harry
Well-known member
Diesen Brief fand ich vor wenigen Tagen unter verschiedenen Papieren. Er ist fast auf den Tag genau 100 Jahre alt und zeigt die Gedanken eines jungen Mannes wenige Tage vor der Hochzeit zur Zeit des Ersten Weltkrieges:
St. Andrä, am 8.I.1915
Sehr geehrter Herr ...!
Vorerst herzlichsten Dank für den grünen Bindefaden samt Auswüchsen(?). Der erstere bleibt vorläufig wohl verwahrt für kommende Tage.
Eingehend auf die lieben Zeilen der Frau Mama möchte ich folgendes berichten: Wir haben uns fest entschlossen, Leid' und Freud' unseres gemeinsamen Lebens so zu tragen, wie es starken Menschen ziemt. Wohl ist die Gegenwart dunkel, doch nach jeder Nacht ist wieder die Sonnen aufgegangen. Wenn wir uns zur Jetztzeit die Hände reichen, so zeigen wir ja nur Mut und Vertrauen zum Lenker aller Schicksale. Die beste Gewähr für eine friedliche Zukunft ist unsere gegenseitige Liebe und Achtung. Sollte sich jemals Unzufriedenheit in unseren Herzen einstellen, so wollen wir stets des Kriegsjahres eingedenk sein, wie gut es uns ging, während Tausende und abertausende in Not und Elend waren. Der Eindruck der jetzigen Zeit wird in unserem ganzen Leben nachwirken und wir werden dankbar sein.
Als Hochzeitstat [g?] dachten wir uns den 10 Februar. Sonach könnten wir am 31.I., 2. u. 7. Febr. verkündet werden. Der Einfachheit halber und aus Ersparungsrücksichten würden wir uns in St. Andrä trauen lassen. Da wir beide schon über 6 Wochen hier anwesend sind, brauchten wir nur in St Andrä verkündet werden und im Pfarramte ... wären keine Schritte zu unternehmen. Taufschein und Heimatschein hat's Finnerl hier. Bezüglich der Trauzeugen den durch's Finnerls Schreiben ausgedrückten Wunsch bittend wiederholen. Zur sogenannten Versprechung würden wir zwei hiesige, angesehene Männer ersuchen. Wegen der Minderjährigkeit der Braut ist die Anwesenheit des Vaters bei der Trauung unbedingt notwendig, andernfalls das Finnerl großjährig erklärt werden müsste.
Bezüglich des Amtes gibt beiliegender Kartenbrief Aufschluß, der gestern von Dr. Lipsky, Postkommisär eintraf. Nach dem geht es nicht an, daß's Finnerl die Post noch beibehält. Von Frau H. abhängig zu sein, im Falle, daß Herr H. überhaupt einwilligt, wäre gerade nicht angenehm. Zudem bleibt die Höhe des Entlohnungsbetrages Herrn H. überlassen.
Da wir auch später nicht mit diesem Betrage rechnen können, ist es schon besser, wenn wir von allem Anfang an mit dem rechnen, was wir eben haben. Auch würde das Verhältnis zur Frau H. auf die Dauer unverträglich werden. Ihr Dienstbote zu sein, dazu habe ich meine Frau zu lieb. Dürfte noch dazu im Amte hie und da etwas abgehen, käme's Finnerl zum „Draufzahlen“. Wenn man noch bedenkt, wie darunter das Hauswesen leidet, steht es wirklich nicht dafür, daß das Finnerl noch das Amt behält.
Das Finnerl selbst braucht Erholung der Nerven. Schließlich den ganzen Tag im Amte sitzen, nie einen freien Tag haben, muß nervös machen und warum soll sich Finnerl für mich plagen, da rauche und trinke ich lieber nichts und schränke meine Bedürfnisse aufs außerste ein. Auch hat das Finnerl sehr viel zu nähen, eine Musterung der Strümpfe und Wäsche zeigte Arbeit in Hülle und Fülle. Wenn das Amt in einem Hause mit der Wohnung wäre, ginge das noch eher an aber so kann mir Frau H. sogar das Betreten des inneren Kanzleiraumes verbieten. Nun bitte ich, daß's Finnerl mit dem 31. Jänner kündigt. Unter Umständen ist eine Wiederanstellung in einem anderen Orte nicht ausgeschlossen. Wenn ich bischen stolz sein darf, möchte ich mir nicht sagen lassen, meine Frau müsse mir verdienen helfen. Sie hilft mir als treue Lebensgefährtin viel mehr. Mit dem schließt Ihr dankschuldiger und
ergebener H...
Herzliche Grüße u. Handküsse an Frau Mama u. Frl. Tante.
Der Bräutigam war 25 Jahre alt, Schulleiter des Ortes und verstarb 10 Jahre später.
Die Braut war fast 23 Jahre alt und Postangestellte. Als ihr Vater (der Adressat des Briefes) 17 Jahre später verstarb, übernahm sie dessen Geschäft und führte es nach Ablegung der Meisterprüfung in diesem Gewerbe bis zu ihrem Tod 1978 (!)
St. Andrä, am 8.I.1915
Sehr geehrter Herr ...!
Vorerst herzlichsten Dank für den grünen Bindefaden samt Auswüchsen(?). Der erstere bleibt vorläufig wohl verwahrt für kommende Tage.
Eingehend auf die lieben Zeilen der Frau Mama möchte ich folgendes berichten: Wir haben uns fest entschlossen, Leid' und Freud' unseres gemeinsamen Lebens so zu tragen, wie es starken Menschen ziemt. Wohl ist die Gegenwart dunkel, doch nach jeder Nacht ist wieder die Sonnen aufgegangen. Wenn wir uns zur Jetztzeit die Hände reichen, so zeigen wir ja nur Mut und Vertrauen zum Lenker aller Schicksale. Die beste Gewähr für eine friedliche Zukunft ist unsere gegenseitige Liebe und Achtung. Sollte sich jemals Unzufriedenheit in unseren Herzen einstellen, so wollen wir stets des Kriegsjahres eingedenk sein, wie gut es uns ging, während Tausende und abertausende in Not und Elend waren. Der Eindruck der jetzigen Zeit wird in unserem ganzen Leben nachwirken und wir werden dankbar sein.
Als Hochzeitstat [g?] dachten wir uns den 10 Februar. Sonach könnten wir am 31.I., 2. u. 7. Febr. verkündet werden. Der Einfachheit halber und aus Ersparungsrücksichten würden wir uns in St. Andrä trauen lassen. Da wir beide schon über 6 Wochen hier anwesend sind, brauchten wir nur in St Andrä verkündet werden und im Pfarramte ... wären keine Schritte zu unternehmen. Taufschein und Heimatschein hat's Finnerl hier. Bezüglich der Trauzeugen den durch's Finnerls Schreiben ausgedrückten Wunsch bittend wiederholen. Zur sogenannten Versprechung würden wir zwei hiesige, angesehene Männer ersuchen. Wegen der Minderjährigkeit der Braut ist die Anwesenheit des Vaters bei der Trauung unbedingt notwendig, andernfalls das Finnerl großjährig erklärt werden müsste.
Bezüglich des Amtes gibt beiliegender Kartenbrief Aufschluß, der gestern von Dr. Lipsky, Postkommisär eintraf. Nach dem geht es nicht an, daß's Finnerl die Post noch beibehält. Von Frau H. abhängig zu sein, im Falle, daß Herr H. überhaupt einwilligt, wäre gerade nicht angenehm. Zudem bleibt die Höhe des Entlohnungsbetrages Herrn H. überlassen.
Da wir auch später nicht mit diesem Betrage rechnen können, ist es schon besser, wenn wir von allem Anfang an mit dem rechnen, was wir eben haben. Auch würde das Verhältnis zur Frau H. auf die Dauer unverträglich werden. Ihr Dienstbote zu sein, dazu habe ich meine Frau zu lieb. Dürfte noch dazu im Amte hie und da etwas abgehen, käme's Finnerl zum „Draufzahlen“. Wenn man noch bedenkt, wie darunter das Hauswesen leidet, steht es wirklich nicht dafür, daß das Finnerl noch das Amt behält.
Das Finnerl selbst braucht Erholung der Nerven. Schließlich den ganzen Tag im Amte sitzen, nie einen freien Tag haben, muß nervös machen und warum soll sich Finnerl für mich plagen, da rauche und trinke ich lieber nichts und schränke meine Bedürfnisse aufs außerste ein. Auch hat das Finnerl sehr viel zu nähen, eine Musterung der Strümpfe und Wäsche zeigte Arbeit in Hülle und Fülle. Wenn das Amt in einem Hause mit der Wohnung wäre, ginge das noch eher an aber so kann mir Frau H. sogar das Betreten des inneren Kanzleiraumes verbieten. Nun bitte ich, daß's Finnerl mit dem 31. Jänner kündigt. Unter Umständen ist eine Wiederanstellung in einem anderen Orte nicht ausgeschlossen. Wenn ich bischen stolz sein darf, möchte ich mir nicht sagen lassen, meine Frau müsse mir verdienen helfen. Sie hilft mir als treue Lebensgefährtin viel mehr. Mit dem schließt Ihr dankschuldiger und
ergebener H...
Herzliche Grüße u. Handküsse an Frau Mama u. Frl. Tante.
Der Bräutigam war 25 Jahre alt, Schulleiter des Ortes und verstarb 10 Jahre später.
Die Braut war fast 23 Jahre alt und Postangestellte. Als ihr Vater (der Adressat des Briefes) 17 Jahre später verstarb, übernahm sie dessen Geschäft und führte es nach Ablegung der Meisterprüfung in diesem Gewerbe bis zu ihrem Tod 1978 (!)