Im Jahre 2017 schied meine letzte Großmutter aus einer Welt, welche sie sich bis ins hohe Alter stets zu erschließen liebte und es ganz bravourös verstand, sich in die unterschiedlichsten Menschen und Gegebenheiten hineinzuversetzen und diese zu verstehen. Ebenso las sie so gut es sich mit der allgemeinen Verfassung arrangieren ließ, bis ins hohe Alter. Seit Kindesbeinen an und das ist bis heute geblieben, faszinierten ihre Lebensgeschichten, welche zum einen aus freudigen, aber auch aus leidvollen und entbehrungsreichen Zeiten und Erlebnissen aus der Kriegszeit, der Zeit davor sowie danach erwuchsen.
Als wir, nachdem sie nach einem Unfall nicht mehr alleine leben konnte und in einem betreuten Wohnheim in unserer Straße ihre neue „Wohnung“ bekam, den Keller bei ihr ausräumen mussten, stießen wir auf eine ungeheure Fülle an historischen Dokumenten, an Briefen und Unterlagen. Bei jedem beschrifteten Papiere hielt man Inne, da errichteten sich und vor allem ja taten sich auf, so bewegende Zeiten und ich war sogleich ein wenig betrübt darüber, dass wir all diese Dokumente nicht gemeinsam uns vorgenommen hatten. Uns den Kindern, war zwar vieles von ihren Schriftstücken u. Briefen aus den 50er bis in die 2000er Jahre bekannt, aber bedauerlicherweise nicht zur Gänze all jene Briefe der 40er und 30er Jahre. Mein Vater hingegen kannte einige der Unterlagen sehr gut. Sie besaß bis das Licht des Lebens erlosch, einen ungeheuren Bekanntenkreis, weitreichend auch in andere Länder, das kam wohl durch die späteren Familienreisen an der Seite ihrer Tochter, welche mit einem kanadischen Generalkonsul verheiratet war.
Sie schrieb, wie man schmunzelnd feststellen konnte, in ihrer Jugend nicht nur mit einem Verehrer und erhielt manche Einladungen zu Veranstaltungen und Anlässen. Auf Auszeichnungen und Orden gab sie nicht allzu viel, ihr galt immer der Mensch an sich. Bekannt war, dass sie einen ganz treuen Liebhaber hatte, der mit ihr nach dem Kriege in Ostpreußen, einen Gutshof welchen seine Familie gekauft hätte, mit Pferden und anderen Tieren bewirtschaften wollte. Die Briefe sind erwärmend und berühren die Seele doch sehr. Meine Oma allerdings, wie ich erfuhr, belächelte dies nur als Kinderträumerei und interessanterweise auch als Gesellschaftsflucht, er hatte wohl auch nicht so die Vorstellung davon, was so ein Hof bedeutet hätte. Doch das Schicksal schlug hart zu und der Krieg forderte auch sein Leben, in Italien bei Nettuno im Jahre 1944, fiel er. Er war ein Romantiker, Schwärmer, tragischer Träumer und Visionär. Vieles auch Bilder, sind von ihm erhalten geblieben, wie eben auch viele seiner Feldpostbriefe. Unter ihnen 15 ungeöffnete Briefe. Wie geht es einem nahe, öffnet man sie nun oder lässt man ewig die zu Worte geschriebenen Gedanken und Sehnsüchte ruhen? Wie wichtig wäre es doch, in der eigenen Forschung das zu versuchen zu verstehen, was er aus schwerer Zeit noch schaffte, zu Papiere zu bringen.
Gewaltig waren auch viele Zeichnungen, Reiseberichte und Briefe nach 1945 und aus ihnen wurde ersichtlich, welches Leid sie auch zu tragen hatte, nachdem ihr geliebter Ehemann, also mein Opa, in den 50er Jahren verstorben war. Sie biss sich wieder