Hallo Antje,
zu Deiner Frage lassen wir am besten Jakob und Wilhelm Grimm (Brüder Grimm) in ihrem dritten Band der "Kinder und Hausmärchen" (1822, 1856) selbst sprechen:
"Drei Erzählungen aus Hessen, den Maingegenden und dem Paderbörnischen. Die letztere hat einen andern Eingang. Nichts davon, daß der König die stolze Tochter zwingen will den ersten besten zu heirathen. Es kommt aber ein schöner Spielmann unter das Fenster des Königs, den er herauf rufen läßt; sein Gesang gefällt ihm und seiner Tochter. Der Spielmann bleibt längere Zeit am Hofe und wohnt der schönen Jungfrau gegenüber, so daß er in ihre Fenster und sie in seine blicken kann. Sie sieht einmal daß er mit seinen Fingern ein goldenes Rädchen anrührt, worauf ein schöner Klang daraus geht. Als er nun wieder kommt, bittet sie ihn das goldene Rädchen ihr zu bringen: er muß ihr zeigen wie es gespielt wird. Sie lernt es und verlangt von ihrem Vater auch ein solches Instrument; alle Goldschmiede des Reichs werden zusammen berufen, aber keiner ist im Stand es zu verfertigen. Da ist die Königstochter sehr traurig, und wie der Spielmann das bemerkt, sagt er wenn sie ihn zu heirathen Lust habe, wolle er ihr das künstliche Werk geben; aber sie spricht voll Hochmuth nein. Über eine Zeit sieht sie aus dem Fenster wie der Spielmann ein Häspelchen dreht, wobei die herrlichsten Töne klingen. Sie will es sehen und verlangt ein ähnliches, aber die Goldschmiede können noch weniger ein so kunstreiches Werk hervorbringen. Nun bietet ihr der schöne Spielmann Rädchen und Häspelchen an, wenn sie ihn heirathen wolle, und da ihr Lust zu beiden allzugroß ist, so sagt sie ja. Bald aber kommt die Reue, und der Stolz läßt ihr keine Ruhe. Sie will ihr Wort zurücknehmen, doch der König zwingt sie, und die Hochzeit wird gefeiert. Nun führt sie der Spielmann in das armselige Waldhaus; das übrige stimmt mit unserm Märchen und ergänzt es. Auf dem Ball, als der Topf mit dem Essen zur Erde fällt, sinkt sie vor Schrecken ohnmächtig nieder. Beim Erwachen liegt sie in einem prächtigen Bett, und der schöne Spielmann ist ein König. Eine vierte Erzählung hat folgendes eigenthümliche, die Königstochter läßt bekannt machen sie wolle dem ihre Hand geben, der errathen könne von welchem Thier und welcher Gattung eine ohne Kopf und Füße ausgespannte Haut sei; sie war aber von einer Wölfin. Bröselbart erfährt das Geheimniß, räth mit Fleiß fehl und kommt dann als Bettler verkleidet wieder, um recht zu rathen. Vergl. bei Pröhle Kindermärchen Nr. 2. Im Pentamerone (4, 10) der bestrafte Hochmuth. Norwegisch Hakon Borkenbart bei Asbjörnsen Thl. 2.
Drosselbart heißt auch Bröselbart, weil die Brotbröseln vom Essen in seinem Bart hängen blieben; in einem Lied von Nithard kommt ein Brochselhart vor (Benecke Beiträge S. 291), vielleicht Brochselbart? Die beiden Namen liegen sich zwar zur Verwechslung nah, denn bei Ulfilas heißt ein Brosen drauhsna; man darf aber Drosselbart ebenwohl von Drossel, Drüssel, Rüßel, Maul, Nase oder Schnabel herleiten, wozu das Märchen sich gleichfalls schickt."´
Quelle: Kinder und Hausmärchen gesammelt durch die Brüder Grimm, Dritter Band, Dritte Auflage, Göttingen 1856, S. 86 - 87.
Wolfgang (SAGEN.at)