"Des Lebens Lust und Leid".
Nach dem Gemälde von Wilhelm von Lindenschmit.
Stich.
Prof. Wilhelm von Lindenschmit in München sieht auf eine überaus reiche künstlerische Tätigkeit zurück. Im Jahre 1829 als Sohn eines bekannten Historienmalers geboren, studierte er in München, Frankfurt a. Main, Paris und Antwerpen, durchschritt also, kann man wohl sagen, alle Etappen, welche damals zur Erreichung eines großen Zieles führen konnten. In Paris malte er seine ersten bedeutenden Bilder, von denen sich "Herzog Alba bei der Gräfin von Rudolfstadt" und die "Ernte" in der Hamburger Kunsthalle befinden. Es folgte dann eine Zeit, in der sich der Meister, dessen Bedeutung bereits zur allgemeinen Anerkennung gelangt war, hauptsächlich mit Arbeiten aus der Reformationsepoche beschäftigte. Daneben gingen Gemälde aus der klassischen Mythologie und Faustbilder her, bis Lindenschmit 1886 mit seinem figurenreichen "Alarich in Rom" ein etwas pathetisches, aber doch gewaltig wirkendes Werk schuf, das gewissermaßen als der Abschluss einer Periode seiner Tätigkeit bezeichnet werden kann. Viel bewundert werden auch die köstlichen dekorativen Gemälde, mit denen der Meister das Cramersche Haus in Nürnberg und den Rathaussaal in Kaufbeuren schmückte. Unser Vollbild, eines seiner jüngsten Werke, stellt "Des Lebens Lust und Leid" dar: hüben ein armes Weib, schwer tragend unter der Last - drüben ein glückliches Liebespaar unter duftenden Frühlingsblüten. Es ist ein allegorisches Bild, aber die Figuren welche Lindenschmit aufstellt, sind doch keine Theaterpuppen, wie in so vielen Allegorien, sondern Menschen von Fleisch und Blut.
aus: Daheim, 30. Jg., Nr. 24, 17. März 1894, S. 381.
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