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300 Jahre Meißner Porzellan

Dresdner

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Sachsen feiert in diesen Tagen das 300-jährige Jubiläum des europäischen Porzellans.

Hochkarätige Sonderausstattungen wurden im Japanischen Palais der Staatlichen Kunstsammlungen Dresdenund sowie auf der Meißner Albrechtsburg eröffnet. Dazu kommt die Porzellansammlung im Dresdner Zwinger, deren Ausstellungsräume in den vergangenen Jahren aufwändig saniert wurden.

In den lokalen Medien wird der Geschichte des europäischen Porzellan ein breiterer Raum als sonst üblich eingeräumt.

"Porzellan als Fest der Sinne" - die Meißner Ausstellung:

Porzellan als Fest der Sinne


300 Jahre nach Gründung der Porzellan-Manufaktur Meissen inszeniert die dortige Albrechtsburg das Ereignis als Fest der Sinne. Unter dem Titel „Stein der Weis(s)sen“ wurde am Freitag die Jubiläumsausstellung der Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen eröffnet. Auf rund 1600 Quadratmetern widmet sie sich bis 31. Oktober der Herstellung des „Weißen Goldes“ und seiner Vermarktung. Wichtigstes Exponat ist die Albrechtsburg selbst. Sie war von 1710 bis 1863 erste Produktionsstätte für Meissener Porzellan - erst dann zog die Manufaktur an ihren heutigen Standort in der Talstraße um.

„Die Albrechtsburg wird aus dem Dornröschenschlaf erweckt“, frohlockte Sachsens oberster „Schlossher“, Christian Striefler. Tatsächlich hat der Staatliche Schlösserbetrieb für eines seiner Prestige-Objekte weder Kosten noch Mühen gescheut. In die Exposition wurden rund zwei Millionen Euro investiert. Seit 1990 hat Sachsen für die hoch über der Elbe gelegene Albrechtsburg rund 21 Millionen Euro ausgegeben. Bis auf Restarbeiten ist das imposante Bauwerk saniert. Burgdirektor Uwe Michel hofft 2010 auf rund 150.000 Gäste. In der Bauphase kamen jährlich etwa 80.000 bis 90.000 Besucher.
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Herzstück der Schau ist ein interaktives Modul, das die damaligen Produktionswege vom Kaolin bis zum Versand darstellt. In einer Experimentierwerkstatt können Gäste selbst das berühmte Porzellan mit dem Markenzeichen der Gekreuzten Blauen Schwerter herstellen. Das fertige Produkt bleibt allerdings auf der Burg, dämpfte Kuratorin Simone Schellenberger Erwartungen. Nach ihren Aussagen brachte die Beschäftigung mit der Materie keine neuen Erkenntnisse über die Porzellan-Historie. Allerdings wurden im Burghof die Fundamente eines originalen Brennofens gefunden.

Die Schau belegt nicht nur den Wandel des Meissener Porzellans von einem Luxusgut zum Alltagsgeschirr. Auch das Agieren der Manufaktur auf einem später hart umkämpften Markt wird thematisiert. Zu den besten Zeiten arbeiteten rund 800 Menschen auf der Albrechtsburg - so viele wie es aktuell in der Staatlichen Porzellan-Manufaktur sind. Zu DDR-Zeiten waren es gut 1000 mehr. 1810 hatte die Unternehmung sogar kurz vor dem Ende gestanden. Technologische Neuerungen verhalfen der Manufaktur aber immer wieder zu neuem Glanz.

Die Schau auf der Albrechtsburg reiht sich in die Feiern zum 300. Manufaktur-Geburtstag ein. An diesem Samstag wird im Japanischen Palais Dresden die Ausstellung „Triumph der Blauen Schwerter“ eröffnet. Das Palais hatte Sachsen-Herrscher August der Starke (1670-1733) einst als Porzellanschloss konzipiert. Am Sonntag folgt im Berliner Ephraim-Palais die Präsentation „Zauber der Zerbrechlichkeit“ - auch sie betrachtet Meissen im Kontext der europäischen Porzellan-Konkurrenz. (dpa)

Quelle: sz-online / Jörg Schurig

"Triumph der Blauen Schwerter" - die Dresdner Ausstellung:

Sonderschauen zum 300. Porzellanjubiläum

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zeigen vom 8. Mai bis 29. August eine Sonderausstellung zum 300. Jubiläum des Meissener Porzellans. Die Schau unter dem Titel "Triumph der Blauen Schwerter" präsentiert rund 800 historische Porzellane aus Meissener Herstellung. Sammlungsdirektor Ulrich Pietsch sagte dem MDR, dass namhafte Museen aus der ganzen Welt Leihgaben für die Dresdner Jubiläumsausstellung zur Verfügung gestellt haben. Zugleich präsentieren die Staatlichen Kunstsammlungen zerbrechliche Kostbarkeiten aus ihrem Depot, für die in der regulären Ausstellung der Porzellansammlung im Zwinger kein Platz ist. Pietsch sagte, die Ausstellung zeichne ein umfassendes Bild der Meissener Porzellankunst zwischen Barock und Biedermeier.
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Die Staatlichen Kunstsammlungen beherbergen rund 20.000 Porzellane, von denen nur etwa zehn Prozent ständig gezeigt werden können. Der sächsische Hof unter August dem Starken, einem bekennenden Liebhaber und fast schon süchtigen Sammler von Porzellan, hatte rund 35.000 Stücke aus aller Welt zusammengetragen. Das Japanische Palais ist einstmals als reines Porzellanschloss für Augusts Sammlung errichtet worden, beherbergt seit geraumer Zeit allerdings Naturkunde- und Archäologieausstellungen. Der Freistaat Sachsen ist bestrebt, das Japanische Palais wieder zu einem Porzellanmuseum umzugestalten. Aufgrund der angespannten Finanzsituation liegt dieses Vorhaben allerdings zunächst auf Eis. Pietsch sagte, er rechne gegenwärtig nicht mit einer zeitnahen Umsetzung. Trotzdem gibt die Sonderausstellung schon jetzt einen Eindruck davon, in welchem Glanz ein sächsisches Porzellanschloss später einmal erstrahlen könnte. Die Dauerausstellung im Zwinger bleibt im Jubiläumsjahr regulär geöffnet.

Quelle: mdr.de

Wie alles begann - die Geburt des europäischen Porzellans:

Als die Sachsen die Chinesen kopierten

Am Anfang war die Sucht. Nach Reichtum, Schönheit, Größe. Dann kam der Irrtum, man könne Gold produzieren wie frisch gebrannte Töpferware. Das Dritte war der Übermut eines kleinen Apothekergesellen, der das Maul so voll nahm, dass der sächsische Kurfürst August ihn erhöhte. Hinzu kam noch der Fleiß der Sachsen.

Am Ende war das Porzellan. Das erste in Europa. Der Apothekergeselle hieß Johann Friedrich Böttger, der ab 1702 mal in Dresden, mal in Meißen, mal in Königstein als Gefangener Augusts des Starken dessen Sucht nach Reichtum befriedigen sollte. Gold gelang ihm nicht.

Doch seine Experimente hatten Folgen. Neben den alchimistischen Versuchen, unedle Metalle in edle zu verwandeln, stellte Böttger keramische Untersuchungen mit verschiedenen Erden an. Das war im Jahr 1706. Dem Apothekergesellen standen zu jener Zeit der Naturforscher Ehrenfried Walther von Tschirnhaus und der gelehrte Staatsdiener Pabst von Ohain zur Seite. Die drei erkannten im Frühjahr vor 304 Jahren das Herstellungprinzip von rotem Steinzeug. Ein Etappensieg. Damit vollzogen sie den ersten Schritt zur Erfindung des weißen Hartporzellans. Den dreien war schlagartig bewusst geworden, dass man für das Steinzeug roten Bolus, einen eisenhaltigen, fetten Ton, benötigte, um ähnliche Vasen, Tassen, Figuren herstellen zu können, wie es die Chinesen aus Yixing schon lange taten. Den Asiaimport sammelte August der Starke. Er wollte mehr. Um die Sucht nach Schönheit zu befriedigen, sollte Böttger nun, wenn ihm schön kein Gold gelänge, das Porzellan herstellen. So verwegen war der Wunsch nicht mehr, denn der gescheiterte Goldmacher näherte sich der Lösung. Würde er statt des roten Bolus einen geeigneten weißen wie bei der Steinzeugherstellung mit Quarz vermischen und Knochenasche als Flussmittel hinzufügen, dann käme man einem dem Porzellan ähnlichen Material recht nahe. Um jedoch das echte Porzellan zu schaffen, fehlte noch immer das endgültige Rezept. Neben kalkhaltiger Kreide und Quarz brauchte es das Kaolin.

Erfunden war mit dem halben Rezept aber eine Keramik, die wir heute als Böttgersteinzeug kennen. Vermutlich, weil Böttger sich nicht so sicher war, ob er jemals den weißen Scherben erschaffen könnte, forcierte er die Verfeinerung seines roten, auch als Jaspisporzellan bezeichnete Steinzeug. Er ließ es mit einer schwarzen, aus Mangan hergestellten, lüstrierenden Glasur veredeln. Mit seinen in Gold- oder Silberfarben aufgetragenen Dekoren verlieh der Hoflackierer Martin Schnell dem schwarzen Porzellan anschließend den letzten Schliff. August der Starke erfreute sich an dem neuen Luxusgut.

Es waren allerdings nichts weiter als Kopien chinesischer Vorbilder. Wenn die Deutschen heute ihre Nasen rümpfen, weil Asiaten ICEs oder Autos kopieren, dann hilft ein Blick in die Geschichte. Vor 300 Jahren waren Deutsche die Kopierer.
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Das Buch zum 300. Jubiläum: Ulrich Pietsch, Peter Ufer, Mythos Meissen — Das erste Porzellan Europas, editionSZ. 27,90 Euro

Quelle: sz-online / Peter Ufer

Video zur Meißner Ausstellung:



Dresdner
 
Die Erfindung des europäischen Porzellans

Erfunden wurde das erste Porzellan Europas in Dresden. Das geheime Labor befand sich unter der Brühlschen Terrasse. Das Gewölbe unter der Touristenmeile aber gibt es nicht mehr, es flog bereits 1747 in die Luft. Ein Blitz fuhr in die Festungsanlage, wo sich auch ein Pulvermagazin befand. Der legendäre Ort, wo der Siegeszug der Meissener Porzellanmanufaktur begann, verschwand. Wer heute danach sucht, der findet am Fuße der Festungsanlage im Brühlschen Garten gegenüber der neuen Synagoge eine kleine stählerne Tür.

Es war im Dezember 1707, als in dem geheimen Laboratorium August der Starke samt Gefolge bei Böttger erschien. Der Porzellanerfinder packte ein glühendes Kännchen, warf es in ein Fass. Ein explosionsähnlicher Knall soll zu hören gewesen sein und Böttger hat wohl gesagt: „Es muss mir die Probe aushalten“. Dann griff er in die Wassertonne, um das Kännchen ohne einen Riss herauszuholen. Die Szene ist so fantastisch, wie man sich einen Erfinder bei der Präsentation seines Geniestreiches vorstellt, auch wenn es ohne Schaden nicht abgegangen sein kann. Böttger hatte ein fertiges Kännchen im Wasser versteckt. Er wollte August den Starken für sich einnehmen. Davon hing für den Alchemisten alles ab. Immerhin kannte er jetzt das Geheimnis des weißen Goldes. August reagierte sofort. Er wollte sich das Privileg für die erste Porzellanmanufaktur Europas sichern und sicherte zunächst mal die Jungfernbastei. Sieben Offiziere, fünf Sergeanten, zwölf Korporale, ein Tambour und 90 Soldaten bewachten ab Januar 1708 das Laboratorium auf der Jungfernbastei.

Der einstige Grundstoff stammte aus zehn bis 12,5 Prozent feinstem Alabaster und 90 bis etwa 87,5 Prozent geschlämmten Colditzer Ton. Das ergab damals nach dem Brennen mit bis zu 1400 Grad das europäische weiße Hartporzellan.

Großplastik wie der berühmte Paduaner Hahn von Kaendler konnten mit diesem Ton allerdings nicht gebrannt werden. Die einstigen Erfinder und ihre Nachfolger forschten immer weiter. Seit 1724 besteht der Grundstoff für Meissner Porzellan aus Feldspat, Quarz und Kaolin, das seit nunmehr 250 Jahren aus Seilitz kommt. Dort, nur zwölf Kilometer von Meißen entfernt, befindet sich das hauseigene Bergwerk, das kleinste Deutschlands. Das Kaolin aus der Seilitzer Erde wird geschlämmt und gereinigt. Reinheit bedeutet, auch die feinsten verfärbenden Metalloxide nahezu völlig zu entziehen. Nur so wird der brillante Weißgrad, der das Meissener Porzellan auszeichnet, erreicht.

Die 275 Jahre alten Gipsformen des Paduaner Hahnes von Kaendler liegen noch heute im Formenarchiv der Manufaktur. 180 000 Artikel sind es inzwischen, die dort lagern, vom Barock über Jugendstil, die Service und Figuren aus DDR-Zeiten bis zu neuen Entwürfen von heute. Alles fing an mit 28 Teekannenformen, Reliefs und Figuren, die sich bis heute erhielten, inventarisiert im Jahre 1711.
Quelle: sz-online / Textautor: Peter Ufer

Dresdner
 
Nachdem das Jubiläum gebührend gefeiert wurde, gab es gestern für die Belegschaft eine ganz bittere Pille: 180 Leute werden entlassen, das ist 25% der Belegschaft.
Für den "Rest" gibt es Kurzarbeit und Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Das Ganze trotz positiver Geschäftsentwicklung.

Dresdner
 
Leider kein Einzelfall! Das "Sterben" traditioneller Firmen, das Arbeitslosigkeit
und Zukunftsangst der Betroffenen nachzieht und viele seelische Erkrankungen
verursacht, sind ein großes Problem unserer Gesellschaft. - Ulrike
 
300 Jahre europäisches Porzellan
Johann Friedrich Böttger - Der Erfinder des europäischen Porzellans?

In Dresden und Meißen erinnert auch heute noch viel an Böttger und wenig an von Tschirnhaus. In beiden Städten stehen Gedenksteine allein für den Porzellanerfinder Böttger, der “Gold machen sollte und dabei zufällig das Porzellan erfand”, wie heute noch zu lesen steht.
Der Naturforscher, Mathematiker und Physiker Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, Schöpfer der ersten großen Brennspiegel und Brennlinsen, ist Gründer der ersten sächsischen Glashütte und Initiator zur Schaffung einer deutschen Porzellanindustrie. Dieser Gelehrte war auch ein bahnbrechender Philosoph der deutschen Frühaufklärung.
Von Tschirnhaus wurde am 10.4.1651 in Kieslingswalde bei Görlitz geboren. Er erhielt im Elternhaus, auf dem Gymnasium in Görlitz und beim Studium an der Universität Leiden eine bestmögliche Ausbildung. Eine anschließende ”Kavalierstour” nach England, Frankreich und Italien (1674–1679) machte ihn mit führenden Gelehrten seiner Zeit bekannt, in den Niederlanden mit Baruch de Spinoza und Christiaan Huygens sowie in England mit Isaac Newton und Henry Oldenburg. In Paris schloss er enge Freundschaft mit dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz, und es folgte ein umfangreicher Briefwechsel.

Als erster Deutsche wurde von Tschirnhaus 1682 auswärtiges Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften. Er baute große Brennspiegel, stellte die größten Brenngläser seiner Zeit her und erzielte Ergebnisse, von denen zeitgenössische Berichte geradezu Märchenhaftes zu erzählen wissen. Für diese Leistungen erhielt von Tschirnhaus 1692 den Titel eines kurfürstlichen Rates. Einige seiner Brennspiegel und Brennlinsen sind noch heute in verschiedenen Museen, in Dresden, München und Kassel zu sehen.
Im Februar 1694 berichtete von Tschirnhaus in Briefen an Leibniz über seine Experimente und erwähnte dabei, dass diese ihn auf den Gedanken gebracht hätten, Porzellan zu bereiten.
Die Chinesen hatten dieses Geheimnis schon im 7. Jahrhundert entschlüsselt.
Von 1697–1699 machte von Tschirnhaus weitere systematische Versuche zum chemischen Verhalten von Erden und Silicaten bei hohen Temperaturen.
Schon 1704 wies er dem Sekretär Leibnizens Stücke seiner Porzellanerzeugnisse vor, wobei dieser erläuternd sagte: ”die Chinesen könnten ohnmöglich den Porcelan anders als auf seine Manier machen.”
Von Tschirnhaus hatte daraufhin dem Landesherren, König August II. dem Starken, einen Entwurf zur Errichtung einer Porzellanfabrik vorgelegt, der aber in eine politisch ungünstige Zeit fiel (Großer Nordischer Krieg, 1700–1721) und deshalb ohne Folgen blieb. 1706 verzichtete August der Starke auf die polnische Krone und kehrte nach Sachsen zurück.

Kurz danach kam nun der aus Berlin geflüchtete Apothekergehilfe und Alchemist Johann Friedrich Böttger (1682–1719) nach Dresden, der in Berlin insgeheim alchemistische Versuche betrieben und seinem Chef 1701 eine angeblich völlig ”geglückte Probe” seiner Goldmacherkunst vorgelegt hatte. Als auch August der Starke davon hörte, verlangte er die Einziehung des ”Kerls”. Böttger floh, wurde aber auf der Flucht in Gewahrsam genommen und nach Dresden zurückgebracht, wo er jahrelang unter strenger Aufsicht Gold herstellen sollte, was ihm natürlich nicht gelingen konnte.
1704 wurde nun auch von Tschirnhaus zur Beaufsichtigung des ”Goldmachers” herangezogen. Wahrscheinlich hatte es Böttger dem Gelehrten zu verdanken, dass er nicht das harte Schicksal früherer alchemistischer Glücksritter teilen musste, indem ihn von Tschirnhaus zu seinen Experimenten heranzog. Böttger wollte davon aber nichts wissen und sträubte sich noch bis September 1707 gegen eine Mitarbeit.
Er wolle sich nicht ”in die Porcellain-Arbeit melieren, die Tschirnhausens Angelegenheit sei.” Erst auf höheren Befehl begann Böttger die Mitarbeit.

Im Dezember 1707 kam der König in das neue, für von Tschirnhaus eingerichtete Forschungslaboratorium in den Kasematten der Venusbastei (heute Brühlsche Terrasse) und ließ sich die Erfindung vorführen.
Unter von Tschirnhaus’ Oberleitung wurden die planmäßigen Versuche mit verschiedenen Erden fortgesetzt, wobei mehrere Freiberger Berg- und Hüttenleute mitwirkten.
Das Jahr 1708 brachte einen wesentlichen Fortschritt der Arbeit, da sich zwei Mineraliensendungen als besonders geeignet erwiesen: Eine gelieferte Probe Kaolin bei Schneeberg und ein Alabaster als Flussmittel. August der Starke ernannte von Tschirnhaus zum Geheimen Rat und Direktor der zu gründenden Manufaktur und verfügte, ”daß wir dem Herrn von Tschirnhausen 2561 Thaler haben auszahlen lassen... .” Von Tschirnhaus allerdings bat, diesen Titel erst nach Anlaufen der Fertigung führen zu dürfen.

Das Schicksal wollte es jedoch, dass der Leiter des Ganzen plötzlich starb. Am 11.10.1708 wurde Ehrenfried Walther von Tschirnhaus von der roten Ruhr dahingerafft. Im Forschungslaboratorium herrschte große Betrübnis, denn keiner wusste, wie es mit den Porzellanarbeiten weitergehen sollte.
Drei Tage nach von Tschirnhaus’ Tod berichtete Böttger in einer Meldung an den Statthalter Egon Fürst von Fürstenberg von einem Einbruch in dessen Haus, bei welcher Gelegenheit ein von Tschirnhaus gefertigter kleiner Porzellanbecher abhanden gekommen sei. Dieser Bericht ist ein besonders wichtiges Zeugnis, denn hier bestätigt Böttger selbst, dass es sich um ein echtes Porzellanerzeugnis von Tschirnhaus handelt.

Bis zum 20.3.1709 ruhten die Porzellanarbeiten, dann traf Melchior Steinbrück in Dresden ein. Steinbrück war der Hauslehrer der Familie von Tschirnhaus und hatte nun die Aufgabe, den Nachlass zu sichten. Am 20.3.1709 unterzeichnete Steinbrück vor einem Notar die Aufstellung des Nachlasses von Tschirnhaus` und traf in diesen Tagen mit Böttger zusammen, der dann plötzlich am 28.3.1709 – also nur acht Tage später – dem König die Erfindung des Porzellans meldete. Böttger wurde Leiter der ersten Porzellan-Manufaktur Europas. Er ernannte Steinbrück zum Inspektor, dieser heiratete dann Böttgers Schwester.

Urkundliche Quellen und Zeugenaussagen

*Ende September 1707 wird Böttger erst in der Porzellan-Forschung tätig.
(Hauptstaatsarchiv Dresden -H.St.A. genannt - Loc.1341).

*Noch im Sept 1707 sträubte sich Böttger zur Mitarbeit an der Porzellenherstellung.
Er wolle sich nicht "in die Porcelain-Arbeit melieren, die Tschirnhausens Angelegenheit sei."
(H.St.A.Dresden, Artikel Böttger der Encykloädie der Wissenschaften und Künste, 11.Teil,1823)

Das neue Forschungslaboratorium, welches am 22. Sept.1707 in Betrieb genommen wurde, hat man für E.W.v.Tschirnhaus gebaut. Nach seinen Plänen wurde mit dem Bau bereits 1706 begonnen (H.St.A.Dresden Loc 976).

*Brief Böttgers vom 14.10.1708, geschrieben drei Tage nach dem Tode von Tschirnhaus, in dem er die Herstellung eines Porzellanbechers durch E.W.v.Tschirnhaus bestätigt
(H.St.A.Dresden Loc.976).
Denn am 25. Juni 1708 sandte Christoph Martin Dörfler aus Schneeberg u.a. eine Probe Kaolin in das Forschungslaboratorium (H.St.A.Dresden Loc 1340). Damit ist auch der Beweis geliefert, dass die beste Porzellanerde Sachsens, die berühmte "Auer Erde" bereits im Juli 1708 in Tschirnhausnes Laboratorium eingeliefert worden ist.
Tschirnhaus hatte somit die neue Porzellanerde noch in den Händen gehabt, bevor er im Okt 1708 starb.

*v.Tschirnhaus wird vom König zum Geheimen Rat und Direktor der zu gründenden Manufaktur ernannt (H.St.A.Dresden, Königliche Resolution über die Böttgerschen Rechnungen, 1708)
- und August verfügte, "...daß wir dem Herrn von Tschirnhausen 2561 Thaler haben auszahlen lassen..." (H.St.A.Dresden Loc 2097, Nr.49).

*Außerdem versprach ihm der König den Reisewitzischen Garten bei Dresden, ferner ein "apertes Lehngut von mediocren Wert", seinen "Kindern aber nach seinem Tode jedem eine gewisse Summe Geld nebst ihres Vaters Pension auf etliche Jahre."
(H.St.A.Dresden Loc.1357, ao.1709-1715, Orginal des Dekrets)

*Nach dem Tode von Tschirnhaus ruhten die Porzellanarbeiten bis zum 20.3.1709, dann traf Melchior Steinbrück in Dresden ein. Er war der Hauslehrer der Familie v.Tschirnhaus und hatte nun die Aufgabe, den Nachlaß zu sichten. Am 20.3.1709 unterzeichnete Steinbrück vor einem Notar die Aufstellung des Nachlasses von Tschirnhaus`und traf in diesen Tagen mit Böttger zusammen.
(H.St.A.Dresden Loc 379/381)

Es folgen weitere historische Zeugenaussagen:

"Das Meissener Porcellain ist nach dem berühmten Zschernhausen anfänglich ausgefunden nachgehendts von Böttger zur besseren Perfection gebracht."
(H.St.A.Dresden Loc 1341)

*Fontenelle, Mitglied der Pariser Akademie, nennt 1709 v.Tschirnhaus als Erfinder.
("Eloge de M. de Tschirnhaus" 1709 von Fontenelle, Bernard)

*1719 schreibt der Generalsekretär der Meißner Manufaktur
-Caspar Bussius- in seinem Bericht vom 19.1.1719: "daß die Porzellanerfindung nicht von Böttger, sondern von dem seeligen Herrn von Tschirnhausen herkommt und dessen schriftliche Wissenschaft ihm durch den Inspektor Steinbrück zugebracht worden sey." (H.St.A.Dresden,Hempel 1823, S.292)

Und in der Tat hat Steinbrück 1718 in einer Abfassung mit eigenen Worten zugegeben, den handschriftlichen Nachlaß von Tschirnhaus benutzt, bzw. sich von den Manuskripten Abschriften gemacht zu haben. Ferner berichtet er, dass er über die Art, wie Böttger das Porzellan erfunden habe, nicht ganz im klaren sei.
("Nachrichten über die im Chursächssischen Ertz-Gebirge befindlichen Edelen guthen und raren Gesteine" -Kgl.Bibliothek Dresden Ms.J. 275, 1718-)

*1727 hält in Paris der französische Technologe und Biologe Réaumur (Erfinder des Thermometers) einen Vortrag über die Herstellung des europ. Porzellans und bezeichnet v.Tschirnhaus als den Erfinder. (H.St.A.Dresden Loc.1341) :"Die Academie hat einen ihrer Glieder, Herrn Tschirnhausen, gehabt, welcher das Arcanum eines Porcellaines, welches dem ansehen nach eben dasselbe ist, so in Sachsen gemacht wird, erfunden..."

*Ein weiterer Zeitzeuge ist Herr Peter Mohrenthal aus Dresden. Er schreibt 1732:

"Ganß Sachsen wird so leicht den Herrn von Tschirnhausen nicht vergessen, und sein Ruhm wird ewig bestehen, so lange nehmlich, als die Porcellain-Fabriqve in Meißen welche nächst der Chinesischen, ihres gleichen in der Welt nicht hat,... Denn eben der Herr von Tschirnhausen ist derjenige, so die Massam zu Porcellain am ersten glücklich gefunden, und hat sie nach ihm der bekannte Bötticher völlig ausgearbeitet... Der Tod nehmlich unterbrach alle schönen Bemühungen des Herrn von Tschirnhausen, welche die Welt nicht mit Golde bezahlen kann."
(P.G.Mohrenthal: Lebens-Beschreibung des Welt-berühmten E.W.von Tschirnhaus in gleichen Nachrichten von seinen Schriften und seltenen Erfindungen. In: Curiosa Saxonica, Drittes repoitorium Probe 38 und 39.Dresden 1731).

Christof v.Tschirnhaus
 
Danke für die ausführliche Schilderung.
Erst in den letzten Jahren wurde die Bedeutung Tschirnhaus für die Erfindung des europäischen Porzellans in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt.
Auch ich würde es begrüßen, wenn dies in Form eines Denkmals oder einer Stele geschehen würde - der Brühlsche Garten auf der Brühlschen Terrasse wäre dafür sicher der richtige Ort.
Dresdner
 
Vielleicht passiert ja -in Sachen Tschirnhaus-Denkmal- noch ein Wunder.
Einige Herrschaften in Meißnen und Dresden reagieren doch etwas seltsam, wenn es um E.W.v.Tschirnhaus geht
Mir verweigerte die Porzellan-Manufaktur Meissen vor einigen Jahren die Einsicht in die Akten.
Zitat:"Sehr geehrter Herr. Privaten Leidenschaften nachzugeben, um die nicht Hobby zu nennen, steht das Archiv der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen niemandem zur Verfügung... Es ist unwichtig, ob Sie das akzeptieren oder ob nicht. Betrachten Sie Ihren Antrag als abgelehnt...
Der Rest Ihres Briefes an mich erscheint mir keiner Antwort wert."

2006 verweigerte die Porzellan-Manufaktur Meissen dem MDR das Filmen in der Manufaktur. Auch hier ging es u.a. um E.W.v.Tschirnhaus.
Einem Museum aus Chemnitz verweigerte die Manufaktur Fotos für einen Tschirnhaus-Artikel.

Ein genehmigtes Interview, das die Produzentin des MDR-Films
"Der Porzellanerfinder E.W.v.Tschirnhaus" im Zwinger zu Dresden führen wollte, wurde kurzfristig abgelehnt.

Aber es gibt auch positive Nachrichten aus Dresden zu vermelden.

Inzwischen wurden einige Korrekturen vorgenommen.
Das Sächsische Staatsinstitut für Bildung und Schulentwicklung, das Comenius-Institut, hat die Schulbücher korrigiert. Dort heißt es nun, „Tschirnhaus gelang die Herstellung des europäischen Porzellans, die J.F.Böttger weiterentwickelte.

Aus der Sächsischen Staatskanzlei heißt es in einem Brief vom 13.1.2007 u.a.:

"Ehrenfried Walther von Tschirnhaus war Mathematiker, Kursächsischer Rat, der als erster Deutscher zum Auswärtigen Mitglied der Pariser Akademie des Sciences ernannt wurde. Er ist der europäische Erfinder des Porzellans, ein Verdienst, das lange Johann Friedrich Böttger zu Unrecht zugeschrieben wurde."
Und in Dresden gibt es inzwischen auch eine Tschirnhaus-Straße.

Der damalige Ministerpräsident Prof. Georg Milbradt sagte auf einer Festveranstaltung in Sachsen folgendes:
"Hier in Sachsen gab es einen forschen Unternehmergeist und eine lange Tradition der Innovation. Hier wurde der Reichtum gemehrt, indem man ihn investierte, neue Geschäftsfelder erschloss und neue Handelsverbindungen knüpfte", so Milbradt, der als Beispiel die systematischen Experimente am Hofe August ansprach, in deren Rahmen Walther von Tschirnhaus die Formel für Porzellan entwickelte. Eine Entwicklung von der wir heute noch profitieren."

Der Oberbürgermeister aus der Porzellanstadt Selb schreibt folgendes:
"... Der Stadtrat der Stadt Selb hat einstimmig auf Vorschlag eines seinerzeitigen Stadtratsmitglieds den Verbindungsweg zwischen Brunnen- und Weißenbacher Straße nach dem Erfinder des Porzellans v.Tschirnhaus benannt. Der Weg liegt in unmittelbarer Nähe der Staatlichen Fachschule für Porzellan. Eine Halle dieses Instituts war zum damaligen Zeitpunkt bereits nach Tschirnhaus benannt."

Das Germanische Nationalmuseum aus Nürnberg bestätigt:
„Die Rolle Ehrenfried Walther von Tschirnhaus als eigentlicher Porzellanerfinder wird immer noch nicht richtig gewürdigt.“

Das Landesmuseum aus Mainz schreibt:
"... Ich werde jetzt unsere Museumsblätter in diesem, auch mir sehr am Herzen liegenden Detail erweitern und korrigieren... mit entsprechender Würdigung der Porzellanerfindung durch Ehrenfried Walther von Tschirnhaus!"

Findet in der Manufaktur Meißen vielleicht nun doch ein Umdenken statt?
In der Presse war zu lesen:
"Die neue Geschäftsführung der Manufaktur ist gerade mit dieser Fragestellung befasst", schreibt Manufaktur-Sprecherin Cornelia Imhof.
Zur "Meinungsbildung" sei Christof von Tschirnhaus zum Gespräch eingeladen. Folgt jahrhundertelangem Schwerterklirren nun ein Handschlag?"
Schön wäre es ja...
Die historische Wahrheit hat sich nach 300 Jahren ihren Weg gebahnt.
Christof von Tschirnhaus
 
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