Ein kurzer aber interessanter Bericht über eine bayrische Nagelschmiede.
Vielleicht können Leser das Bild ergänzen?
"Wie es in einer Nagelschmiede zugegangen ist, schildert die heimatkundliche Beilage einer altbayerischen Zeitung, die die Zeit des Untergangs dieses Handwerks in Mühldorf am Inn beschreibt. Die Beschreibung dürfte wohl für alle Nagelschmieden im bayerischen Raum gelten.
„Die Nagelschmiede war eine rußige Werkstätte. In der Mitte stand die Esse mit Holzkohlenfeuer, daneben zwei schwere Eichenstöcke mit je zwei Ambossen und Nageleisen. Ein Blasebalg, welcher durch Fußtritte bewegt wurde, sorgte, dass das Feuer immer frische Glut hatte. Abwechselnd lag ein Eisenstäbchen immer im Feuer, ein zweites mit dem glühenden Teil auf dem Amboss und flinke Schläge mit dem Hammer machten die Spitze. Dann kam das Eisen auf den Meißel; ein Hammerschlag und der halbfertige Nagel war abgetrennt. Nun musste die Spitze in das Nageleisen, wieder ein paar flinke Schläge mit dem Hammer und der Nagel war fertig. Durch den Federdruck fiel er aus dem Nageleisen. Früh um vier Uhr fielen die ersten Hammerschläge, abends um sieben Uhr war Feierabend. Mittag gab es eine Stunde Rast. Volle 14 Stunden standen die Nagelschmiede bei der Arbeit.
Lange Schiftnägel für Dachbalken, ganze und halbe Bodennägel für Fußböden, Schlossernägel zum Aufnageln der Beschläge, Sohlennägel in verschiedenen Größen, Absatznägel mit viereckigem Kopf, Hackennägel für Bergschuhe, Mauerstifte und Banknägel, Hufnägel für die Schmiede, all das wurde in fleißiger Arbeit geschaffen.
Lange Arbeitszeit und flinke Hände brachten am Samstag eine Menge Nägel auf den Tisch zum Zählen. Die Gehilfen wurden je nach der Menge der Nägel entlohnt. Verpflegung hatten sie beim Meister. Sonntag morgens wurde der Lohn bezahlt und der größte Teil der Nagelschmiede ließ ein gut Teil davon durch die Gurgel laufen, um den Ruß und den Rauch der vergangenen Woche hinunterzuwaschen. Sie haben alle gerne getrunken die Nagelschmiede und waren ein gar lustig Volk. Das Geld war damals wenig und manchen Sonntag reichte es knapp zum Auszahlen der Löhne. Dann wartete man auf die Schuhmacher und Schmiede, auf Bauern und andere Kunden, welche kamen und das Geldsäckchen wieder etwas auffüllten. Die Nagelschmiede besuchten auch Dulte und Jahrmärkte. Da kamen dann öfters Beträge herein, mit denen die Lieferanten von Eisen und Holz bezahlt wurden. Dem Meister blieb meistens nicht viel übrig.
In der Zeit der Industrialisierung im vorigen Jahrhundert war der Einkauf von passendem Holz und Kohlen leicht möglich. Aber all die Jahrhunderte vorher mussten die Nagelschmiede das Eisen aus dicken Stangen erst in Stäbchen schmieden und sich aus Holz zuvor Holzkohlen für das Schmiedefeuer brennen. So musste der Nagelschmied sein Rohmaterial erst in mühsamer Arbeit zurechtrichten.
Als dann die Fabriken die Nägel massenhaft auf den Mark warfen und die Gewerbefreiheit einsetzte, da stellten sich die meisten Nagelschmiede auf den Eisenhandel um und gründeten sich dadurch eine neue Existenz. Die Gesellen aber wurden arbeitslos; für sie war es schwer, einen neuen Beruf zu finden.
Die geräuschvollen Maschinen in den „Fabriken“ – so schließt der Bericht - „haben das lustige Hämmern der Nagelschmiede verdrängt; ein Jahrhunderte altes Handwerk ist zu Ende gegangen.“"
Quelle: Karl Baumann, Alt-Dillinger Handwerk, ein Beitrag zur Geschichte einer verlorenen Welt, Dillingen 1993, S. 123 -125.
Wolfgang (SAGEN.at)
Vielleicht können Leser das Bild ergänzen?
"Wie es in einer Nagelschmiede zugegangen ist, schildert die heimatkundliche Beilage einer altbayerischen Zeitung, die die Zeit des Untergangs dieses Handwerks in Mühldorf am Inn beschreibt. Die Beschreibung dürfte wohl für alle Nagelschmieden im bayerischen Raum gelten.
„Die Nagelschmiede war eine rußige Werkstätte. In der Mitte stand die Esse mit Holzkohlenfeuer, daneben zwei schwere Eichenstöcke mit je zwei Ambossen und Nageleisen. Ein Blasebalg, welcher durch Fußtritte bewegt wurde, sorgte, dass das Feuer immer frische Glut hatte. Abwechselnd lag ein Eisenstäbchen immer im Feuer, ein zweites mit dem glühenden Teil auf dem Amboss und flinke Schläge mit dem Hammer machten die Spitze. Dann kam das Eisen auf den Meißel; ein Hammerschlag und der halbfertige Nagel war abgetrennt. Nun musste die Spitze in das Nageleisen, wieder ein paar flinke Schläge mit dem Hammer und der Nagel war fertig. Durch den Federdruck fiel er aus dem Nageleisen. Früh um vier Uhr fielen die ersten Hammerschläge, abends um sieben Uhr war Feierabend. Mittag gab es eine Stunde Rast. Volle 14 Stunden standen die Nagelschmiede bei der Arbeit.
Lange Schiftnägel für Dachbalken, ganze und halbe Bodennägel für Fußböden, Schlossernägel zum Aufnageln der Beschläge, Sohlennägel in verschiedenen Größen, Absatznägel mit viereckigem Kopf, Hackennägel für Bergschuhe, Mauerstifte und Banknägel, Hufnägel für die Schmiede, all das wurde in fleißiger Arbeit geschaffen.
Lange Arbeitszeit und flinke Hände brachten am Samstag eine Menge Nägel auf den Tisch zum Zählen. Die Gehilfen wurden je nach der Menge der Nägel entlohnt. Verpflegung hatten sie beim Meister. Sonntag morgens wurde der Lohn bezahlt und der größte Teil der Nagelschmiede ließ ein gut Teil davon durch die Gurgel laufen, um den Ruß und den Rauch der vergangenen Woche hinunterzuwaschen. Sie haben alle gerne getrunken die Nagelschmiede und waren ein gar lustig Volk. Das Geld war damals wenig und manchen Sonntag reichte es knapp zum Auszahlen der Löhne. Dann wartete man auf die Schuhmacher und Schmiede, auf Bauern und andere Kunden, welche kamen und das Geldsäckchen wieder etwas auffüllten. Die Nagelschmiede besuchten auch Dulte und Jahrmärkte. Da kamen dann öfters Beträge herein, mit denen die Lieferanten von Eisen und Holz bezahlt wurden. Dem Meister blieb meistens nicht viel übrig.
In der Zeit der Industrialisierung im vorigen Jahrhundert war der Einkauf von passendem Holz und Kohlen leicht möglich. Aber all die Jahrhunderte vorher mussten die Nagelschmiede das Eisen aus dicken Stangen erst in Stäbchen schmieden und sich aus Holz zuvor Holzkohlen für das Schmiedefeuer brennen. So musste der Nagelschmied sein Rohmaterial erst in mühsamer Arbeit zurechtrichten.
Als dann die Fabriken die Nägel massenhaft auf den Mark warfen und die Gewerbefreiheit einsetzte, da stellten sich die meisten Nagelschmiede auf den Eisenhandel um und gründeten sich dadurch eine neue Existenz. Die Gesellen aber wurden arbeitslos; für sie war es schwer, einen neuen Beruf zu finden.
Die geräuschvollen Maschinen in den „Fabriken“ – so schließt der Bericht - „haben das lustige Hämmern der Nagelschmiede verdrängt; ein Jahrhunderte altes Handwerk ist zu Ende gegangen.“"
Quelle: Karl Baumann, Alt-Dillinger Handwerk, ein Beitrag zur Geschichte einer verlorenen Welt, Dillingen 1993, S. 123 -125.
Wolfgang (SAGEN.at)