Ich kritisiere sehr gerne (auch hier in der Fotogalerie) die banalen Auswüchse der aktuellen Architektur.
Im Vinschgau beobachte ich seit Jahren an verschiedenen Stellen Architektur vom Allerfeinsten von dem mehrfach ausgezeichneten Architekten Werner Tscholl aus Morter im Vinschgau.
Hier ein äußerst beeindruckendes Werk von Arch. Werner Tscholl, Selimex Srl Headquarters (heute Rizzi Group SRL), ein internationaler Vertrieb von Obst und Lebensmitteln. Das Gebäude befindet sich am Ortsanfang von Latsch, es handelt sich um mehr als ein Gebäude mit Bürofunktion, es ist eine Skulptur, die die ganze Gegend beeindruckt.
Das ist Architektur, die man sich heute wünschen würde.
Selimex, Latsch
Einer alten Sage zufolge soll sich an der Stelle des heutigen Latsch einst ein See befunden haben. Dies bildete die Anregung dazu, den Sitz der Firma Selimex in einem künstlichen Teich zu platzieren. Das Bürohaus ähnelt einer wehrhaften Wasserburg, und es wird sogar von einer über das Wasser gelegten Rampe erschlossen. Dennoch sollte es eher als ein in die Landschaft gesetztes, tannengrünes Glas-Kunstwerk betrachtet werden. Seine selbstbewusste Haltung rührt daher, dass es für ein ebenso bodenständiges wie weltoffenes Unternehmen entworfen wurde. Hier wird nicht nur mit biologischem Obst und Gemüse gehandelt, sondern auch Kunst ausgestellt.
Auf der Ebene des Teiches befindet sich eine Galerie, in den drei oberen Etagen wurden flexibel gestaltbare Großraumbüros, Schulungsräume und eine Hausmeisterwohnung eingerichtet. lm Zentrum des Gebäudes liegt ein Erschließungskern, in dem Nebeneinrichtungen untergebracht wurden. In einem von der Straße aus nicht wahrnehmbaren Untergeschoss sind das Lager und der Versand untergebracht — weitläufige Bereiche, deren Dach von der Wasserfläche kaschiert wird. Dem verglasten Betonskelettbau ist ein vertikal und horizontal verlaufender Raster aus siebbedrucktem Sicherheitsglas vorgehängt. Diese Glas-Skulptur darf den Gebäude-Schwingungen nicht ausgesetzt sein, weshalb sie als frei stehender Bauteil ausgebildet wurde. 330 Luxeon-Power-LEDs, die u. a. wegen der Reinheit ihrer Farbwiedergabe eingesetzt werden, bringen das „Bürohaus im Wasserbett” nachts zum Leuchten.
Projekt und Bauleitung: Werner Tscholl
Bauherr: Selimex GmbH
Projekt: 2000
Realisierung: 2002 – 2003
Nutzfläche: 1.900 m3
Umbauter Raum: 8.200 m3
zitiert aus: Walter Dietl, Arnold Gapp, Werner Tscholl, Drei Vinschgauer Architekten im Portrait, Herausgegeben von Bettina Schlorhaufer und dem Südtiroler Künstlerbund, Springer, Wien, New York, 2008. S. 294.
© Wolfgang Morscher, 22. August 2023