten sie in einem schönen großen Haus mit kühlen Marmorböden und hellen Vorhängen. Im großen Raum stand ein Klavier auf dem die beiden Freundinnen gerne vierhändig spielten. Sie bekamen oft Besuch von Nono, dem Faun, Eltra, dem Zauberer und Murna, der Fee. Aber auch Kinder, Zwerge und Elfen waren gern gesehene Gäste bei den beiden Damen.
Dennoch hatte Sarah ihre große Liebe noch nicht gefunden. Sie dachte manchmal mit einem seltsamen Ziehen im Herzen daran, dass sie noch nie in ihrem Leben einen Kuss auf den Lippen empfangen hatte. Er musste süß schmecken, so ein Kuss. Und sie dachte daran, dass sie noch nie in die Augen des Mannes gesehen hatte, der ihre eigene Seele darin widerspiegelte. Es musste ein wunderschönes Gefühl sein, schöner noch als alle Gefühle, die sie in ihrem langen glücklichen Leben bisher kennen gelernt hatte.
Während sie im Garten gemütlich an ihrem Tee nippte und gelegentlich glücklich die tanzenden Drachen beobachtete, öffnete sich die Gartentür und der kleine, braunäugige Kobold Bodo kam herein gewuselt. Er trug ein ockerfarbenes Kleid, unter dessen Saum seine lieben, behaarten Zehen hervor guckten. Bodo war ganz aufgeregt, schnaufte wie eine kleine Lokomotive und wedelte mit einem Brief herum.
„Meine Damen“, quiekte er. „Meine Damen! Ich habe eine Nachricht erhalten!“
„Komm her, Bodo, setze dich zu uns.“ Katharina bückte sich und drückte dem lieben Kleinen einen Kuss auf die Wange.
„Ich habe keine Zeit. Ach, meine Damen, es ist ein Unglück geschehen!“
„Was!“ entfuhr es Katharina und Sarah wie aus einem Mund. „Das ist doch nicht möglich!“
„Meine kleine, runde, liebe, dicke Cousine möchte doch einen Ritter des Königs heiraten. Und es wurde ihr nicht erlaubt.“ Bodo ließ traurig den Kopf hängen. „Dabei haben die beiden ihr großes Glück miteinander gefunden.“
„Nein, wie furchtbar“, rief Katharina und schlug die Hände zusammen. „Wer hat es ihnen verboten?“
„Prinz Erton, unser gütiger Prinz Erton. Aber ich kenne die Gründe nicht.“ Bodos Mund formte ein großes, verwirrtes O. Katharina und Sarah wechselten einen Blick.
„Bestimmt ist es nur ein Irrtum“, tröstete Sarah den kleinen Kobold. „Weißt du was? Ich werde persönlich zum Prinzen gehen und mit ihm darüber sprechen.“
„Würdest du das tatsächlich tun? Auf dich wird er hören. Du bist so eine liebe, kluge Frau. Du wirst es in Ordnung bringen!“ Bodo sah vertrauensvoll zu Sarah auf. Sie spürte die Last der Verantwortung plötzlich auf ihren Schultern, aber das verstärkte nur noch ihre Entschlossenheit. Das Glück der Koboldfamilie musste bewahrt werden!
Energisch stand sie auf und nahm ihre kleine Tasche. Was musste sie für diese Unternehmung alles einpacken? Sie musste noch einmal ins Haus um sich vorzubereiten, dann konnte sie aufbrechen.
„Viel Glück, meine Liebe“, sagte Katharina zu ihrer Freundin. „Und du bleibst inzwischen bei mir und trinkst eine Tasse Tee. Das wird dich beruhigen.“ Sie half dem kleinen Kobold auf den frei gewordenen Stuhl zu klettern.
Sarah eilte ins Haus und überprüfte ihren Besitz. Für das Gespräch mit dem Prinzen packte sie eine zartrosa Muschelschale ein, die Schale eines Vogeleies und eine silberne Feder. Dann ging sie los.
Die Stadt war voller leuchtender Schwebekugeln. Eine Gruppe Feen tanzte wiegend unter den tiefhängenden Blättern einer in allen Farben glühenden Weide. Glöckchenmusik schwebte in der Luft. Es duftete nach Zimt und Seide.
Die Königsfamilie wohnte in einem hübschen kugelrunden Haus mit einem lila Dach. Im Garten spielten Löwen mit einigen goldenen Bällen und ein Pfau sang eine Arie. Sarah betrat das Haus durch den Vordereingang. Im Wohnzimmer traf sie auf den König, der gerade eine Perlenkette auffädelte.
„Hallo König“, sagte sie glücklich, weil sie den netten alten Mann sehr gerne hatte.
„Ich mache eine Kette für meine Frau“, sagte er freundlich. „Wie schön dich zu sehen, Sarah. Möchtest du einen Kaffee mit mir trinken?“
„Leider nicht. Ich muss mit Prinz Erton sprechen“, erklärte Sarah. „Wo finde ich ihn gerade?“
„Mein Sohn? Oh, ich glaube er ist bei den Rittern beim Turnierplatz.“
Sarah durchquerte das Königshaus und erreichte durch den Hinterausgang die große Pferdeweide. Einhörner, Pegasusse und Elefanten weideten dort das satte, himbeerfarbene Gras. Daneben lag der Turnierplatz. Die Ritter waren alle versammelt, eine stolze Truppe ruhiger, sanfter Männer, die ihre Schwerter schärften. Prinz Erton beaufsichtigte einen Übungskampf, bei dem zwei Männer mit fliegenden Umhängen ihre Holzklingen gegeneinander krachen ließen.
„Sarah“, begrüßte er die Dame. „Wie schön. Geht es dir gut? Was macht die Gesundheit?“
„Ich kann nicht klagen. Aber mich führt eine dringende Angelegenheit herbei. Ich komme im Namen eines Freundes“, erklärte Sarah und kramte die silberne Feder aus ihrer Tasche. Sie überreichte sie dem Prinzen mit ernsten Augen.
„Diese Feder soll ein Symbol der Liebe sein“, sagte sie sanft. „Ein Symbol der Liebe, die niemals zerstört werden darf.“
Prinz Erton drehte die Feder nachdenklich in den Händen. „Ich werde sie gut aufbewahren“, sagte er schließlich mit einem Lächeln.
„Ich glaube du verstehst nicht. Das Koboldmädchen Omed muss Erfüllung mit ihrem Ritter finden. Du darfst die Hochzeit nicht verbieten.“
„Aber Sarah, sie ist doch ein dickes, rundes Koboldmädchen, sie kann doch keinen meiner stolzen Ritter ehelichen. Das kann ich nicht erlauben“, erwiderte Erton und strich sich eine Haarsträhne aus der verschwitzen Stirn.
Sarah spürte, wie ihr eine Träne über die Wange lief.
„Lieber Prinz“, versuchte sie es erneut und überreichte ihm die Muschel, die sie mitgenommen hatte. „Diese Muschel soll ein Symbol für die Wahrheit des Herzens sein. Wo zwei Herzens zueinander sprechen, darf diese Verbindung nicht zerstört werden.“
Prinz Erton nahm Sarah bei den Schultern und küsste sie brüderlich auf die Wange. „Du bist ein guter Mensch, liebe Sarah. Doch ich muss die Würde meiner Männer bewahren. Das ist meine Pflicht als Sohn des Königs.“
„Würde kommt immer aus dem Inneren, nicht vom Äußeren“, erwiderte Sarah. Nun legte sie die zerbrechliche Vogelschale in die Hand des Prinzen. „So fragil wie diese Eierschale ist das Glück der Menschen. Und wer die Verantwortung dafür trägt, darf es nicht mutwillig zerstören.“
Erton runzelte ärgerlich die Stirn.
„Du raubst mir die Zeit, Regenbogentochter. Mein Entschluss steht, und ich werde ihn nicht ändern. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich habe hier zu tun.“
Damit drehte er sich um und eilte mit langen Schritten zurück zu seinen Männern.
Nun konnte Sarah nicht mehr länger an sich halten. Mit einer halben Drehung sank sie auf das Gras nieder und begann bitterlich zu weinen. Sie hatte das Gefühl, das ihr Herz gebrochen war, obwohl sie doch nicht diejenige war, der eine Hochzeit verboten worden war.
Lange saß sie in der heißen Sonne und schluchzte. Doch plötzlich fiel ein Schatten über sie. Als sie den Kopf hob, sah sie Ritter Géduin, einen hageren Mann mit braunem Haar und ernsten Augen. Er hielt ihr ein Taschentuch hin.
„Liebe Dame Sarah“, sagte er, „dein Kummer ist auch mein Kummer. Was hat dich so betrübt?“
„Ritter Géduin, dein Herr und Prinz hat eine Hochzeit verboten. Und eine Hochzeit ist wie wenn ein Vogel eine Blume küsst.“
Géduin kniete behutsam neben Sarah in das Gras. Sie schwiegen eine Weile und blickten auf ihre Hände nieder.
Dann sagte der Ritter: „Ich weiß wovon du sprichst. Ich kenne das Koboldmädchen. Sie ist so süß wie ein Tropfen Honig, auch wenn sie nicht hübsch ist. Und ihr Ritter liebt sie wegen ihrer weichen Wangen und ihrer schönen runden Augen.“
„So ist es. Sollte dieses Glück zerstört werden?“
„Auf keinen Fall.“ Géduins Gesicht wurde plötzlich hart, die helle Narbe auf seiner Wange trat silbrig hervor wie die Spur eines Kometen.
„Dame Sarah, es gibt eine Lösung. Aber sie kann uns alle die Gunst des Königs kosten. Und vielleicht wird man uns in Verbannung schicken.“
Sarah spürte wie Hoffnung in ihr aufstieg.
„Das soll es mir wert sein“, sagte sie aufrichtig.
„Wir müssen es den Liebenden ermöglichen, heimlich zu heiraten. Wenn du es erlaubst, können sie bei dir im Haus wohnen, bis ihnen der Prinz entweder verziehen hat, oder eine andere Entscheidung über ihr Schicksal getroffen hat.“
„Ich bin einverstanden“, sagte Sarah. „Dann lege ich die Organisation unseres Planes in deine Hände, Ritter Géduin.“
Er lächelte auf sie nieder, es war ein seltsames Lächeln, so dunkel wie der Blick in einen Brunnen. Sarah spürte ein ungewohntes Gefühl in ihrer Brust, aber bevor sie es erforschen konnte, war Géduin schon aufgestanden und eilte davon, nicht ohne zum Gruß noch einmal die Hand zu heben.
Spät in der Nacht kam das glückliche Paar an Sarahs Haustür. Sie hatten in einem Nebelsee geheiratet, während die Schwäne dazu sangen. Géduin gab ihnen Geleitschutz, die Miene düster und die Hand an den Knauf seines Schwertes gelegt. Er entspannte sich erst, als Sarah die Tür öffnete.
„Hier sind unsere Turteltauben“, sagte er zufrieden. „Hast du ein Gästebett für sie? Es ist nicht die romantischste Hochzeitsnacht“, fuhr er an das Paar gewandt fort, „aber es soll die Form nicht über den Inhalt bestimmen.“
„Mein schönstes Zimmer habe ich für sie vorbereitet“, strahlte Sarah. „Oh wie bin ich glücklich. Kommt, kommt alle herein. Ich habe eine Kanne Hollerblütenwein vorbereitet. Trinkt einen Schluck. Auch du, Ritter Géduin.“
Wenig später verschwand das Paar kichernd und glücklich nach oben. Géduin und Sarah blieben zurück. Sie wechselten einen Blick.
„Wird der Prinz sehr zornig sein?“ fragte Sarah.
„Wir werden es sehen.“ Géduin strich sich über die Stirn. Er sah müde aus. „Prinz Erton weiß wohl, was er an seinem ersten Ritter hat, ebenso wie an seinem treuen Untertan Sarah. Vielleicht kann er noch einmal über seinen Schatten springen.“
Wieder berührten sich ihre Augen. Und Sarah erkannte plötzlich, was das seltsame Gefühl in ihrer Brust bedeutete, das aufstieg und tanzte wie eine kleine Glücksperle.
„Ritter Géduin“, sagte sie verblüfft. „Ich wünschte heute Nacht würden wir es sein, die dieses Hochzeitsbett teilen.“
Sie war selbst so erstaunt über ihre Worte, das sie hickste.
Der Ritter machte große Augen.
„Das stimmt“, entgegnete er. „Ich habe fast das selbe gedacht.“ Und dann warfen sie beide die Köpfe zurück und lachten verlegen, verwirrt, plötzlich glücklich.
Ihre Hände fanden zueinander und dann ihre Münder.
Am nächsten Tag kam ein sehr verärgerte Prinz Erton in Sarahs Haus geeilt. Er platzte in das Wohnzimmer ohne vorher zu klopfen.
„Hier treffe ich euch“, schimpfte er, als er Géduin und Sarah sah, die zusammen am Sofa saßen. „Was für eine Frechheit. Ihr habt gegen meinen ausdrücklichen Befehl gehandelt und dieses Paar verheiratet, wurde mir berichtet!“
„Das macht gar nichts“, erwiderte Sarah unbeeindruckt.
Ihre Gelassenheit brachte den Prinzen aus dem Konzept. Er richtete das Wort an Géduin.
„Wer gegen seinen Herrn untreu wird, verdient die Verbannung“, wetterte er.
„Was für einen Sinn sollte das haben?“ entgegnete Géduin verständnislos. Dann lächelten er und Sarah sich strahlend an.
„Ihr müsst nämlich wissen, mein Prinz“, fuhr der Ritter fort, „das es bald eine zweite Hochzeit geben wird.“
„Das bedeutet?“ stotterte Prinz Erton.
„Wir werden heiraten. Unter tanzenden Feen und im Kreis von lachenden Kindern. Bald werden wir für immer vereinigt sein. Und nichts, nichts auf der Welt kann unser Glück dann noch stören“, erklärte Géduin.
„Ach ja?“ quiekte der Prinz. „Und hast du bitte vorher nicht etwas vergessen?“
„Ich wüsste nicht was.“
„Meine Erlaubnis zum Beispiel.“
„Oh.“ Géduin lachte hell auf. Dann stand er auf und zog Sarah mit sich. Die beiden verbeugten sich tief vor dem Prinzen.
„Liebster, gütigster Prinz Erton, wollt ihr uns die gnädige Erlaubnis geben, Hochzeit zu halten, uns Géduin und Sarah?“
Erton starrte die beiden lange Zeit düster an. Dann zog er langsam die silberne Feder aus seiner Jackentasche und streichelte sie mit den Fingern. Er holte auch die Muschel hervor und streichelte sie. Schließlich legte er behutsam die Eierschale auf den Wohnzimmertisch.
„Ich will“, sagte er mit einem jähen Lächeln. „Ihr seid vielleicht nicht treue Diener des Prinzen, aber treue Diener des Herzens. Und jeder weise Herr weiß, dass er seine Diener nur mit dem Herzen regieren kann. Also soll auch mein Herz euch gehören, für immer.“
„Mein Prinz! Wir werden euch dienen“, entfuhr es Sarah. Die beiden stürmten auf den Prinzen zu und sie umarmten sich zu dritt.
„Auch dem unseligen anderen Paar werde ich vergeben. So, und bei so viel Hochzeiten habe ich keine andere Wahl als mich heute tüchtig zu betrinken. Also, Regenbogentochter, lasst den Wein holen und wir wollen anstoßen!“
Und das taten sie auch.