Überwältigend war es und unvergessen war die Atmosphäre, im letzten Jahre bei diesem Marathon in Berlin auf der originalen Strecke der olympischen Sommerspiele von 1936, teilnehmen zu können. Es war gleichzeitig für mich auch einer der Generalläufe vor den (sportlichen) Geschehnissen in Griechenland. Viele interessante Aufnahmen zu Sohn Kee Chung, lassen sich im Internet finden, bei YouTube ist als historisches Filmmaterial auch der Lauf von 1936 anschaubar.
Sohn Kee-chung kam in einem kleinen Bergdorf nahe dem Fluss Yalu an der heutigen Grenze zwischen China und Nordkorea zur Welt. Im hügeligen, unwegsamen Gelände entwickelte er sich zu einem talentierten Läufer. Sohn lebte in jener Zeit, als Korea eine Provinz des Japanischen Kaiserreichs war. Zwar nannten ihn seine Eltern Sohn Kee-chung, aufgrund der Angleichungspolitik der japanischen Regionalregierung war er aber bei öffentlichen Auftritten gezwungen, die japanische Aussprache seiner Kanji/Hanja im Namen (jap. Son Kitei) anzunehmen. Er erhielt seine Ausbildung an der Yangjung Oberschule und an der Meiji-Universität. 1935 lief er in Tokio mit 2:26:42 einen Weltrekord im Marathon und nahm im darauffolgenden Jahr an den Olympischen Spielen 1936 in Berlin teil. Der patriotische Sohn weigerte sich während der Olympischen Spiele 1936 mit seinem japanischen Namen zu unterschreiben, lief am 9. August 1936 mit 2:29:19,2 h einen neuen olympischen Rekord und wurde mit über zwei Minuten Vorsprung vor dem Briten Ernie Harper Olympiasieger.
Hierbei verhielt sich Sohn taktisch klug, indem er den Argentinier Juan Carlos Zabala (Olympiasieger 1932) bis zur Hälfte des Rennens ziehen ließ, bis Sohn das Tempo anzog, Zabala und Harper um mehrere Minuten distanzierte und ungefährdet den Sieg holte. Nach dem Sieg betonte Sohn, dass sein Sieg nicht nur auf körperliche Ausdauer, sondern auch auf mentale Willenskraft zurückzuführen war: „Der menschliche Körper kann nur zu einem bestimmten Maß etwas leisten. Danach müssen Verstand und Herz übernehmen.“
Als bei der Siegerzeremonie anstatt der ehemaligen koreanischen Flagge die Flagge Japans gehisst wurde, wandten Sohn und sein Landsmann Nam Sung-yong (welcher Bronze gewann), demonstrativ den Blick ab. Diverse Sportjournalisten bezeichneten diesen Anblick als das traurigste Siegerfoto der Olympiageschichte. Sohns Sieg wurde für separatistische Propaganda benutzt, so dass alle Feierlichkeiten zu Ehren der Olympia-Sieger verboten wurden. Nach seinem Olympiasieg stand Sohn Kee-chung unter ständiger Bewachung und durfte während der japanischen Herrschaft nicht mehr Marathon laufen. Sohn erschien dafür im Film Olympia von Leni Riefenstahl, in dem Harper und er Szenen ihres Marathonlaufs nachstellen ließen.
Nach seiner Läuferkarriere arbeitete Sohn als Trainer, Sohn selbst bekam bei den Olympischen Spielen 1948 die Ehre, die Flagge des neugegründeten Staates Südkorea tragen zu dürfen. Schließlich wurde Sohn Vorsitzender des „Koreanischen Sportverbandes“. Als die Olympischen Spiele 1988 in seinem Heimatland veranstaltet wurden, trug Sohn bei der Eröffnung die olympische Fackel in das Stadion. Hierbei wurde auch die koreanische Schreibweise Sohn Kee-chung verwendet.