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Im Mai 2011 begeht Dresden den 100. Gründungstag eines der ersten Krematorien Deutschlands.
Aus diesem Anlass gibt es in der großen Feierhalle des historischen Gebäudes ein öffentliches Kolloquium, der SAX-Verlag veröffentlicht eine Publikation und das Stadtarchiv Dresden gestaltet eine Ausstellung, welche bis Oktober in seinen Räumen und danach im Sepulkralmuseum Köln zu sehen sein wird.
Zur Geschichte schreibt sz-online am heutigen Tag:
Informationen zur Ausstellung und zum Kolloquium finden sich unter: (Admin: externer Link existiert nicht mehr)Ganz selten hat ein Gründungsjubiläum viel mit dem Tod zu tun: Diesen Monat werden das Krematorium und der Urnenhain in Tolkewitz 100 Jahre alt.
„Wir leben in einer Zeit, in der der Tod zunehmend verdrängt wird“, sagt Jens Börner, Leiter von Krematorium und Urnenhain. „Deswegen wollen wir das Jubiläum dazu nutzen, um zu zeigen, dass der Tod mit zum Leben gehört.“ Der 35-Jährige ist gelernter Gartenbautechniker und seit sechs Jahren für die Anlage verantwortlich. „In diesen Gemäuern und dem Urnenhain steckt so viel sichtbare Stadtgeschichte wie an wenigen anderen Orten“, sagt Börner. „Alles zusammen ergibt ein Gesamtkunstwerk, das sich immer wieder zu betrachten lohnt.“
Eine Engländerin war die Erste
Dass dieses Kunstwerk überhaupt existiert, ist dem Dresdner Medizinalrat Gottlieb Heinrich Friedrich Küchenmeister zu verdanken. Er gehörte zu den Reformern des 19. Jahrhunderts und war ein Verfechter der Feuerbestattung. Der Freimaurer gründete 1873 den Verein „Die Urne – Verein für facultative Leichenverbrennung“.
„Damit beginnt die Geschichte der modernen Feuerbestattung, wie sie hier in Tolkewitz seit 1911 betrieben wird“, sagt Robert Arnrich, Chef des städtischen Friedhofs- und Bestattungswesens. „Im 18. Jahrhundert war die Erdbestattung im Sarg weit verbreitet.“ Die Engländerin Lady Katherine Dilke war die Erste, die mit der modernen Methode im Jahr 1874 eingeäschert wurde. Krematorien gab es zu dieser Zeit nicht. Deshalb wurde sie im Beisein vieler Wissenschaftler im Dresdner Siemens-Glaswerk in der Freiberger Straße verbrannt.
Zwei Jahre später fand in der sächsischen Hauptstadt der erste Europäische Kongress der „Freunde der Feuerbestattung“ statt. Doch es sollten noch mehr als 30 Jahre vergehen, bis der Bau des Krematoriums Tolkewitz beschlossen wurde.
„Dazu muss man wissen, dass Tolkewitz vor den Toren der Stadt lag und die Dresdner keine Verbrennungsanlage in ihrer Stadt wollten“, sagt Krematoriumschef Börner. Das heute als größtes Jugendstilgebäude Sachsens geltende Krematorium mit der Feierhalle wurde nach Entwürfen des Dresdner Architekten und Hochschulprofessors Fritz Schumacher errichtet. Der bekannte Dresdner Stadtbaurat Hans Erlwein überwachte die Arbeiten.
Es entstand ein sogenanntes Reformgebäude, das der christlich geprägten Architektursprache kirchlicher Friedhöfe gegenüberstand. „Von dieser Symbolik wollten sich die Feuerbestatter unbedingt absetzen“, sagt Börner. „Statt kirchlicher Darstellungen standen hier die alten Griechen Pate.“ Davon zeugen die Flügel des mythischen Vogels Phönix unterhalb der Dachkante.
30 Einäscherungen pro Tag
Doch im ursprünglichen Krematorium lodern schon seit 1994 keine Flammen mehr. Übergangsweise war seinerzeit eine Baracke mit vier Öfen in Betrieb gegangen. Die wurde 2005 durch eine hochmoderne Verbrennungsanlage in einem schlichten Betonbau ersetzt.
„Dort nehmen die Öfen nur noch einen kleinen Teil ein, der Rest ist eine aufwendige Umwelttechnik-Anlage, die Glut und Schadstoffe beseitigt“, erklärt Börner. „Mit der neuen Technik kommen wir auf rund 30 Verbrennungen pro Tag.“ Doch nicht nur das Krematorium selbst hat eine enorme Bedeutung für Dresden. Im umgebenden Urnenhain liegen viele Persönlichkeiten der Stadtgeschichte, unter anderem die Sarrasani-Familie. Durch die Erweiterungen der Friedhofsanlage bis Ende der 20er-Jahre entstand ein einzigartiger Park, der mit kunstvoll gestalteten Grabsteinen und dem künstlich angelegten „Teich der Tränen“ bis heute zum Verweilen einlädt. Dazu ist der Urnenhain auch für Naturfreunde ein Paradies. Unterm Dach des alten Krematoriums brüten beispielsweise Turmfalken ihre Jungen aus.
Die Publikation des SAX-Verleges enthält folgende Inhalte:
100 Jahre Krematorium und Urnenhain Dresden-Tolkewitz
Unter den Flügeln des Phönix
ISBN: 978-3-86729-080-7
1. Auflage 2011
Format: 21 x 29,7 cm
224 Seiten
130 einfarbige Abbildungen
310 farbige Abbildungen
Gebundene Ausgabe
Preis: 29,80 €
Dieses Buch erscheint in Kürze.
Beiträge:
Marion Stein:
Friedrich Siemens und Lady Katherine Dilke
Ein gefeierter Wärmetechniker, eine geheimnisvolle Engländerin und die erste moderne Feuerbestattung in Dresden
Ulrich Hübner:
Fritz Schumacher und sein Dresdner Krematorium
Ulrike Hübner-Grötzsch:
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit – die Friedhofsreform auf dem Urnenhain Tolkewitz
Christian Mögel:
»Du hast gewirket, solange es Tag war« – Einige statistische und soziologische Anmerkungen
Peter Hofmann und Jens Börner:
Die Dresdner Krematorien
Gebhard Schetter und Jens Börner:
Umweltfreundliche Technik im Krematorium Dresden-Tolkewitz
Uwe Möbus:
Die Zweite Leichenschau
Peter Neumann:
Tolkewitzer Trauerfeiern
Ingrid-Ulrike Grom:
Trauern ist Arbeit – Trauerarbeit ganz persönlich
Reiner Sörries:
Die Asche machts möglich – Bestattungskultur im Wandel
Volker W. Völsing:
Zur Entwicklung der Aschenkapseln und Schmuckurnen
Christine Spitzhofer:
Die Friedhofsordnungen, Richtlinien und Friedhofssatzungen von 1911–1940 und 1945–2006
Michael Müller und Sabine Webersinke:
Besondere Grabmale
Jan-Michael Lange und Martin Kaden:
Zur Geologie des Städtischen Urnenhains in Dresden-Tolkewitz
Ferdinand Heinz, Martin Kaden und Jan-Michael Lange:
Gesteinsanwendungen am Krematorium und auf dem Städtischen Urnenhain in Dresden-Tolkewitz
Jan-Michael Lange, Martin Kaden und Ferdinand Heinz:
Zöblitzer Serpentinit als Urnenmaterial – Eine Einführung in die Petrographie eines außergewöhnlichen Gesteins
Ferdinand Heinz:
Grabmalgesteine im Spannungsfeld der Friedhofsreformbewegung
Waldemar Gleinich und Bernd Zimmermann:
Aus der Vogelwelt des Urnenhains
Hans-Jürgen Hardtke, Rudolf Schröder und Korinna Thiem:
Die Flora des Urnenhains Tolkewitz, die Stinzenpflanzen und Pilze
Henrike Schwarz und Jens Börner:
Nichts gedeiht ohne Pflege; und auch die vortrefflichsten Dinge verlieren durch unzweckmäßige Behandlung ihren Wert
Ingrid-Ulrike Grom und Jens Börner:
Plädoyer für eine Re-Vision der Friedhofskultur
Heike Richter:
100 Jahre Urnenhain – 100 Persönlichkeiten
Boris Böhm:
Die Gedenkanlage für die Opfer der »Euthanasie«-Anstalt Pirna-Sonnenstein
Ulrich Fritz:
Die Gedenkanlage für KZ-Opfer auf dem Urnenhain Tolkewitz
Birgit Sack:
Die Grabanlage »Den Opfern des Stalinismus«
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