Aufnahme aus dem Jahr 2017.
Ansicht auf die Christusseite des Schreins.
Der Schrein der hl. Elisabeth in der nach ihr benannten Kirche in Marburg gehört, zu den wenigen Schreinen des 12. und 13. Jahrhunderts, die nahezu keine Ergänzungen erhalten haben. Das heißt jedoch nicht, dass die Geschichte des Elisabethschreins nicht voll ist von schrecklichen Momenten, von grober Vernachlässigung und Verschleppung nach Kassel über Feuersbrunst bis zur zweimaligen Beraubung. Viele der wertvollsten Edelsteine wurden im Laufe der Jahrhunderte aus ihren Fassungen gebrochen und verschwanden.
Ein kostbarer Kameo, der den Giebel über dem Haupt der Muttergottes zierte und der seit 1810 als verschollen galt, konnte kürzlich in Paris wiederentdeckt werden. Nach fast 200 Jahren kehrt er nun für kurze Zeit nach Marburg zurück. Vermutlich hat das thüringische Landgrafenhaus unmittelbar nach der Heiligsprechung der Landgräfin Elisabeth im Jahre 1235 den Schrein bei einem Goldschmied in Auftrag gegeben, der den Marienschrein im Aachener Münster gekannt haben muss, denn die Architektur des Marburger Schreins ähnelt der des Aachener Marienschreins. Im Unterschied zu fast allen anderen Schreinen besteht er aus einem Langschiff, dem ein Querschiff eingefügt ist, so dass diese beiden Schreine vier Portale besitzen. Die innere Architektur des Schreins besteht aus Eichenholz, das mit stark vergoldetem Kupferblech umgeben ist.
Die reiche plastische Arbeit ist bemerkenswert, alle Figuren und Szenen auf den Dachschrägen sind getrieben. Bei einigen der großen vollplastischen Figuren hat der Goldschmied jedoch die Hände gegossen und angesetzt. Der Schrein war sicherlich schon fertig gestellt, als die Gebeine im Jahre 1249 aus dem sog. Konradbau in den Hohen Chor, in die Ostkonche der Elisabethkirche, gebracht wurden. Dort stand er möglicherweise 40 Jahre hindurch erhöht hinter dem ersten, schlichten Altar, eine Aufstellung, wie sie aus der Stiftskirche St. Ursula in Köln bekannt ist. Auf welche Weise die vielen Pilger den Schrein der Heiligen wahrnehmen konnten, ist nicht überliefert. Ob sie ihn von der ersten hölzernen Chorschranke aus bewundern konnten oder ob sie in den Zeiten zwischen den Messen und Stundengebeten der Ritterpriester und -brüder den Chorraum betreten durften: Diese Fragen lassen sich nicht beantworten, ebenso wenig die Frage, wo genau der Schrein nach der Errichtung des hochgotischen Hochaltars 1289 platziert wurde.
Geriet er sofort in die schon fertig gestellte Sakristei oder stand er doch für einige Zeit vielleicht hinter Gittern im Mausoleum im Elisabethchor? 1539 ließ Landgraf Philipp der Großmütige die Gebeine der heiligen Elisabeth entfernen, um ein Zeichen gegen den Reliquienkult zu setzen. Reliquien Elisabeths befinden sich heute im Elisabethkloster in Wien, im Stadtmuseum von Stockholm, im Schloss Sayn (Armreliquiar) sowie in der slowakischen Stadt Košice.