Der Menhir von Latsch ist höchst beeindruckend in einer Ausstellung in der Kirche St. Nikolaus zu sehen.
Der Menhir von Latsch stammt aus 4. bis frühen 3. Jahrtausend v. Chr. Der Menhir wurde im Jahr 1992 bei der Restaurierung der Kirche Unserer Lieben Frau auf dem Bichl in einem gotischen Altar wiederentdeckt, wo er in der Barockzeit auf allen Seiten mit einer Holzverkleidung versehen worden war. In den hölzernen Altar war eine Ausnehmung für die Aufnahme des Reliquiars, durch die man vom Menhir lediglich den Dolch sah, wodurch man den Stein für eine mittelalterliche Grabplatte gehalten hatte. Erst bei der Abnahme der Holzverkleidung kam der ganze Menhir aus Laaser Marmor zum Vorschein. Der ursprüngliche Fundplatz ist unbekannt.
Der Menhir von der Bichlkirche in Latsch stammt vermutlich aus einer Gruppe von Bildsteinen und stellt darunter wohl das größte Monument dar. Die abgebildeten Gegenstände lassen sich der männlichen Sphäre zuordnen. Verbindlich für die Etschtalgruppe ist der rundum laufende, geraffte Gürtel. Dieser ist begleitet von einem umlaufenden Band, gefüllt mit Strichen. Oberhalb davon befindet sich eine Vielzahl von Gegenständen, die sicherlich zu verschiedenen „Ausstattungsphasen“ gehören. Zunächst sind als „Standardausstattung“ je zwei Beile zu nennen, die in senkrechter Position seitlich angeordnet sind. Vermutlich folgt ein weiteres am oberen Bildrand. Oberhalb des Gürtels erscheinen horizontal positioniert zwei Dolche mit der Spitze zur Mitte hin. Der Dolch links mit der Mittelrippe besitzt einen kugelförmigen Knauf und ist mit Grübchen gefüllt. Der Dolch rechts mit pilzförmigem Knauf gibt einen kennzeichnenden sog. „Remedellodolch“ wieder. Ein senkrecht gestellter Dolch erscheint im oberen Bereich des Bildsteins. Ein weiteres Statussymbol bildet ein zentral befindlicher Gegenstand: dabei handelt es sich entweder um eine Hammerkopfnadel oder – aufgrund der Größe wahrscheinlicher – um eine Hammeraxt. Die Gegenstände sind teils von Grübchenreihen begleitet. Außerdem scheinen zwei Würfelaugen auf. Die obere rechte Hälfte zeigt mehrere schräge Rillen, die in die Schmalseite des Bildsteins überführen und von Strichreihen gefüllt sind. Sie geben ohne Zweifel ein offenbar vorne offen getragenes Gewand wieder. Das Gegenstück auf der linken Seite ist abgeschlagen.
Eine für das Etschtal einzigartige Darstellung bildet ein Jäger mit angesetztem Pfeil und Bogen. Hinter ihm erscheint ein rechteckig bis ovales Gebilde mit Punktfüllung, das vermutlich als Netz zu verstehen ist, welches bei der Jagd zum Einsatz kam. Vor dem Jäger befindet sich eine ithyphallische (mit aufgerecktem männlichem Glied) Figur. Schließlich sind in der rechten Bildhälfte zwei Hirsche dargestellt. Auf der linken Seite befindet sich oberhalb des Dolches vermutlich ein Hund. Oberhalb davon will man einen Wagen erkannt haben. Dies bleibt allerdings ungewiss, vermutlich handelt es sich dabei um zwei weitere Tiere. (Text nach: Hubert Steiner, Die Ur- und Frühgeschichte im Gemeindegebiet von Latsch in: Latsch und seine Geschichte, Herausgegeben von der Marktgemeinde Latsch, Latsch 2007, )
© Wolfgang Morscher, 22. August 2023