Das aus meiner Sicht eher enttäuschende und unkritische Buch „Der Attersee. Die Kultur der Sommerfrische“ bringt in Bezug auf Seilbahntechnik und Riese einen erstaunlichen Hinweis:
„Während also die Ufer des südlichen Attersees bereits entdeckt waren, lag der Norden touristisch noch brach, denn vorerst gab es keine dauerhafte Verbindung zwischen den bei den Teilen, weder zu Land noch zu Wasser.
Heutzutage, da der Attersee seit hundert Jahren primär von Norden und Westen her erschlossen wird, ist es schwer vorstellbar, dass im frühen 19. Jahrhundert der aus heutiger Sicht „hinterste Winkel" des Sees, nämlich der Ort Weißenbach, der Nabel zur großen weiten Welt war - jedoch leicht verständlich, wenn man weiß, dass das Wirtschaftsleben der Seebewohner seit Jahrhunderten in diese Richtung orientiert war, nämlich durch das Weißenbachtal hindurch ins innere Salzkammergut. Mitte des 16. Jahrhunderts waren dort die Holzvorräte für die Salzproduktion verbraucht, sodass man nach neuen Wäldern suchte, die geschlägert werden konnten. Im Attergau und rundum den Attersee wurde man fündig: Hier gab es Holz nicht nur in ausreichenden Mengen, sondern auch in unterschiedlichen Qualitäten. Einerseits wurden enorme Mengen an Brennholz für die Sudpfannen, andererseits Bauholz für Pölzungen der Stollen, zur Wartung der Wasserriesen und für Rohre benötigt, durch die die Sole geleitet wurde. „Die zum Versieden erforderliche Sole wurde auf einer Gesamtlänge von 40 km in hölzernen Röhren von den Hallstätter Bergwerken bis zu den Ebenseer Sudpfannen geleitet. Dieses einmalige Bauwerk bestand aus 13000 durchbohrten, luftdicht ineinander gesteckten Lärchenstämmen und kann wohl als ‚die älteste Pipeline der Welt’ bezeichnet werden." Nicht zuletzt musste man für den Transport Boote und Salzfässer bauen - der Holzbedarf der Salinen war zweifellos beachtlich.
Diese wirtschaftlich motivierten Begehrlichkeiten am Rohstoff Holz bescherten den Menschen rund um den Attersee, die neben der Holzverarbeitung und dem Kalkbrennen vorwiegend Fischfang, Jagd und Landwirtschaft für ihre jeweiligen „Herrschaften" betrieben, einen präindustriellen Aufschwung. Bislang war man auf Schiffsbau spezialisiert, aber auch die Produktion von kleinen Holzwaren wie Schüsseln, Besteck usw. brachte ein stetes Einkommen. Die seit dem Mittelalter bestehenden Sägemühlen an der Ager, dem Abfluss des Attersees, lieferten das Schnittholz, die handgefertigten Waren wurden seit jeher mit den speziellen, ebenfalls am Attersee hergestellten „Ager-Zillen" oder den „Traunerln" weiter über die Traun in die Donau und bis nach Wien verschifft.
Als Zulieferer für die kaiserlichen Salinen galt es nun Baumstämme möglichst rationell zum Endverbraucher zu schaffen. Dazu musste erst einmal der Attersee selbst überquert werden: das Hallholz wurde mittels Plätten nach Weißenbach gebracht, das sich zum zentralen Holzumschlagplatz der Region entwickelt hatte. Um das nach der Zwischenlagerung getrocknete und dadurch leichtere Holz zur Traun transportieren zu können - wo es dann nach Ebensee hinuntergeschwemmt wurde-, musste man jedoch eine Anhöhe im Weißenbachtal überwinden wofür Anfang des 18. Jahrhunderts eine technologische Lösung gefunden wurde, die in ihrer baulichen Ausformung als prämodern (der Begriff „modern“ existiert im Deutschen als französisches Fremdwort seit 1727 in der Bedeutung von „neu“ im Gegensatz zu „antik“, „alt“.) bezeichnet werden kann.
In den Jahren
1721/22, nach geschätzter zehnjähriger Entwicklungsarbeit durch zwei Ischler Holzknechte (Bezüglich der Namen der beiden Holzknechte konnten keine übereinstimmenden Angaben gefunden werden), wurde ein
90 Meter langer schräger Aufzug in Holzkonstruktion errichtet, der nach dem Standseilbahnprinzip funktionierte. Durch ein Wasserrad im Gimbach angetrieben, wurde der eine mit Holz beladene Wagen auf Rädern an einem Seil hinaufgezogen, während der andere leer hinunterfuhr. Am höchsten Punkt kippte man das Holz in eine Wasserriese, einem aus Planken gefertigten Kanal, wo es fünf Kilometer im Gefälle hinab in die Traun geschwemmt wurde. Diese technologisch geniale Anlage (die ersten historisch erwähnten Standseilbahnen datieren aus dem frühen 19. Jahrhundert als Schiffshebewerke in Amerika.
Die Ischler Holzknechte waren praktisch 100 Jahre ihrer Zeit voraus.) war 145 Jahre lang in Betrieb, brannte einmal ab, wurde wiederaufgebaut und gab den Menschen am See für fünf Generationen Arbeit. Die Hallholzproduktion bot sichere Arbeitsstellen; die Salinen als Arbeitgeber sorgten sogar für eine Sozialversicherung. Dafür mussten sich die Holzarbeiter permanent zur Verfügung halten und durften nur mit Genehmigung des Salzamtes aus dem Arbeitsgebiet ausreisen.
Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Industrialisierung einsetzte, suchte man auch bei der Salzproduktion nach Rationalisierungsmöglichkeiten und wurde beim Brennstoff fündig: Der Umstand, dass Braunkohle wesentlich effizienter und daher billiger für den Betrieb war und direkt mit der Bahn aus dem Hausruck nach Ebensee geliefert werden konnte, brachte die Hallholzgewinnung rund um den Attersee zum Erliegen. 1871 wurde der Holzaufzug abgetragen, lediglich die gemauerten Unterkunftshäuser für das Personal blieben erhalten, wobei eines davon zu einem Jagdhaus für Kaiser Franz Joseph I. umgestaltet wurde.
Das Forstamt Attergau in Weißenbach verlagerte sein Geschäft nun vollständig zum nördlichen Seeufer hin, zu mal es seit 1882 einen Bahnanschluss in Kammer-Schörfling gab und die Liefermöglichkeit nach Wien dadurch beschleunigt wurde. Die Holzwirtschaft im Atterseegebiet konnte trotz Ausfall eines Großabnehmers gut gehalten und später durch neue Industriezweige wie die Papierindustrie in Lenzing, einem flussabwärts an der Ager gelegenen Ort, verstärkt werden. Evident wird die historische Macht des Holzes bei einem juristischen Blick auf den See selbst: Die Verwaltung des Attersees liegt seit 2002 in Händen der Österreichischen Bundesforste.“
Quelle: Judith Eiblmayr, „Der See und der Mensch. Werden und Nutzung
einer Kulturlandschaft“ in: Der Attersee. Die Kultur der Sommerfrische, Wien 2008, S. 89 – 91.
Die Fotos zeigen ein Modell des Holzaufzuges als Detail des „Hallholz-Transportweges“ im Heimathaus Steinbach. Hierbei wurden die Stämme, die sich in einem Auffangbecken im Wasser befanden, zu mehreren in zwei hölzerne Seilbahnwagons verfrachtet, welche gegengewichtig in hölzernen Schienen die Bergstation erreichten. In der Mitte der beiden Schienenwege befand sich eine Treppe für Wartungsarbeiten an der auf ganzer Strecke überdachten Anlage.
Wolfgang (
SAGEN.at)