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Besuch des Bergbau Rerobichl

SAGEN.at

Administrator
Teammitglied
Vor einigen Tagen hat mir jemand erzählt, er habe in den 1950er Jahren das Bergwerk Rerobichl in Oberndorf bei Kitzbühlel befahren.

Der Hl.-Geist-Schacht des Bergwerk Rerobichl (ausführlich beschrieben auf unseren Bergbau-Dokumentationen) erreichte im Jahr 1618 eine Tiefe von 886 m und lag 140 m unter dem Meeresspiegel. Der Schacht blieb bis 1872, also 254 Jahre lang, der tiefste Schacht Europas.

Laut meinem Erzähler sei der Hl.-Geist-Schacht vollständig und unversehrt erhalten, lediglich "abgesoffen", also mit Wasser gefüllt. Für die Begehung in den 1950er Jahren musste monatelang das Wasser abgepumpt werden, anschließend war die Begehung problemlos. Leider hatte er nur Erlaubnis für kurze Zeit und musste sich damit auf andere Forschungen beschränken, für volkskundliche und kulturgeschichtliche Untersuchungen blieb ihm damals keine Zeit.

Es würde mich daher interessieren, ob von diesen Begehungen weitere Dokumente (Berichte, Fotos etc.) bekannt sind? Wer kennt hierzu Quellen, Erzähler, Zeitungsausschnitte...

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Hi!

Ich kenne die alten Stollen teilweise (hat mir früher mein Grossvater gezeigt). Die gibts heute auch noch, sind aber wenig spektakulär (verschüttet, voll mit Wasser).

Das in den 50er Jahren da alte Stollen abgepumpt worden wären ist mir nicht bekannt (kann aber gut sein, weil der Bergbau da in den 70iger Jahren wieder reaktiviert werden hätte sollen, wegen protesten kam es aber nicht dazu).

Kann mir nicht wirklich vorstellen das da noch einer wirklich erhalten ist (die waren nur mit Holzbalken gesichert, und der Boden in der Gegend ist sehr sumpfig).

Der größte davon den ich gesehen habe war 10-15 m tief danach alles wasser/schlamm.

Werde aber nochmal meinen Grossvater dazu befragen, der wäre Zeitzeuge und Anrainer.
 
Hallo Sirix,

vielen Dank für Deine Antwort!

Mein Erzähler ist in den 1950er Jahren abgestiegen, damals hat man die Stollen vorübergehend abgepumpt. Allerdings war der Abstieg aus Sicht des Erzählers enorm gefährlich - und dieser Mann gehört zu den erfahrendsten Bergbau-Kennern in Tirol...

Es gibt noch einen zweiten der in den 1950er Jahren abgestiegen ist, jener hat auch einen geologischen Bericht geschrieben, exaktes Zitat dazu hier in Kürze.

Das Problem war bei diesen, wie gesagt enorm gefährlichen Abstiegen, dass die Forscher nur ganz kurz Zeit (wenige Stunden) hatten und innerhalb dieser kurzen Zeit möglichst rasch geologisch relevante Informationen bringen mussten.

Mein Erzähler hat mir berichtet, er hätte sehr wohl sozusagen im "Augenwinkel" eine Menge kulturelle bzw volkskundlich relevante Gegenstände in den Stollen der Bergwerks gesehen, es war auf Grund des steigenden Wasserstandes keine Zeit dazu, diese auch nur näher wahrzunehmen.

Sowohl die Schilderung meines Erzählers deckt sich mit Deiner Schilderung, dass das Bergwerk Rerobichl leider doch eher sumpfig ist - eine Befahrung für spätere Generationen erscheint leider doch unwahrscheinlich.

Wenn Du von Deinem Großvater weitere Infos/Erzählungen/Fotos bekommst, lasse uns bitte wissen.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Hallo Sirix,

nach Herbert Kuntscher 1986 wurden im Jahr 1970 die Schürfrechte des Bergwerk Rerobichl von der Mitterberger Kupferbergbau GmbH an die südafrikanische Minengesellschaft "Union Carbide Ltd." verkauft, die daraufhin in Wiesenschwang (750 m Tiefe) und Astberg (450 m Tiefe) Probebohrungen zum Abbau von dort anscheinend vorkommendem Uran unternahm. Da man eine Beeinträchtigung des Fremdenverkehrs befürchtete gab es große Proteste und das Vorhaben wurde abgewürgt.

Nach der großen Zeit des Bergbaues bis 1774 gab es Wiederbelebungsversuche 1851-1867, 1908-1916, 1950-1955 und 1970.

In den Jahren 1952 bis 1955 wurde von einer Arbeitsgemeinschaft "Bergbau Häring" und "Bergbau Mitterberg" (Salzburg) mit Aufschliessungsarbeiten begonnen, wobei im östlichen Teil des Bichlach zwischen Goldene Rosen- und Rosenberg-Schacht ein Schurfschacht von 3 x 4 m begonnen und eine Tiefe von 140 m erreicht wurde. Dabei wurden mehrfach Querstrecken angebracht. Der Bergbau wurde 1955 beendet. Damals konnte man einige Schächte, so zB den Hl. Geist- oder Ruedlwald-Schacht noch gut lokalisieren. In der Folge wurden alle Knappenhäuser abgetragen und die Schächte zugeschüttet.

Laut Kuntscher ist das Bergwerk Rerobichl ein Musterbeispiel dafür, wie rasch Spuren menschlicher Tätigkeit von der Natur ausgelöscht werden. Handelte es sich beim Bergwerk Rerobichl doch laut G. Mutschlechner als das bedeutsamste Bergwerk der Region.

Im Jahr 1540 waren 600(!) Schächte nebeneinander im Ausbau, die technischen Glanzleistungen imponierten in der Technik über Jahrhunderte. Das technisch besonders Schwierige war die Schachtbauweise. Durch die geringe Überhöhung vom Talboden und die in die Tiefe führenden Erzgänge waren Stollen nicht möglich. Handabbau, die "Wasserkunst" (pferdebetriebene Göppel zum Austragen des eindringenden Wassers) und die Fördermethoden via Handkorb an Hanfseilen waren ebenso beachtlich wie die Tiefe: im Jahr 1572 erreichte der Hl. Geist-Schacht 707 m und der Gsöllenbau und Rosenschacht über 600 m Tiefe.

Im Jahr 1618 erreichte der Hl. Geist-Schacht 886 m Tiefe und lag damit 140 m unter dem Meeresspiegel. Er war bis 1872 der tiefste Schacht Europas und war so berühmt, dass auch Jules Verne in seinem Roman "Die Reise zum Mittelpunkt der Erde" diesen erwähnte.

Auch der Goldene Rosen- und der Fundschacht reichten unter das Meeresniveau, so dass im Jahr 1626 überraschend Salzwasser festgestellt wurde. Mit Hilfe des Pfannhausamtes in Hall wurde eine Sudpfanne aufgestellt in der die in Ledereimern nach oben beförderte Sole zu Salz "gesotten" wurde. Ein kapitaler tödlicher Fehler, der tausende Tote in der Region verursachte!

Zurück zu den Befahrungen der 1950er Jahre:

Einer der Befahrer war Hans Helbrich, der seinen Bericht: "Die Ergebnisse der praktisch-geologischen Untersuchungen im alten Bergbau Röhrerbühel (Tirol) anläßlich der Schurfarbeiten in den Jahren 1952 - 1955" veröffentlicht hat. Der Text ist hochwissenschaftlicher geologischer Natur und für Nicht-Geologen schwer verständlich, zudem sind keine kulturellen Beobachtungen oder Feststellungen zum Erhalt der historischen Schächte enthalten.

Die von Helbrich gezeichnete äußerst detaillierte geologische Grubenkarte im Masstab 1:1000 und 1:500 hänge ich als Anhang an, diese ist tatsächlich sehr interessant. (Anmerkung: Hier nur sehr klein, bei Interesse an Scan in voller Größe bitte PN.)

Das ist in etwa das heute vorliegende Wissen.

Alles was sonst noch zu diesem Bergwerk in Erinnerung, Erzählung, Foto etc auftauchen würde, wäre spannend.

Wolfgang (SAGEN.at)
 

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Hab jetzt meiner Opa dazu befragt, er meint das war so irgendwann um 1950. Es wurde der Hauptstollen ausgepumpt (der ehemals der tiefste Europas war), es waren damals auch Leute unten, aber es hat einen Unfall mit der Anbohrung eines Nebenstollens der voller Wasser war gegeben. Damals wären fast einige Leute verunglückt. Heute ist der Stollen noch immer sichtbar, aber alles voller Wasser. Dort wurde früher Kupfer und Silber abgebaut. Es gab viele Bergwerkstollen in der Gegend und am Astberg (Kupfer). Die Karte von dir ist wirklich ziemlich klein und schwer zu erkennen.

Dieser Stollen liegt in diesem Bereich:



Wo sie später Uran abbauen wollten:
 
Uranerzbergbau ist ein interessantes Stichwort. Kam es zum Abbau?
Bei uns in Sachsen waren Abbaustätten u.a. in Schlema (siehe virtuelles Museum unter http://www.museum-uranbergbau.de/ und ganz in der Nähe direkt neben der Festung Königstein. Ich mache in diesem Sommer noch Fotos von den Resten der Grube, welche zur Sanierung stehen blieben. Alles lief unter der WISMUT, in der DDR so etwas wie ein "Staat im Staate". Interessant war auch der Transport des uranhaltigen Erzes. Offene Seilbahnkipploren bis zu einem kleinen Verladebahnhof bei Pirna-Naunhof. Leider steht die Anlage nicht mehr.

Dresdner
 
Zur Geschichte des Bergbau Rerobichl sind nun sehr gute und detailierte Unterlagen hinzugekommen. Weiters Vergleiche historischer Karten sowie deren Lokalisierung in heutige Google-Maps Karten.

Zu finden auf SAGEN.at im Kapitel Bergbau.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Zum Beitrag von Sirix.
Meines Wissen war im Bereich vom Rerobichl nie die Absicht Uran abzubauen ( auch keines vorhanden ), sondern im Bereich von Fieberbrunn. Im rot umrandeten Feld in der Nähe von " Lindern " wollte das Ziegelwerk Hopfgarten Lehm abbauen.
 
Hallo Administrator!

Zu Deinem Bericht vom 17.2.2010 habe ich eine Frage u.zw. woher weißt du, dass durch das Rerobichler Salz tausende Menschen umgekommen sein sollen?
Ich kenne eine Menge von Berichten über den Röhrerbüheler Bergbau und dessen salinaren Erscheinungen (Franz v. Posepny, Max von Wolfskron, Max von Isser, Albert Nöh u.a.).

Am ausführlichsten beschreibt es Joseph von Senger 1825 in seinem Bericht "Das verlassenen Bergwerk am Röhrerbühel" und daher möchte ich ihn hier zitieren:
"Am Schlusse muß ich des sehr merkwürdigen Umstandes erwähnen, daß das Grubenwasser am Röhrerbühel viel Kochsalz enthielt. Aus dem Vertrage, der am 3. März 1633 mit den Fuggern wegen Überlassung einiger Bergwerksantheile geschlossen wurde, entnimmt man zugleich, daß am Röhrerbühel wirklich eine Salzpfanne bestanden hat, und daß man alle Hoffnung hatte, daselbst ein Salzwerk emporzubringen; denn in diesem Vertrage wird sich von der Seite des Landesfürsten die Salzpfanne ausdrücklich vorbehalten, und der Röhrerbühel wird da bestimmt ein Salz- und Bergwerk genannt. Aus einer Rathschlagshandlung der tirolischen Regierung mit den Bergbeamten am Röhrerbühel vom Jahre 1635 geht das Datum hervor, daß im Jahre 1634 von dem am Röhrerbühel erzeugten Salze wirklich 715 fl gelöset worden sind. Aber bald darauf ist das Salzwasser durch den Einbruch des Fundschachtes getrübt worden, und da man im Publikum klagte, das hieraus erzeugte Salz sei besonders dem Hornvieh schädlich, hat man mit der Versiedung dieses Wassers wieder ganz aufgehört. Eine alte Zeche hat sogar den Namen „Pfannhauszeche“ geführt. Noch kurz vor der Auflassung des Werkes fanden sich in dem Goldenrosen-Schachte am siebenten Laufe gegen den Geistschacht zwei feuchte Orte, und ein anderer auf dem sechsten Laufe nächst dem Füllorte, wo sich an den Stollenstempeln salzichte Zäpfchen ansetzten. Das Salz war zwar von etwas ekelhaftem Geschmacke, aber die Bergarbeiter verwendeten es doch zu ihrem Kochbedarfe. Das Ekelhafte im Geschmacke dieses Salzwassers ist leicht begreiflich. Es drang durch das Thonschiefergebirge und durch Gegenden, wo Kupfererze lagen, und mit denselben sowohl der aufgelöste Alaun als der Kupfervitriol sich vereinigte."

Soweit Joseph von Senger. Er spricht hier also davon, dass das Salz dem Hornvieh schädlich und von ekelhaftem Geschmack sei, nicht aber, dass Menschen wegen seines Genusses gestorben wären.
 
Hallo Arthur,

ich habe heute nochmals bei dem Erzähler nachgefragt, er meint sich erinnern zu können, um 1970 in einer regionalen Veröffentlichung (evt Zeitungsartikel in Kitzbühel?) von 900 Toten durch das Salz gelesen zu haben. Er sucht diese Veröffentlichung in seinem Archiv, er kann aber nicht versprechen, sie zu finden.

Einen Hinweis findest Du bei Albert Nöh, Der Silber- und Kupferbergbau Röhrerbühel bei Kitzbühel in Tirol, Schwaz 1949 zur Salzgewinnung am Rerobichl.

Herbert Kuntscher schreibt in "Höhlen, Bergwerke, Heilquellen in Tirol und Vorarlberg", 1986, in Kapitel 6, Der Silber- und Kupferbergbau Rerobichl mit Europas tiefsten Schächten, S. 52 - 53:

"Anno 1626 wurde überraschend Salzwasser festgestellt. Schon zwei Jahre später sammelte man die "Salzlasur" im H. Geist-Schacht in hölzernen Gefäßen. Mit Hilfe des Pfannhausamtes in Hall wurde eine Sudpfanne aufgestellt, in der in Ledereimern nach oben beförderte Sole zu Salz "gesotten" wurde. Die Produktion betrug 600 - 700 Zentner (3376 - 3938 kg) im Jahr.

Das "Perckh- und Salzwerckh" wurde nach Ausweisung protestantischer Familien von den Gewerken stillgelegt und dem Landesfürsten überlassen. Nach einer Beteiligungskonstruktion, bei der die Fugger im Spiel waren, wurde der Rerobichl ab 1662 endgültig landesfürstlicher Betrieb. Er erforderte in den folgenden Jahrzehnten Zuwendungen aus der Landeskasse und war nicht rentabel. Zum Mißerfolg trug die schlechte Qualität des gewonnenen Salzes bei, das mit Kupfer und anderen Elementen verunreinigt war und nicht nur schlecht schmeckte, sondern auch giftig wirkte."

Wie gesagt, wir suchen noch die für die Behauptung in Frage kommende Publikation.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
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